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NPD und „Autonome Nationalisten“: Frankensteins Eiertanz

 

Für die NPD wird es nach den schweren Ausschreitungen beim Neonazi-Aufmarsch am 01. Mai 2008 in Hamburg nun ernst. Ihren Eiertanz um die eigene Haltung zu den „Autonomen Nationalisten“ wird sie kaum fortführen können. Die Verrenkungen der Parteioberen hatten schon in den vergangenen Monaten für so manches Amüsement gesorgt, doch nun scheint das Ende der Fahnenstange erreicht.

Die „Autonomen Nationalisten“ seien nach Hamburg gekommen, um Leute zu erschlagen, so ein Journalisten-Kollege, der einem Fotografen bei einem Angriff aus der Neonazi-Demonstration heraus zu Hilfe kam. Andere Beobachter der rechtsextremen Szene – die meisten seit vielen Jahren dabei – sprechen von einem Fanal; ein Gewaltausbruch, wie er bei einer Demonstration von Rechtsextremisten noch nicht zu sehen war. Mindestens ein halbes Dutzend Journalisten wurde aus dem Zug der Neonazis angegriffen, einige verletzt, Ausrüstung wurde geraubt oder zerstört. Schon auf dem Weg nach Hamburg randalierten Neonazis in einem Zug aus Pinneberg. Warum die Neonazis überhaupt marschieren durften bei diesen Straftaten – das weiß der Himmel. Auch der erste Redebeitrag hätte in anderen Bundesländern ausgereicht, um diesem Schauspiel ein Ende zu bereiten, meinten Journalisten.

Ausgrenzen erlaubt – weil sie sich selbst ausgrenzen!

Eine politische Auseinandersetzung mit den Neonazi-Schlägern kann man sich sparen, es sind verrückte Polit-Hooligans. Schon die meisten halbwegs nicht-gewalttätigen Rechtsextremisten sind nicht für Argumente zugänglich – daher erübrigt sich auch nur eine Debatte darüber, ob man diese Banden (ein Kollege meinte „potenzielle Mörder“) irgendwie noch erreichen könnte. „Im Krieg gegen ein Scheiß-System“ stand auf einem der Nazi-Transparente, „Deutsche Intifada“ auf einem anderen. Das ist durchaus ernst gemeint.

Uneinigkeit bestand bei Beobachtern, ob die Neonazi-Oberen am Lautsprecherwagen die Gewaltausbrüche guthießen oder die mehreren hundert „Autonomen Nationalisten“ einfach nicht mehr kontrollieren konnten. Bei einem Großangriff aus der Neonazi-Demonstration heraus soll NPD-Bundesvorstand Thomas „Steiner“ Wulff den Lynchmob noch angestachelt haben, berichteten Augenzeugen. Eine Fotografin, die insgesamt drei Mal attackiert worden war, sagte, das gewalttätige Auftreten sei Konsens und gewollt gewesen.

Andererseits forderte Wulff seine Kameraden beim Marsch aus Barmbek heraus in die Hamburger Provinz auf, stehen zu bleiben, bis die Polizei einen Neonazi wieder aus Gewahrsam freiließe. Doch der schwarze Block lief weiter. Auch Christian Worch wirkte eher so, als könnte er die Attacken auf ein NDR-Kamerateam nicht stoppen. Er und Jürgen Rieger hatten den Interviews vorher ausdrücklich zugestimmt – doch die „Autonomen Nationalisten“ hatten etwas dagegen. Beschimpfungen, Rangeleien und Tritte gegen einen Kameramann und eine NDR-Journalistin waren die Folge.

NPD: Kopf in den Sand

Die NPD-Bundespartei tut einfach so, als ob nichts wäre. Pressesprecher Klaus Beier sagte auf Anfrage, bei dem Aufmarsch in Hamburg habe es sich nicht um eine NPD-Demonstration gehandelt, daher kommentiere die Partei dies nicht. So einfach wird es aber natürlich nicht. Thomas Wulff sitzt im NPD-Bundesvorstand, Redner Jürgen Rieger ist NPD-Chef in Hamburg, der Landesverband von NPD und JN unterstützte den Demonstrationsaufruf. Zahlreiche Teilnehmer hatten NPD-Fahnen oder Jacken dabei. Und überhaupt: Wenn man mit der ganzen Sache nichts zu tun hat, so wie es die NPD behauptet, dann wäre es doch noch viel leichter, sich von Gewalttätigkeiten zu distanzieren.

Biedermänner vs. „Autonome“

Im Gegensatz zu den „Autonomen Nationalisten“ ist die rechtsextreme Partei bei öffentlichen Veranstaltungen meistens um ein bürgerliches Auftreten bemüht, die Gewaltorgien in Hamburg dürften daher kaum für Begeisterung sorgen. Doch das schert die ANs wenig, denn sie setzen nach den Wahlschlappen in westdeutschen Bundesländern auf den „Kampf um die Straße“. Der „Kampf um die Parlamente“ (siehe Drei-Säulen-Strategie der NPD) interessiert sie offenbar nicht (mehr).

So erscheint es, dass die NPD nun in Frankensteinmanier von dem Ungetüm, welches man mit heranzüchtete, beherrscht werden könnte. Für welchen Kandidaten für das Amt des NPD-Bundesvorsitzenden dies zum Vorteil gereicht, muss abgewartet werden. Für Journalisten stellt sich allerdings die Frage, ob überhaupt noch jemand zu diesem Parteitag fährt – wo die wichtigen Entscheidungen wie gewohnt ohnehin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – und über eine Partei berichtet, die mit solchen Gewalttätern gemeinsame Sache macht. Dies ist zwar nicht neu, aber jetzt wird immer deutlicher, dass die NPD ihren militanten Arm offenbar überhaupt nicht mehr kontrollieren kann.

NPD-BLOG.INFO über „Autonome Nationalisten“.

Aus dem Störungsmelder-Archiv: Wer sind die Autonomen Nationalisten?