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Nazi-Morde stoßen auf Gleichgültigkeit

 

Letzte Woche habe ich in der Süddeutschen Zeitung einen Bericht gelesen, der mich sehr erschüttert hat und mir seit einigen Tagen nicht aus dem Kopf geht:

Da werden zwei junge Menschen von bekannten Neonazis brutal ermordet – und die Polizei verschweigt der Öffentlichkeit offenbar gezielt die politische Gesinnung der Täter. Nach dem zweiten Mord in Bernburg habe es laut Mitteldeutscher Zeitung gar eine Vereinbarung zwischen der Staatsanwaltschaft Magdeburg und der Polizei, nur „auf Nachfrage“ von Journalisten Details zu den Morden dazu bekanntzugeben.

Lediglich die aktuell einsetzenden Pressereaktionen, sorgen gerade dafür, dass die politischen Hintergründe dieser grausamen Taten überhaupt thematisiert werden.

Magdeburg: Nazihintergrund verschleiert

In Magdeburg wurde am 17. August der 20-jährige Kunststudent Rick L. von einem 20järigen Neonazi namens Bastian O. ermordet. Der weltoffen eingestellte Kunstudent geriet mit Bastian O. in einer Großraumdisco in Magdeburg in einen Streit und bezeichnete ihn als Nazi. Dies war offenbar sein Todesurteil, er wurde auf dem Nachhauseweg vor einem Gebüsch umgebracht. In der Wohnung des Tatverdächtigen Bastian O. seien anschließend Gegenstände des Ermordeten gefunden worden, ebenso fanden sich DNA-Spuren des Getöteten an der Kleidung des Verhafteten.

Bastian O. gilt als stadtbekannter Nazi, ist wegen eines brutalen Überfalls auf einem Menschn aus Togo vorbestraft, hat ein tätowiertes Hakenkreuz und bietet seine Wohnung als Treffpunkt für gewaltbereite Nazis an. Doch für die Lokalpresse, so berichtet der SPIEGEL weiter, sei der Fall kaum der Rede wert gewesen – nur ein „Disco-Mord“, mehr nicht. Auch die zuständigen Behörden schwiegen sich aus.

Mittlerweile gab es immerhin eine öffentliche Gedenkkundgebung für Rick L.

Auch in Bernburg eine Mauer der Gleichgültigkeit

Wie auf der Seite von Mut gegen rechte Gewalt berichtet wird, wurde eine Woche später Mordfall Nummer zwei ähnlich beiläufig behandelt:

„Keine 50 Kilometer entfernt, in Bernburg (auch Sachsen-Anhalt) wurde am 24. August der 18jährige Marcel W. ermordet aufgefunden. Unter erheblichem Tatverdacht steht der 19jährige Neonazi David B., gegen den W. am Dienstag letzter Woche vor Gericht aussagen sollte. Doch da war er bereits tot – getötet durch zahlreiche Messerstiche, die dem Opfer zugefügt wurden – aus ungeklärten Umständen in der Wohnung des Täters.

Opfer und vermeintlicher Täter seien zuvor in einer Discothek, dem „Bernabeum“ gesichtet worden, Freunde vermuten, Marcel W. habe sich vom Täter bequatschen lassen, ihm nach Hause zu folgen, „zum saufen oder so“. Der Tatverdächtige tischt natürlich eine andere Geschichte auf, Marcel W. sei bei ihm eingebrochen und er habe in Notwehr zugestochen. Doch diese Schilderung scheint den Ermittlern relativ unwahrscheinlich zu sein und gilt als Schutzbehauptung des zur Tatzeit angetrunkenen Hauptverdächtigen. Er, David B., habe sein Opfer schon häufiger attackiert, zuletzt massiv am 20. November 2007. Marcel habe seitdem „panische Angst“ vor dem Neonazi gehabt, berichtete eine Freundin dem SPIEGEL-Reporter Sven Röbel.

Dennoch sei wahrscheinlich, dass dieser Fall eher als Gewaltdelikt zwischen alkoholisierten Jugendlichen in die Polizeistatistik eingehe, obwohl David B. bereits als rechtsextremer Gewalttäter polizeilich erfasst sei. Auch trage er mehrere rechtsradikale Tätowierungen und sei als Mitdemonstrant des rechtsextremen „nationalen Widerstands“ aufgefallen. Aber sogar Sachsen-Anhalts Innenministerium habe zunächst keine Ahnung von dem Fall gehabt, was der SPIEGEL wie folgt als unfassbar kommentiert:

`Dabei ist die kriminalstatistische Frage, ob die Tötungen von Bernburg und Magdeburg unmittelbar politisch motiviert waren, unerheblich. Fakt ist, dass sich die beiden Tatverdächtigen in einem rechtsradikalen Milieu bewegten, in dem Menschenleben, vorzugsweise die von „Schwächreren“, nicht viel zählen und in dem eine unfassbare Verrohung jeden Tag Opfer fordern kann. Sowohl Bastian O. als auch David B. werden von bekannten als „tickende Zeitbomben“ beschrieben, bei denen es „nur eine Frage der Zeit“ gewesen sei, „bis mal was passiert“. Entschärft hat sie keiner.´“

Gleichgültigkeit stärkt Nazi-Täter

Diese beiden Beispiele sind nur die Spitze eines Eisberges neonazistischer, antisemitischer und rassistischer Gewalt. Die unfassbare Gleichgültigkeit, mit der diese beiden Nazi-Morde in den Behörden und in weiten Teilen der Öffentlichkeit verhandelt wurden und werden, macht die menschenverachtende Nazi-Szene stark und wird von diesen als eindeutiges Signal dafür gewertet, dass sie oftmals nicht bzw. nur im geringen Umfang mit strafrechtlichen Folgen für ihr Gewalt- und Mordtaten rechnen müssen.

So sei laut Heike Kleffner von der Mobilen Opferberatung das Selbstbewusstsein der Nazi-Schläger gestiegen. Niemand greife ein, niemand halte sie auf, niemand ziehe sie zur Rechenschaft, es gebe an vielen Orten viel zu wenig Gegenwind. Wenn dann sogar die Polizei den rechtsextremen Hintergrund verschleiert, können Nazis dies meines Erachtens schon fast als Einladung zum Weitermachen begreifen.

Mich macht das einfach nur wütend…