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Endlich! Der Nobelpreis!

 

„Blauschielend der Himmel“, würde Friederike Mayröcker dichten. Das Radio sagt dazu: gutes Wetter. Aber das ist ja egal. Ist ja Buchmesse. Ist ja drinnen. Und ist schwülwarm und anstrengend. Menschen tragen Papptaschen rum, schieben und stoßen sich durch die Gänge. An vielen Buchständen zeigt sich gegen Mittag eine gewisse Spannung: Der Literaturnobelpreisträger wird gleich bekannt gegeben. Ein bisschen Weltmeisterschaftsgefühl. Beim Hanser-Verlag steht schon das ZDF, eine Journalistin hakt Fragen auf einem Zettel ab, der Kameramann entsichert sein Geschütz. Das Verlags-Personal ist vorbereitet und ist sich schon ein wenig sicher. Phillip Roth gilt seit Jahren als sicherer Preisträger. Immer wieder tauchte sein Name in den Spekulationen auf. Ein wenig der Martin Walser der amerikanischen Literatur. Wenn man böse wäre. Falls er gewinnt, wird die Buchwand umdekoriert. Dann heißt es Roth, Roth, Roth – solange das Fernsehen herumsteht. Der Sekt ist auch schon kalt. Sicher ist sicher.

Weniger Stress am Rowohlt-Stand. Mit Thomas Pynchon rechnet hier kaum jemand. Seine Bücher sind in den Regalen kaum zu finden. Ein anderer Kandidat lächelt an den Wänden S.Fischers herab. Aber auch er, Richard Ford, scheint nicht ernsthaft in Erwägung zu kommen. Auch der Verlag glaubt offenbar nicht dran. Oder ist er nur bescheiden?

Ein Stockwerk höher, mal wieder am Focus-Stand, lässt sich der Schauspieler Walter Sittler mit ein paar Gästen fotografieren, dann passiert’s, das Geraune beginnt: Ko Un? Nein. Pynchon? Neinnein! DeLillo? Neinneinnein! Oder Roth? N-E-I-N! Sondern die englische Schriftstellerin Doris Lessing! „Ach echt?“, sagt eine Besucherin. „Was hat’n die geschrieben?“ Das steht alles bei Hoffmann und Campe in Halle 3. Die Presse setzt sich in Bewegung. Man wird mitgeschoben, mitgezerrt, fast rennt man Alexa Hennig von Lange auf der Rolltreppe um, fegt vorbei an Roger Willemsen, und natürlich ist man nicht der Erste am Stand. Der Champagner in den Gläsern ist schon fast leer, Kameras blitzen, Videokameras halten auf das Stoffplakat der Schriftstellerin, die darauf gütig lächelt. Ihr jüngster Roman Die Kluft wird nachgelegt, das Regal muss voll. Verlagsangestellte Bettina von Sallwitz schüttelt Hände. „Na klar haben wir damit gerechnet“, scherzt sie. „Aber eigentlich ist sie ja seit einigen Jahren immer auf der Liste.“ Da sei man nicht allzu überrascht. Noch vor einer Woche hätten sie Doris Lessing getroffen, in Hamburgs Thalia-Theater. „Wer weiß, ob man dieser Frau noch einmal so begegnen kann.“ Schließlich ist Lessing 87.
Ein paar Studenten wurden vom Trubel angezogen. Sandra aus Bielefeld und Diane aus Stuttgart.
„Kennt ihr Doris Lessing?“
„Lessing, Lessing“, sagt Sandra und grübelt, „ist das nicht Nathan der Weise?“
„Nein“, sagt Diane, „die hat doch dieses Katzenbuch geschrieben.“

Das Journalistengedrängel wird weniger. „Hab alles!“, ruft einer, wischt sich die Stirn und klatscht in die Hände. Soviel Klischee muss sein. Außerdem locken die nächsten Bücherwände und die nächsten Schriftsteller. Ein paar Werbetaschen gibt’s sicher auch noch irgendwo. Ist ja Frankfurt. Ist ja Messe.