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Nur ja keinen normalen Sex, bitte!

 

Matthias Horx hat also wieder einmal zugeschlagen. Der gemeinhin als Trendforscher bezeichnete … ähm … Trendforscher hat sich diesmal um das Sexleben seiner Mitmenschen gekümmert.

Man, pardon, wir trennten uns heute hauptsächlich wegen schlechten Sexes, meint er. Außerdem müssten wir „Gourmet-Sex“ betreiben, wenn wir länger mit unserem Partner zusammenbleiben wollten. Zu diesem Zwecke würden wir ihn (den Sex) inszenieren wie ein „Sechs-Gänge-Menü“.

Woher weiß Herr Horx das alles? Und vor allem: Wie belegt er sein Wissen?

Es passt natürlich sehr schön in das Bild, das RTL und Konsorten von unser aller Sexualleben zeichnen. Man tut’s ja heute kaum noch außerhalb eines Swingerclubs – wenn man denen glaubt.

Könnte Herrn Horxens Meinung nicht eher ein sozusagen doppelt reflektiertes Spiegelbild sein? Wenn mir heutzutage jedes Frauenmagazin einredet, dass ich mich im Bett inszenieren muss, kleine Rollenspiele spielen und das eheliche Dasein „mal ein wenig aufpeppen“ soll, dann glaube ich das irgendwann sogar selbst.

Dass alle diese guten Tipps in Wirklichkeit nichts anderes tun, als die Karotte vor unserer Nase noch ein Stückchen höher zu hängen, bedenken die wenigsten. Das ist eine Kreuzung aus Teufelskreis und Todesspirale. Man liest heute allenthalben über die vorgeschriebene durchschnittliche Kopulationsfrequenz, und darüber, wie unglaublich kreativ andere Menschen nicht ihr Liebesleben gestalten. Und ich weiß nicht, wie oft ich schon gelesen habe, dass eine Beziehung zum Scheitern verurteilt ist, sobald der Sex sich daraus erst einmal verflüchtigt hat.

Nicht schnackseln wollen ist nicht vorgesehen. Auch wenn man ansonsten vielleicht sogar richtig glücklich mit seiner/m Partner/in ist. Aber huch – wir haben jetzt schon seit drei Wochen nicht mehr gevögelt! Alarm! Und die letzten Male wars auch immer nur in der Missionarsstellung, ohne Sexspielzeug! Hilfe!

Nein, Herr Horx sagt jetzt auch nicht, dass wir das so tun müssen. Aber allein seine Feststellung (Beobachtung?), dass wir („die Leute“) es so tun, weckt in all jenen von uns, die es nicht so tun, das Gefühl, etwas zu verpassen. Und plötzlich zerbrechen wir uns den Kopf über ein Problem, das wir in Wirklichkeit vielleicht gar nicht haben.

Das Problem an Trends ist, dass sie keine qualifizierte Mehrheit erfordern, um ausgerufen werden zu können. Und dass sich wohl jeder, wenn er wieder einmal von einem neuen Trend hört, der ihn angeblich selbst betrifft, kurz einmal vor den Spiegel stellt, um seine Zugehörigkeit abzutesten. Und sei das auch nur eine Zehntelsekunde lang, und mit dem Resultat: „So ein Schwachsinn, ich doch nicht!“ Es bleibt etwas hängen.

Was ist eigentlich so schlimm an ganz normalem Sex? Dass man damit keine Magazinseiten und keine Sendeminuten füllen kann.