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Wer spielt edel, wer schläft nur so?

 

„Wie man sich bettet, so spielt man“ lautet eine alte Fußballerweisheit. Kein Wunder, dass die Mannschaften der Europameisterschaft ganz genau darauf achten, wo sie sich nun betten. Luxus trumpft dabei Reisezeit: Neben dem Gastgeber haben nur zwei weitere Mannschaften (Frankreich und Schweden) ihr Lager in der Ukraine bezogen. Der Rest hat sich auf polnischem Boden eingenistet und darf sich auf weite Wege durch Osteuropa freuen.

Doch was sagen die Häuslichkeiten über die Teams aus? Wer spielt edel und wer schläft nur so? Wir wagen eine Analyse.

Deutschland

© Marcus Brandt/dpa

Schon das Lager der deutschen Nationalmannschaft versprüht mehr Lenor als Jogi Löw beim Hemdenkaufen. „Dwór Oliwski“, Olivaer Hof, heißt das Teamhotel. Es liegt im Danziger Stadtteil Oliwa, auch „Tal der Freude“ genannt, und ähnelt einer Dorfidylle wie man sie sonst nur aus polnischen Heimatfilmen kennt. Ähnlich schmalzig bezeichnete der DFB-Präsident Wolfgang Niersbach die Wahl als „Liebe auf den ersten Blick“. Dabei sollte man nach den jüngsten Leistungen der Mannschaft eine etwas härtere Gangart erwarten. Soll heißen: mehr Trainingscamp und weniger Wohlfühl-Bubble. Vielleicht brauchen die Deutschen diese provinzielle Idylle aber auch, bevor der BVB-Block sich abspaltet und nächstes Mal als eigenes Team aufläuft. Teilen sich Hummels und Mertesacker eigentlich ein Zimmer?

Griechenland

© Peter Andrews / Reuters

In Griechenland gibt es derzeit wahrlich wenig zu lachen. Deswegen sind die meisten Griechen-Witze noch schlechter als die Quoten auf einen zweiten EM-Sieg. Um es den gebeutelten Südländern dennoch so angenehm wie möglich zu machen, versuchen es die Gastgeber mit Palmen, Marmor und antiker Architektur. Pech nur, dass die Mannschaft auch in der Post-Rehakles-Ära ähnlich altertümlich und oft mit der Grazie eines Baby-Elefanten (im Bild rechts) spielt. Immerhin, das Wein-Angebot des Warszawianka Hotel in Jachranka soll einen hohen Stellenwert genießen.

Spanien

© Peter Andrews / Reuters

Was ist eigentlich mit den Spaniern los? Erst belegt der Verband die Spieler mit einem Twitter-Verbot, dann nehmen sie ein ganzes polnisches Dorf in Beschlag. Selbst die Bewohner Gnewins dürfen die nächsten Wochen nur noch mit Zutrittsberechtigung „einreisen“. Sind das erste Anzeichen von Star-Allüren? Ein Erwachen imperialistischer Wurzeln? Oder hat die „rote Furie“ angesichts der großen Erwartungen einfach Muffensausen? Abgesehen von viel Ruhe bietet das Mistral Hotel auch ein großes Billard-Angebot. Können die Spanier das überhaupt? Einlochen. Ok, doofe Frage.

England

© Kacper Pempel / Reuters

Ganz anders als die Spanier hausen die Engländer. Der gemeine englische Fußballer gilt als geselliges Wesen, bisweilen etwas zu gesellig. Deswegen vergraben sich die Engländer auch nicht in abgesperrten Arealen, sondern beziehen ihr Quartier mitten in Krakaus Innenstadt. Da ist das Leben, da sind die Fans und es ist auch nicht weit, um nach dem Dinner noch einige Pint im nah gelegenen Pub zu zünden oder sich vor den britischen Tabloids zu blamieren. Vielleicht haben die Engländer aber auch mehr Stil als man denkt. Die Zimmer des Hotel Stary jedenfalls sind beeindruckend in Größe und Eleganz, ganz anders als John Terrys Charakter also. Unklar ist, ob auch in Doppelzimmern die Badewanne neben dem Bett steht. Aber wie gesagt: Die Engländer sind ja gesellig.

Portugal

© Reuters

„Wo befreundete Wege zusammenlaufen, da sieht die ganze Welt für eine Stunde wie Heimat aus.“ Dieses Zitat von Hermann Hesse ist in den flauschigen Teppich des Hotels in Opalenica gewoben. Hier gastiert die portugiesische Mannschaft. Erstaunlich, vermutet man hinter Spielern wie Cristiano Ronaldo angesichts seiner Freistoßzelebration doch eher einen Fan gediegener Wildwestliteratur. Sonst hat die Behausung weniger mit der südländischen Heimat als mit nordischem Minimalismus zu tun. Einzig der Preis ist so heiß wie die Sonne an der Algarve: Mit 33.000 Euro pro Tag ist es das teuerste aller EM-Quartiere, Haargel und der Frisör von Fábio Coentrão exklusive. Vielleicht wollten sie es tatsächlich – frei nach Hesse – nur für eine Stunde (oder Vorrunde) buchen.

Schweden

© Gleb Garanich / Reuters

Im Gegensatz zu den Luxushotels der Konkurrenz haben sich die Schweden pragmatisch eingenistet. Das Platium Hotel (nein, hier wurde kein ’n‘ vergessen) außerhalb Kiews versprüht schon von Außen einen Charme zwischen Tanke und Rastplatz. Im Inneren ist es nicht besser: Die Badezimmer sind in stilsicherem Braun gehalten (oder ist das schon Terrakotta?), die Hometrainer sehen aus, als würde an ihnen noch der Schweiß aus UdSSR-Zeiten haften. Das passt einerseits zum schwedischen Spiel (ernst, kompakt, ohne Schnickschnack), stößt sich andererseits an schwedischen Designmaximen (offen, hell, ästhetisch schön). Ob dieser Kulturschock mal gut geht. Was wohl der Lebemann Zlatan Ibrahimović über diese Wahl sagt?