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„Der Fußball darf nicht mehr elitär sein“

Jerome Champage (Archivbild 2007)
Jerome Champagne (Archivbild 2007) — Gianluigi Guercia/AFP/Getty Images

ZEIT ONLINE: In einem Brief an alle 209 Fußballverbände verlangen Sie von der Fifa Entwicklungshilfe. Wie kann man Missbrauch verhindern, wie in der Vergangenheit zu beobachten?

Jerome Champagne: Seit 1998 hat sich die Fifa der Entwicklungshilfe verschrieben. Man denke an die Programme „Goal“ und „Win in Africa with Africa“. Ein Erfolg wie der Einzug der Kapverden ins Viertelfinale des Afrika Cups ist der beste Beweis dafür. Das gilt auch für viele andere Länder. Aber wir müssen noch mehr tun, zum Beispiel: mehr Sportplätze bauen, ein Programm entwickeln, wovon kleinere Klubs profitieren, ein System entwickeln, das junge Spieler und lokale Talente fördert. Der Fußball darf nicht mehr elitär sein.

Tatsächlich gab es Missbrauch, das ist angesichts des Umfangs dieser Programme unausweichlich. Es gibt fast 600 Projekte von „Goal“, da ist es unvermeidlich, dass mancher Geldschein nicht für das verwendet wird, wofür er vorgesehen ist. Deswegen muss strenger und öfter kontrolliert werden. Ich habe mit Befriedigung gelesen, dass das Fifa-Exekutivkomitee letztens beschlossen hat, ihre finanzielle Entwicklungshilfe von den Nationalverbänden und Konföderationen verstärkt kontrollieren lassen wird. Das kann aber nur der erste Schritt sein.

Champagne: Fußball ist so wichtig im Leben vieler Menschen, es ist in vielen Ländern eine nationale Angelegenheit. Zwangsläufig fällt er damit in den Aufgabenbereich vieler Politiker. Die Fifa muss sicherstellen, dass die Sportpolitik in den Händen der Nationalverbände bleiben, etwa der Ligabetrieb oder die Entscheidung, ob man sich für eine Weltmeisterschaft bewirbt.

Aber in Europa ist die EU verantwortlich für die gewichtigste politische Einmischung in den Sport. Weil sie Sport als eine wirtschaftliche Tätigkeit wie alle anderen betrachtet, weil sie den nationalen Charakter des Fußballs zugunsten einer künstlichen europäischen Dimension aufgegeben hat und weil sie ihr deregulierendes Primat für den freien Warenverkehr verteidigen wollte, hat die EU dem Fußball ein hyperkapitalistisches Element eingeschrieben: das Bosman Urteil. Es herrscht große Einigkeit darüber, dass es negative Folgen für den Fußball hatte: Elitismus und Konzentration auf wenige wichtige Spieler und Vereine. Jedenfalls haben die Sportverbände Europas eine Intervention akzeptiert, die sie in anderen Zusammenhängen und Regionen vehement abgelehnt hätten.

Man muss sich zudem vor Augen führen, dass in den EU-Staaten die Quote an ausländischen Spielern vier bis fünf Mal so hoch ist wie der Durchschnitt (8 %). In Zypern liegt sie gar bei 80 %.

ZEIT ONLINE: Wie bewerten Sie die Reform der Fifa?

Champagne: Angesichts der vielen Vorwürfe, Gerüchte, offensichtlichen Interessenkonflikte und Kontroversen nach den Vergaben der Weltmeisterschaften an Russland und Katar war dieser Prozess notwendig. Manche Entscheidungen waren sehr wichtig, etwa die Präsenz von Frauen im Exekutivkomitee und die Installation eines unabhängigen Ethikkomitees. Aber die Fifa muss viel weiter gehen, muss mehr Demokratie wagen. Beispielsweise sollte sich das Exekutivkomitee vom Kongress wählen lassen. Und der Präsident braucht die Macht, um die Politik durchzusetzen, für die er sich hat wählen lassen. Ich wünsche mir auch eine aktivere Fifa im Umgang mit Ungleichheiten und -gewichten zwischen Kontinenten, Ländern und Klubs. Derzeit bildet die Fifa noch die Machtstrukturen der Welt ab, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg war. Der Fußball wird immer elitärer, wird zunehmend NBAisiert. Er braucht eine starke Kontrollinstanz, die demokratisch legitimiert ist.

Jerome Champagne war Fifa-Manager und Mitstreiter von Joseph Blatter. Inzwischen gilt er manchen als Kandidat für dessen Nachfolge.

 

Borussia Dortmund – Werder Bremen 2:1

Analyse Der Deutsche Meister und Pokalsieger Dortmunder ist mit einem 2:1-Sieg in die neue Saison gestartet. Es war ein knapper Sieg, ein anders knapper Sieg als man ihn von Dortmund gewohnt ist, das dieses Ergebnis schon mal aus 30:2 Chancen erringt.

Heute war das anders, der Gegner stärker. Bremen war mindestens gleichwertig, spielte extrem passsicher, hatte einige Chancen. Aaron Hunt, Marko Arnautovic und Elia waren von der Dortmunder Abwehr schwer in den Griff zu kriegen.

Ein Lob für beide Teams und Trainer, für beide Seiten: Es war ein intensives Spiel, viele Zweikämpfe, drei schöne Tore. Man muss ja auch bedenken, dass es der erste Spieltag war. Die Dortmunder zwischendurch etwas müde, aber mit guten Nehmerqualitäten nach dem Gegentor. Die Bremer wirkten heute alles andere als gerupfte Hühnchen (ein Joke aus dieser Schublade sei gestattet).

Schöne Geschichte natürlich, dass Mario Götze das Siegtor geschossen hat, der sehr schwere Monate hinter sich hat.

Eine Taktikanalyse von Tobias Escher: „Borussia Dortmund ist bekannt für aggressives Pressing und schnelles Umschaltspiel. Heute agierten sie überraschenderweise wenig dynamisch. Gegen Werder Bremens 4-1-4-1 kamen sie relativ selten ins letzte Drittel. Die Werderaner zeigten sich außergewöhnlich und unverhofft passstark, ihnen fehlte aber jene Konsequenz vor dem Tor, die Dortmund auszeichnete. Was mir bei Dortmund noch auffiel: Sie wirkten in der letzten halben Stunde platt. Normalerweise kennt man sie so gar nicht. Ob sie von ihrer Form her noch nicht bei 100% sind?“

Erstaunlicher Satz des Meistertrainers: „Wir sind in einer Phase, in der verschiedene Abläufe nicht sitzen.“ Herr Klopp, was wurde aus der Pöhler-Kappe?

Und ein letztes eieiei!

Endstand 2:1

84′ Tobias Escher warnt: „So langsam wird es haarig mit Schmelzer. Praktisch jeder guter Werder-Angriff über Arnautovic auf rechts.“

82′ Tor für Dortmund 2:1 Götze Kuba tankt sich durch, Lewandowski steil, der eingewechselte Götze schiebt ein. Prödl und Sokratis konnten sich nicht richtig einigen, wer raufgehen soll.

79′ So weit wir wissen, hat Dortmund sein Konditionstraining komplett umgestellt: größere Umfänge, neuer Fitnesstrainer, Oliver Bartlett ist nicht mehr dabei, Andreas Beck hat ihn ersetzt. Never change a winning system? Not with Klopp.

77′ Tobias Escher schreibt: „Es kommt aus meiner Sicht nicht überraschend. Bremen zog in den vergangenen Minuten das Spiel in die Breite, die Außenverteidiger der Dortmunder passten nicht auf. Es war die dritte gute Flanke von Arnautovic innerhalb weniger Minuten.“

75′ Tor für Bremen 1:1 Gebre Selassie Starke Flanke von Arnautovic, und Gebre Selassie köpfelt ins lange Eck. Völlig atypisch für die Dortmunder, dass sie abwinken, weil sie den Ball im Aus vermuten.

Eieiei!

67′Ein Einwurf von Tobias Escher: „Junuzovic ist 9,5km bisher gelaufen … in 66 Minuten … das läuft Mario Gomez in einem ganzen Spiel … oder ich in einem Monat.

Bremen übrigens im 4-4-2, zwei Stürmer, Fritz neuer Linksverteidiger.“

62′ Tobias verlagert die Debatte: „Bremen spielt im letzten Drittel zu ungenau. Dortmund entblößt zwar öfters die Gassen zwischen Innen- und Außenverteidigern, aber bislang konnte Bremen daraus noch kein Kapital schlagen.“

Arnautovic jagt ein paar Pfeile von rechts in den Dortmunder Strafraum.

56′ Bremen macht die ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit den Eindruck, abzubauen. Tobi und ich teilen diesen Eindruck.

52′Starker Angriff vom BVB, Großkreutz ein bisschen zu früh nach hinten gelöst, aber auch gut von Bremen verteidigt. Was für eine großartige Finte von Kuba! Angetäuschte Flanke – sieht man nicht alle Tage.

46′ Weiter gehts! Unsere Entwicklungsredaktion liest und denkt mit und meldet: Großkreuz hatte in Halbzeit 1 weniger Ballkontakte als Weidenfeller. (Quelle: Ticker)

Halbzeit 1:0 Ein schnelles, attraktives Spiel. Vor allem Werder überrascht mit guten Kombinationen und schnellem offensiven Spiel. Und Problemen in der Abwehr. Also doch alles wie (fast) immer. Die Dortmunder haben Platz zu kontern, spielen aber oft zu ungenau, vor allem Gündogan mit einigen Fehlpässen.

Tobias Escher ergänzt: „Bisher denken beide Mannschaften ans Publikum: Offensiv sind sie besser als defensiv. Dortmund liegt vorne, weil sie ihre Chancen nutzten. Ich werfe einfach mal 5€ ins Phrasenschwein und sage: Noch ist das letzte Tor nicht gefallen.

Gerade wo ich die Zeitlupe nochmal sehe: Das ist ein typisches Dortmund-Tor. Fünf Spieler beim Konter im Vollsprint, so schnell und auch aggressiv schalten nur wenige Teams um.“

Von Werder wusste man ja nicht, was nach dem Neuanfang zu erwarten war, den die FAZ hier beschreibt. Dazu die Pokalniederlage und das PR-Desaster mit dem neuen Sponsor. Aber Thomas Schaaf hat offenbar wieder mal was fabriziert. Andererseits: ist ja erst eine Halbzeit gespielt in der neuen Saison.

Nebenbei: Jupp Heynckes wird nach dieser Saison wohl aufhören, wird morgen in der SZ stehen.

40′ Werder ist stets gefährlich, Dortmund muss sehr konzentriert und engagiert verteidigen. 90% Passgenauigkeit bei Werder. Die Kombinationen flutschen gut.

36′ Kurze Mitschrift aus dem heimischen Wohnzimmer: eieiei!

34′ Tobi, es fällt auf, dass Dortmund in beiden Strafräumen meist in Überzahl ist.

Tobias: „Das sind sie meistens, sie stoßen bei Kontern mit vielen vor, das ist eins ihrer Charakteristika. Was bei Borussia Dortmund noch nicht so funktioniert: die Anbindung zwischen Defensive und Offensive. Oft fehlen im Mittelfeld die Anspielstationen. Vorige Saison ließ sich in solchen Situationen Kagawa fallen. Reus agiert bisher aber wesentlich weiter vorne als sein japanischer Vorgänger.“

27′ Eintrag von Tobias: „Pro Kirch, dem neuen rechten Außenverteidiger des BVB: arbeitet viel nach vorne. Contra: Er steht zu hoch. Bereits zweimal konnte sich Elia in seinem Rücken davon schleichen.“

Dunkelgelb Ignjovski (richtig geschrieben?)

24′ Mein Vater schimpft bei jeder Aktion auf den Schiedsrichter: „Eieiei!“ Ich finde, fast bei jeder zweiten Aktion hat er Recht.

Arnautovic Pfosten! Statistischer Fakt: Zwei Drittel aller Eckentore fallen nach Flanken auf den kurzen Pfosten. Die Bremer Ecke beinahe auch.

22′ Tobias schreibt: „Bis jetzt sind die Dortmunder Außenverteidiger das Zünglein an der Waage. Sie stoßen immer wieder mit schnellen Sprints nach vorne. Die Bremer Flügelstürmer verteidigen gegen sie recht mannorientiert, folgen ihnen bis weit in die eigene Hälfte. Dadurch werden sie weit nach hinten gezogen, Dortmund kann den Spielaufbau mit Gündogan und Kehl ungestört von den Außenpositionen aus einleiten.“

18′ Erste Großchance Werder über die rechte Dortmunder Abwehrseite, Pass von Hunt auf Elia, der scheitert an Weidenfeller.

11′ Tor für Dortmund 1:0 Reus Was für ein Einstand für Reus! Erstes Spiel, erstes Tor. Ein Tor auf leisen Sohlen. Ein unscheinbarer Pass von Kuba, ein sanfter Schuss von Reus, der Ball hoppelt rein.

Ein Kommentar auf Facebook: „‚Profaner Fußball‘ – War ein Germanistik-Student am Werk?“

5′ Erste Notiz von Tobias: „Gündogan und Kehl fallen tief, sie gehen neben die Innenverteidiger. Dadurch kann Schmelzer weiter nach vorne aufrücken und seine Dynamik ins Offensivspiel einbringen. Ansonsten bisher wenig Überraschungen: Dortmund presst früh, Hummels verteilt aus der Abwehr die Bälle. Auf der anderen Seite setzt Schaaf auf ein 4-1-4-1. Defensiv lässt sich diese Formation sehr gut erkennen: zwei breite Viererketten, dazwischen schließt Clemens Fritz die Räume.“

1′ Das Setting ist folgendes: Tobias Escher (Spielverlagerung) sitzt östlich von Hamburg, ich schaue mit meinen Eltern in Laufdorf, Hessen. Wir sind über Skype verbunden, schauen beide ARD. Es geht los! Vielleicht protokolliere ich die Tiraden meines Vaters.

Aufstellungen

Borussia Dortmund Weidenfeller; Kirch, Subotic, Hummels, Schmelzer; Gündogan, Kehl; Blaszczykowski, Reus, Großkreutz; Lewandowski
Werder Bremen Mielitz; Gebre Selassie, Prödl, Sokratis, Ignjovski; Fritz; de Bruyne, Junuzovic, Hunt, Elia; Arnautovic

20:35 Die Eröffnungszeremonie der DFL wirkt, als hätten sie einem Medienstudenten gesagt, er solle die Olympia-Eröffnungszeremonie kopieren. So recht passen Willy Brandt, John F. Kennedy und Martin Luther King aber nicht zu Karl-Heinz Förster, Uli Hoeneß und Christoph Daum.

Weil die Frage in den Kommentaren aufkam: Liebe Leser, unsere Seite lädt nicht von selbst neu. Sie müssen neu laden (F5 oder Reload).

20:30 Beide Daumen rauf für den Einwurf von Rob Alef, der sich auf Volk ohne Raumdeckung mit einem Thema befasst, das uns die nächsten Jahre mehr als uns lieb ist beschäftigen könnte:

Ich glaube nicht, dass es ein Menschenrecht auf Pyros gibt. Die sind als Zubehör ein jüngeres Phänomen. Ich bezweifle, dass die Fans in den Siebzigern weniger leidenschaftlich bei der Sache waren, als es noch keine Pyros gab. Was mich im Stadion viel mehr stört, als das Verbot, Fackeln in Brand zu setzen, ist der Musikmüll aus der Konserve, der den Fans die Möglichkeit nimmt, sich warm zu singen. Dagegen sollte man mal protestieren, gegen diese schrecklichen, sterilen Pre-Game-Shows. Das Stadion ist keine Dauerwerbesendung und auch keine Kampfzone.

Vorbemerkung

Wie würdevoll war doch Olympia! Sportsmänner und -frauen, die des Sports wegen Sport trieben, Athleten, Asketen, Helden, die sich der Ehre wegen hingaben an den Weihestätten der Leibesübung. Ach, was hat uns Olympia mit Freude und Geist erfüllt!

Und jetzt wieder dieser profane Fußball, Geisel des schnöden Mammmons, dieses ordinäre Getrete überbezahlter Lümmel – und nach dem Spiel Reporterfloskeln und Trainerausreden am Rande des Wahnsinns.

Was haben wir ihn vermisst, den Fußball!

Endlich gehts wieder los! Und direkt den Meister setzt man uns als Vorspeise vor. Dieses Gourmet-Häppchens hätte es gar nicht bedurft. Wir wären auch mit (sorry) VfL gegen 1. FC glücklich gewesen, selbst Hertha hätte uns heute zu Begeisterungsstürmen hingerissen, unsretwegen auch Malta gegen Jalta.

Wenn es Ihnen genausogeht, dann seien Sie dabei! Ab 20.15 bloggen wir, Tobias Escher und Oliver Fritsch, Borussia Dortmund gegen Werder Bremen live. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge.

Drei Lektürehinwise vorab

    Michael Horeni (FAZ): 50 Jahre Bundesliga – ohne Verfallsdatum
    Philipp Selldorf (SZ): Wird die Bundesliga wie die Primera Division zum Zweikampf?
    Steffen Dobbert (Zeit Online): Bundesliga Unser
 

Die Olympischen Spiele in 20 Tweets

Es sollten die Olympischen Spiele der neuen Medien werden. Nach zwei Wochen lässt sich konstatieren: Der Kurznachrichtendienst Twitter ist einer der großen Gewinner dieser Spiele. Über 150 Millionen Tweets wurden während der olympischen Zeit gesendet. Während der Abschlussfeier waren es über 100.000 Tweets pro Minute.

Dabei begann Olympia für das US-Unternehmen mit einem PR-Desaster. Twitter sperrte den Account eines Journalisten, nachdem dieser zu Protesten gegen die Olympia-Berichterstattung der NBC aufgerufen hatte:

Twitter monierte, dass die Veröffentlichung von privaten Mail-Adressen nicht erlaubt sei. Die veröffentlichte Mail-Adresse war jedoch nicht privat, sondern öffentlich einsehbar. Nach einem Sturm der Entrüstung nahm Twitter die Sperre zurück.

Auch die US-Athleten kamen über Twitter in die Schlagzeilen: Unter dem Hashtag „#wedemandchange“ kritisierten sie das olympische Komitee und ihren nationalen Verband für das Sponsoren-Verbot:

Über keinen anderen Athleten wurden so viele Tweets geschrieben wie über Usain Bolt. Zunächst ließ er die Welt rätseln, wer die jungen Damen sind, mit denen er seine Goldmedaille im 100 Meter Sprint feierte:

Zwei Goldmedaillen später erklärte er vollmundig:

Von solch einer effektiven Nutzung der sozialen Medien sind die deutschen Athleten weit entfernt. Zwar twitterten, fotographierten und retweeteten sie, was das Zeug hielt. Sinnvolles kam dabei jedoch selten heraus:

Kreativer waren andere:

Aus dem Twitter-Einerlei der deutschen Athleten ragte Hürdenläuferin Carolin Nytra heraus. Ihr Tipp für Nörgler:

ZEIT ONLINE-Redakteur Christian Spiller twitterte während der olympischen Spiele aus London. Einige Tweets waren lustig, andere lustiger. Keiner hat so viele Reaktionen provoziert wie dieser:

Vielen Twitter-Nutzern missfiel die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen TV-Sender. Das ZDF mahnt zur Differenzierung:

Während der Abschlussfeier wurde auf Twitter die Musikauswahl diskutiert:

Und noch ein Tipp für alle, die nicht vier Jahre auf Sportarten wie Taekwondo, rhythmische Gymnastik und Bogenschießen verzichten wollen:

 

Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein?

Wieder einmal ist ihre Kreativität gefragt. Während des Viertelfinals gestern zwischen Italien und England wurde uns dieses Bild des italienischen Torwarts Gianluigi Buffon zugespielt. Was macht er da? Was will er uns oder wem auch immer sagen? Kurzum: Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein, liebe Leser?

Nimm die Kamera runter! Foto: Laurence Griffiths/Getty Images
Nimm die Kamera runter! Foto: Laurence Griffiths/Getty Images

Schreiben Sie Ihre Antwort unten in die Kommentarspalte! Der Leser mit dem originellsten Beitrag gewinnt ein Fußballbuch aus dem Verlag Die Werkstatt. Einsendeschluss ist Dienstag, 16 Uhr. Dann geben wir hier im Blog den Sieger bekannt, den eine redaktionsinterne Jury wählt – natürlich völlig willkürlich. Den Rechtsweg können Sie sich daher schenken.

 

Deutschland gegen Griechenland 4:2

  • Lahm, Khedira, Klose und Reus treffen
  • Samaras, nicht der Ministerpräsident, glich zwischenzeitlich aus
  • Ein Blog aus Berlin, Danzig und Kiew

Halbfinal-Jubel Foto: Michael Steel/Getty Images
Halbfinal-Jubel Foto: Michael Steel/Getty Images

Fazit Dieses Spiel hat Joachim Löw gewonnen. Nicht ganz alleine, klar, aber fast. Scheinbar ohne Not warf der Bundestrainer drei neue Spieler in den Ring. „Es war der Tag der Veränderungen“, erklärte Löw hinterher und erwies sich dabei als das Orakel von Danzig. Weil es eben vor allem die Neuen waren, von denen die griechischen Abwehrspieler noch in ein paar Wochen albträumen werden.

Marco Reus etwa, der Mann mit dem toten Tier auf dem Kopf, wirbelte durch die griechische Abwehr wie beim Training in Mönchengladbach. Er machte das letzte deutsche Tor, das zwischenzeitliche 4:1. Es gab Reus heute.

André Schürrle, der derzeit bessere Podolski, der immer wieder nach innen zog und immer wieder schoss, und nur nicht traf, weil die Griechen dann doch noch einen Fuß dazwischen bekamen.

Und Miroslav Klose, der nicht wund lag, sondern sich wund lief. Schon nach zehn Minuten war sein Trikot so dreckig, wie es das von Mario Gomez in diesem Turnier noch nie war. Er köpfte das 3:1.

Wer vier Tore gegen die angeblich so unüberwindbare griechische Abwehrmauer schießt, muss es aushalten, nun zum großen EM-Favoriten erklärt zu werden. Auch weil viele Spieler sich noch einmal steigern konnten. Philipp Lahm etwa, der ein Costa-Rica-Tor schoss oder Sami Khedira, der seine starke Leistung mit seinem Schienbeinvolley krönte.

Löws größte Herausforderung wird es nun sein, den Kader bei Laune zu halten. Die Gomez’, Müllers und Podolskis werden sich wohl nur schwer mit der Reservistenrolle anfreunden können. Schon gegen den nächsten Gegner, Italien oder England könnten sie mit ihrer ballsicheren Spielweise wieder gebraucht werden. Das muss Löw ihnen erklären. Schafft er das, kann er sagen, ein ganzes Turnier gewonnen zu haben. Nicht nur ein Spiel.

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Oli Kahns erstes Mal

Handelnde Personen

Oliver Kahn: ein ehemaliger Fußballtorwart, dreifacher Welttorhüter, Titan, ZDF-Fußballexperte
Katrin Müller-Hohenstein: Moderatorin, ZDF-Fußballlaie
Jeannine Michaelsen: ZDF-Expertin für Internet

1. (und bisher einziger) Akt

Usedom, floral arrangierte Bühne am Ostseeufer, Großbildleinwand, leise schwappende See, davor Fußballfans in Liegestühlen. An einem Multimediatisch auf der Bühne, stehend: Oliver Kahn, Katrin Müller-Hohenstein, Jeannine Michaelsen

Jeannine Michaelsen: Und wir haben es ja großartig angekündigt. Es hat wahnsinnig viel Furore mit sich gebracht. Du wirst heute twittern.

(Fans singen: Es gibt nur ein‘ FC Bayern…)

Oliver Kahn: Ja, das hab ich ja beim, äh, beim letzten Mal versprochen. Ich glaub, da ist schon, äh, ganz schön was los.

(Ein‘ FC Baaaaayeeeeern…)

Jeannine Michaelsen: Ja… ich muss mal ganz…

Oliver Kahn: Muss ich mir jetzt was einfallen lassen.

Jeannine Michaelsen: Ja, absolut.

Oliver Kahn: Hehe.

Jeannine Michaelsen: Aber kurz vorher können wir noch mal schnell sagen…

Oliver Kahn: Mein erster… Äh, mein erster… wie heißt das?

Jeannine Michaelsen: Tweet.

Oliver Kahn: Tweet. Gut.

Jeannine Michaelsen: Das ist die, äh, Twitterseite von Oliver Kahn. Wir haben uns gedacht (Jubel), mit Dir zusammen, wir nennen das Kind beim Namen.

Oliver Kahn: Hehehe.

Jeannine Michaelsen: Die heißt Oliver Kahn (noch immer Jubel)

Oliver Kahn: Hrmpghrmpf.

Jeannine Michaelsen: Ich muss ganz kurz, ich glaub, Du bist der Erste, der es schafft, 3.202 Twitteruser als Abonnenten zu haben. Wie man Dir nur folgen kann, obwohl Du noch nicht ein einzigen Buchstaben geschrieben hast.

Oliver Kahn: Ok, hehehe.

Jeannine Michaelsen: Wenn das jemand übertreffen kann, dann melde er sich bitte bei mir, das würde ich nämlich furchtbar gerne sehen. Und, ähm, nun ist es soweit. Ja, das ist die Seite. Wir haben uns das ja vorher…

Oliver Kahn: Du schreibst das, Du schreibst das.

Jeannine Michaelsen: Ich schreib das.

Katrin Müller-Hohenstein: Was schreibst Du denn?

Jeannine Michaelsen:  Furchtbar gerne. Wir können uns überlegen…

Oliver Kahn: Soll ich Dir das ins Ohr sagen oder soll ich es laut sagen?

Jeannine Michaelsen: Nä, das sagste laut, äh. Nachher denken die Leute, ich mach hier Quatsch.

Oliver Kahn: Also gut, wir schreiben…

Jeannine Michaelsen: Wartewartewarte, wir müssen uns erst überlegen, an wen wir schreiben.

Oliver Kahn: Hmhm.

Jeannine Michaelsen: Oder möchtest Du an alle schreiben?

Oliver Kahn: An wen wir schreiben… ne, wir schreiben mal an alle… Foll… Follower. Genau.

Jeannine Michaelsen: Wir haben auch noch ne schöne, noch ne schöne Nachricht von Harald Schmidt, wo Du drauf antworten kannst.

Oliver Kahn: Harald Schmidt, der wird’s dann auch bekommen.

Jeannine Michaelsen:  Ja, der folgt Dir ja nicht.

Oliver Kahn: Ah, der folgt mir nicht.

Jeannine Michaelsen: Nee, der folgt Dir nicht.

Oliver Kahn: Na dann wird’s Zeit, na dann mach… dann folgen wir ihm!

Jeannine Michaelsen: Dann schreiben wir… wir folgen? Ok, der erste Mensch, dem Oliver Kahn folgt, ist Harald Schmidt, das werden wir jetzt an dieser Stelle mal einläuten… Sekunde..

Katrin Müller-Hohenstein:  Hast du dem Oli eigentlich erklärt, was Twittern ist?

Jeannine Michaelsen: Uhuh.

Katrin Müller-Hohenstein:  Ah, okay.

Jeannine Michaelsen: Er hat das alles…

Oliver Kahn: Ich hab’s verstanden.

Katrin Müller-Hohenstein: Jajajaja…

Jeannine Michaelsen: Er hat das alles sofort… zwei Minuten hat das gedauert. Hier… nur, dass Du das auch, ne, wir folgen jetzt als erstem, ach Quatsch, als fünftem Menschen, vier Leuten folgst Du schon… unter anderem mir, vielen Dank, das musst du aus beruflichen Gründen, aber das sagen wir keinem.

Oliver Kahn: Kein Problem.

Jeannine Michaelsen: Wir folgen Harald Schmidt. Und deswegen kann auch Harald Schmidt jetzt lesen, was wir schreiben. Was schreiben wir denn?

Oliver Kahn: Also. Der erste Tweet, der soll heißen… ist doch eigentlich ganz klar: Wir. Werden. Europa. Meister.

(Jubel)

Jeannine Michaelsen: Neiiin.

Oliver Kahn: Drei Ausrufezeichen.

(Aufgezeichnet von David Hugendick)

 

Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein?

Wieder einmal ist ihre Kreativität gefragt. Während des Spiels Deutschland gegen die Niederlande wurde uns dieses Bild vom Hessenfest der CDU-Landesvertretung in Berlin zugespielt. Worüber freut sich Angela Merkel nur so? Was schreit sie da? Kurzum: Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein, liebe Leser?

Angela Merkel beim Hessenfest der CDU in Berlin Foto: Eventpress Hermann

Schreiben Sie Ihre Antwort unten in die Kommentarspalte! Der Leser mit dem originellsten Beitrag gewinnt ein Fußballbuch aus dem Verlag Die Werkstatt. Einsendeschluss ist Freitag, 16 Uhr. Dann geben wir hier im Blog den Sieger bekannt, den eine redaktionsinterne Jury wählt – natürlich völlig willkürlich. Den Rechtsweg können Sie sich daher schenken.

Update 16.6.: Wir haben einen Gewinner gefunden! Danke an alle Leser fürs Mitmachen.

 

Quartiere, Biere, Orakeltiere – und Modesünden

Es europameisterschaftet sehr – so sehr, dass ich Isotonisches trinke statt Wasser. Man weiß ja nie.

Weil unsere schnelllebige Welt das Tempo während der EM offenbar nochmals angezogen hat, sei kurz an unsere EM-Beiträge über Biere, Teamquartiere und Orakeltiere erinnert. Zumal es sich so schön reimt.

Nach dieser schamlosen Eigenwerbung für Tage Ewigkeiten alte eigene Artikel gibt’s aber auch was Neues. Nicht von ZEIT ONLINE, aber das Kuratieren wird ja immer wichtiger für Journalisten, in Zeiten von diesem Internet, von dem jetzt immer alle reden. Also los:

stern.de greift zu verzweifelten Maßnahmen, um der Flut der Orakeltiere Herr zu werden – und stellt ein „Meta-Orakel“ ein:

Die 11 Freunde teilen ihr EM-Angeberwissen.

Das Satire-Ressort von SPIEGEL ONLINE hat schon mal vorsorglich einen Liveticker zum kompletten Spiel Niederlande – Deutschland geschrieben.

Derweil demonstriert US-Sportreporter Craig Sager Mut zum modischen Farbtupfer, Interviews und tumblr-Fotoblogs dokumentieren es. Sager macht sein Ding, obwohl er schon vor drei Jahren aufgefordert wurde, seine Klamotten zu verbrennen: „You take these clothes, and you burn ‚em!

Bei der EM sind die ganz großen Modesünden bislang ausgeblieben – Mehmet Scholl im Seemannspullover (?) hin, Kroatiens Trainer Slaven Bilic im Anzug samt Wollmütze her. Schließlich hat niemand die Absicht, mit einem Stahlhelm aufzulaufen. Oder so.

 

Rumpeln wie früher, gewinnen wie früher

  • Deutschland gewinnt gegen Portugal 1:0
  • Gomez trifft
  • Portugal auch, aber nur zweimal die Latte

Fazit

Vor dem Turnier musste man sich Sorgen machen. Joachim Löw, der Schöngeist, so schrieben alle, auch wir, wolle vor allem schönen Fußball spielen lassen. Das Ergebnis sei nicht so wichtig. Ein Affront im Land der Fußball-Rationalisten, das Schönspieler jahrzehntelang über die Klinge springen ließ und sich dann die Hartplatzasche aus den Knien pellte.

Der EM-Auftakt gegen Portugal war daher eine wohltuende Reise in die Vergangenheit. Schön war es nicht, was die deutsche Mannschaft da auf den Lemberger Rasen brachte, aber erfolgreich. Es war wenig zu sehen vom EM-Qualifikationstempo und –Spielwitz (10 Spiele, 10 Siege). Die deutsche Mannschaft rumpelte sich durch die 90 Minuten. Auch weil, das muss man zugeben, Portugal das in der Defensive ziemlich geschickt angestellt hat. Und selbst als die DFB-Elf durch Gomez in Führung ging und man ein paar WM-2010-Konter hätte erwarten können, ging nichts mehr. Stattdessen blockten die deutschen Abwehrspieler die Schüsse des Gegners mit allem, was sie hatten. Fuß, Bauch, Rücken. Wie früher eben.

Joachim Löw wird das nicht stören. Bei allen ästhetischen Ansprüchen: Er weiß, wie wichtig ein Sieg zu Beginn eines Turniers ist. Natürlich hätte er auch ein 4:2 Costa Rica wie 2006 genommen oder ein 4:0 gegen Australien wie 2010. Aber Portugal ist eine andere Liga. Der Sieg wird seiner durch die etwas missratene EM-Vorbereitung verunsicherten Mannschaft die nötige Ruhe geben. Und dann können wir ja noch einmal das versuchen, was alle zufrieden stellt: Schön spielen und gewinnen.

Unser Mann in Lemberg, Oliver Fritsch, twittert seine Zusammenfassung des Spiels: „Eigentlich ein idealer Start: Abwehrschlacht überstanden, Tormann aufgebaut, keine vorzeitigen Titelglückwünsche, Holland verliert.“

Und noch einmal Oli Fritsch: „Ästhetik ist ja Ansichtssache: Schön fand ich, dass sich die Deutschen am Ende in jeden Schuss warfen wie beim Eishockey.“
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