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Der Albtraum des Tibor Sturm

 

Durch einen Artikel wurde ich kürzlich aufmerksam auf das Schicksal von Tibor Sturm. Tibor ist vielen von Euch wahrscheinlich als Mitglied des Musik-Projektes „Brothers Keepers“ bekannt, die sich schon seit Jahren gegen Rassismus engagieren.

Ende 2005 wird Tibor von sechs Nazis brutal und feige angegriffen und dabei schwer verletzt. Er wehrt sich, kämpft um sein Leben und verletzt dabei einen der Angreifer unabsichtlich schwer am Kopf.

Gegen die rassistischen Angreifer wurde bis heute keine Anklage erhoben, während Tibor seit Mitte Juni für 7 Monate wegen angeblich „überzogener Notwehr“ in der JVA Ingostadt sitzt. Tibor sagt dazu treffend: „Gerechtigkeit und Recht, das ist nicht dasselbe.“

Die Situation muss wirklich albtraumhaft gewesen sein: In der Nähe von Erlangen wird Tibor von den sechs Nazis nahe einem Waldstück angegriffen und gejagt. Als er stehen bleibt bekommt er umgehend unter rassistischen Beschimpfungen die ersten Schläge und Fußtritte ab, geht zu Boden, wird weiter von den sechs Nazis getreten und dabei schwer verletzt. In höchster Panik greift er um sich und erwischt eine Holzlatte, mit der er am Boden liegend um sich schlägt. Dabei wird ein Nazi so schwer am Kopf verletzt, dass er ins Koma fällt.

Für die eintreffende Polizei waren die Verhältnisse offensichtlich: Tibor ist als Opfer von sechs Nazi-Tätern angegriffen worden und hat – selbst schwer verletzt – in Notwehr gehandelt. Die Justiz sah dies offensichtlich anders und verurteilte Tibor wegen „überzogener Notwehr“ zu sieben Monaten Haft (!), die Nazi-Täter wurden dagegen komplett laufen gelassen (nähere Infos: hier gucken). Das Opfer wurde also zu 100 % zum Täter gemacht!

Tibor hat sich in den letzten Tagen vor seinem Haftantritt von dem Filmemacher Otu Tetteh begleiten lassen. Entstanden ist dabei eine zwölfminütige Dokumentation, in der sich Tibor Sturm bewusst subjektiv an das Geschehen erinnert. Eindrucksvoll zeigt der Film die Ohnmächtigkeit, die der fränkische Hip-Hopper in dieser Zeit empfindet.

“Natürlich fühlte ich mich ungerecht behandelt, im Stich gelassen vom Gesetz”, sagt Tibor Sturm, dennoch möchte er sich nicht als Opfer fühlen. Aus diesem Grund wird er nicht aufhören, gegen Diskriminierung vorzugehen: “Nach meiner Freilassung werde ich verstärkt mit Jugendlichen arbeiten, besonders im Raum Erlangen, wo es meines Erachtens ein offensichtliches Problem mit Rechtextremismus gibt. Ich werde außerdem weiter Musik machen, denn das ist mein Ventil. Ich möchte, dass der Film Menschen zum Nachdenken bringt und dazu anregt, ähnliche unfassbare Geschichten im Dunst der rechten Szene öffentlich zu machen.”

Der Film kann angesehen werden unter www.alptraum.be.

Zudem freut sich Tibor über Post. Wer möchte, kann ihm gerne unterstützende Worte schreiben: Tibor Sturm, JVA Ingolstadt, Sebastianstr. 21, 85049 Ingolstadt