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Brutalisierung als bundesweiter Trend

 

Der Verfassungsschutzbericht in Bremen hat laut taz sinkende Deliktzahlen bei Rechtsextremen festgestellt – dafür aber eine Brutalisierung. „Deutlich zugenommen“ habe im vergangenen Jahr die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten. Zugleich werden der rechten Szene in Bremen mit etwa 265 gut 20 Personen weniger zugerechnet als noch 2006. Zwar ist die Zahl der Straftaten mit zumindest vermutetem rechtsextremen Hintergrund 2007 leicht von 138 auf 130 gesunken. Die rechten Gewaltdelikte aber haben im gleichen Zeitraum zugenommen – von zwei auf 17.

Der Verfassungsschutz gehe davon aus, dass sich in der Bremer Neonazi -Szene „keine gefestigte Gruppe“ habe formieren können. Die meisten Aktivitäten seien an die NPD angebunden, deren Mitgliederzahl konstant mit rund 60 angegeben wird.

Apokalyptische Visionen

Damit wird auch in Bremen offiziell ein Trend bestätigt, der bereits seit längerem in vielen Bundesländern zu beobachten ist. Die Neonazis treten einerseits selbstbewusster auf, gehen verstärkt zum Angriff auf ihre Gegner über. Gleichzeitig wirken die Disziplinierungsversuche durch einen Teil der NPD-Spitze, welches um ein halbwegs bürgerliches Auftreten bemüht war, noch weniger, bzw. ist gar nicht mehr gewollt, da kein Verbotsverfahren droht. Außerdem hat der neonazistische Parteiflügel in vielen Ländern mittlerweile das Sagen.

Und die Frustration nach den Wahlniederlagen im Westen sitzt tief, die alten Bundesländer gelten für viele Neonazis als „verloren“. In apokalyptischen Visionen wird eine Frist von 15 Jahren bis einigen Dekaden gesetzt, in denen man das „reine Deutschtum“ noch retten könnte, danach sei es dann durch „Durchrassung“ (siehe auch diesen lustigen Onkel, über dessen Stilblüten alle so gerne schmunzeln, der aber gar nicht so lustig ist) für immer verloren, beschwören Neonazi-Kreise. Klingt nach Endkampf – also nicht gut.

„Wer hat uns verraten? Nationaldemokraten!“

Die NPD bekommt zunehmend Probleme, überhaupt bei den Landes- und Kreisverbänden einen halbwegs einheitlichen Parteikurs durchzusetzen, von den „Freien Kräften“ ganz zu schweigen, diese skandieren auf Demonstrationen mittlerweile – wie immer vom politischen Gegner kopiert und leicht abgewandelt – Parolen wie „Wer hat uns verraten? Nationaldemokraten!“ Der „Kampf um den organisierten Willen“ scheint für die einigen dutzend NPD-Funktionäre, die letztendlich in der Partei überhaupt was reißen, eine Nummer zu groß. Eine Entwicklung, die die NPD-Oberen – in Neonazi-Kreisen gerne als Parteibonzen bezeichnet – wenig begeistert.

So mahnte NPD-Generalsekretär Peter Marx jüngst in einem Interview mit der Parteizeitung „Deutsche Stimme“: „Wir dürfen es nicht mehr länger dulden, daß praktisch jeder Kreisverband eine eigene Strategie fährt. Die gewählte Führung muß noch stärker als bisher in der Partei Maßstäbe setzen und Politik gestalten.“ Wie schwach die Spitze der NPD offenbar ist, zeigt auch ihr Nichtverhalten zu den bemerkenswerten Vorgängen im Landesverband Thüringen.

Übrigens setzt sich auch im Jahr 2008 der Trend zu mehr Gewalttaten von Rechtsextremisten weiter fort. Für die ersten Monaten liegen negativrekordverdächtige Zahlen vor. Einschätzungen zu der Entwicklung in mehreren Bundesländern sind hier dokumentiert: Thüringen: Mitgliederzuwachs bei der NPD, mehr Gewalttaten, SH: Enge Verzahnung zwischen NPD und “aktionistischen” Neonazis, Berlin: Weniger Neonazis, mehr Gewaltbereitschaft, Berliner Zustände 2007, Brandenburg: “Widersprüchliche Entwicklungen”, Hamburg: Neonazis deutlich aggressiver, Sachsen: NPD verliert 15 Prozent ihrer Mitglieder, MVP: Wer schluckt da gerade wen?

Siehe auch: Debatte um NPD-Verbotsverfahren: Zwischen peinlich und unverschämt, NPD-Verbot: Was bringen Erkenntnisse, die keiner kennt?