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Die Schachwelt im Monat Juli

 

Ach, gewinnen ist schön. Am liebsten immer. Das tat Fabiano Caruana vor fast einem Jahr, im August 2014, beim Sinquefield Cup in St. Louis, einem der stärksten Schachturniere aller Zeiten. Er schlug einen Spitzenspieler nach dem anderen und gewann sieben Partien in Folge. Dann folgten drei Remis und Caruana hatte das beste Schachergebnis aller Zeiten erzielt.

Nach diesem Höhenrausch folgten die Mühen der Ebene. Nach St. Louis spielte Caruana viele Turniere, aber nie wieder so gut und er verlor Monat um Monat Ranglistenpunkte. Weltspitze ist er immer noch und für das Kandidatenturnier 2016 hat er sich auch qualifiziert, aber die Siegesserien blieben aus. Bis Anfang Juli das Großmeisterturnier in Dortmund kam. Caruana startete mit einem Remis und einer Niederlage, gewann dann aber fünf Mal hintereinander und wurde mit 1,5 Punkten Vorsprung Erster.

Mit dabei in Dortmund war Arkadij Naiditsch, lange Jahre Deutschlands Nummer eins. Seit Juli 2015 ist er nicht mehr die Nummer eins in Deutschland, sondern Nummer drei in Aserbaidschan. Dort fördert man das Schach intensiver als die Pressefreiheit, doch Naiditsch, der in Deutschland Trainer und Offizielle gern öffentlich kritisiert hat, hofft auf bessere Trainingsmöglichkeiten und mehr Geld. Aserbaidschan will mit dem Spitzenspieler eine Medaille bei der Schacholympiade 2016 gewinnen. Die wird in Baku, der Hauptstadt des Landes, gespielt.

Zu den großen Favoriten bei dieser Olympiade zählen Russland und China. Im Schach ist die Rivalität der beiden Weltmächte freundschaftlich und seit 2001 spielen die beiden Länder regelmäßig Vergleichskämpfe. 2015 traten bei den Herren und bei den Damen jeweils zwei Fünferteams gegeneinander an und jeder Spieler der einen Mannschaft spielte gegen alle Mitglieder des gegnerischen Teams. Bei den Männern gewann China 14-11, bei den Frauen 15-10. Zur gleichen Zeit spielte Chinas Nummer eins, Ding Liren, einen Wettkampf gegen den in Weißrussland geborenen Israeli Boris Gelfand, WM-Herausforderer 2012. Der Chinese siegte mit 3-1.

Diese Erfolge passen zu den Zielen des langen Marsches durch die Schachwelt, die der Schachfunktionär Chen Zude 1991 formulierte. Wie die aussehen, hat die chinesische Schachjournalistin Zhang Jilin deutschen Lesern in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift Schach verraten:

  1. WM-Einzeltitel der Damen
  2. WM-Mannschaftstitel der Damen
  3. WM-Mannschaftstitel der Herren
  4. WM-Einzeltitel der Herren.

Die Punkte eins bis drei sind abgehakt: 1991 wurde die Chinesin Xie Jun Frauenweltmeisterin, 2007 gewann das chinesische Frauenteam im russischen Jekaterinburg die Mannschaftsweltmeisterschaft der Frauen, die Männer holten den Weltmeistertitel acht Jahre später in Zaghkadsor in Armenien. Jetzt fehlt nur noch der Weltmeistertitel der Herren. Da hofft der chinesische Verband auf den 16-jährigen Wei Yi, zur Zeit Nummer eins der Juniorenweltrangliste und der jüngste Spieler aller Zeiten, der die Elo-Marke von 2700 geknackt hat.

Seit Jahren tun Verband und Wei Yi alles, um an die Spitze zu kommen. Mit sieben verließ Wei Yi sein Elternhaus, um bei seinem Schachtrainer zu wohnen, mit acht ging er ins Schachinternat, mit zwölf verließ er die Schule, um Schachprofi zu werden. Ohne die lästige Lernerei hat er jetzt Zeit, sieben Stunden am Tag Schach zu trainieren.

Das trägt Früchte. Im Juli spielte der Junggroßmeister bei einem Turnier im chinesischen Haishan gegen den Kubaner Lazaro Batista Bruzon eine brillante Partie, auf die jeder Weltmeister stolz gewesen wäre: Er zerrte den gegnerischen König mit zahlreichen Materialopfern aufs offene Brett und setzte ihn dort mit einer Reihe ruhiger Züge Matt.

Erstaunlich, doch nur wenige Tage später gelang David Navara, Tschechiens Nummer eins, beim Traditionsturnier im schweizerischen Biel ein vielleicht noch größeres Kunststück. Er hatte Weiß und schickte seinen König in der Partie gegen den Polen Radoslaw Wojtaszek bis ans andere Ende des Bretts nach h8, in eine Gegend, in der eigentlich der schwarze König zu Hause ist. Die vielen schwarzen Figuren begleiteten den weißen König auf seinem Weg zwar mit zahlreichen Schachs, aber Matt setzen konnten sie ihn nicht. Als der Schwarze den Großteil seines Pulvers verschossen hatte, fiel der weiße König schließlich über die schutzlosen schwarzen Bauern her und Weiß gewann im Endspiel.

Doch auch die schönste Partie bringt nur einen Punkt. So landete Navara in dem Turnier, an dem sechs Spieler teilnahmen, auf dem vierten Platz, Wojtaszek, der Verlierer der Glanzpartie, wurde Zweiter, der Turniersieg ging an den Franzosen Maxime Vachier-Lagrave.

Auch Deutschland feierte im Juli Erfolge. Bei den NATO-Meisterschaften in Amsterdam funktionierten Technik und Logistik der Bundeswehr einwandfrei und die deutsche Mannschaft siegte zum vierten Mal in Folge.

Der deutsche Nachwuchs holte bei der Jugend-Mannschaftseuropameisterschaft im polnischen Karpacz Gold. Jüngstes Mitglied des deutschen Teams war der 11-jährige Vincent Keymer, mit einer Elo-Zahl von 2352 zur Zeit Nummer 280 der deutschen Rangliste. In Europa ist Keymer der beste Spieler unter zwölf Jahren und auf der ganzen Welt gibt es in dieser Altersklasse nur zwei Spieler, die besser sind. Er geht aufs Gymnasium, will Abitur machen und spielt außer Schach noch gerne Klavier und Fußball. Er lebt bei seinen Eltern.