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Der NPD den Saft abdrehen? Das Grundgesetz nimmt sich vielleicht bald selbst in den Schwitzkasten

 

Bisweilen reibt man sich verwundert die Augen. Seit Jahren streiten SPD und CDU über ein Verbot der NPD. Während die SPD mal dagegen war, ist sie jetzt dafür. Während die Union zuerst dafür war, ist sie jetzt dagegen. CDU-Innenminister Schünemann hielt das jedoch nicht davon ab, ein Rechtsgutachten für eine Grundgesetzänderung in Auftrag zu geben. Das Ziel: Die NPD soll von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden.

Schünemann frohlockte denn nach der gestrigen Veröffentlichung auch, dass nun endlich ein rechtssicherer Weg gefunden sei, der rechtsextremen und verfassungswidrigen NPD empfindliche Schwierigkeiten zu bereiten. Und auf den ersten Blick scheint das alles auch ganz plausibel. Bekanntermaßen ist das Grundgesetz keine liberale, sondern eine wertegebundene Verfassung, eine „wehrhafte Demokratie“ eben. Sie sieht daher ausdrücklich vor, dass sie sich gegen ihre Feinde zur Wehr setzen darf.

Seinen Ausdruck findet dies bspw. im Art 21 (2) Grundgesetz, denn in Deutschland sind Parteiverbote demnach ausdrücklich möglich. Es heißt dort:

„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht. „

Indes ist dieser auf den ersten Blick empfindliche Eingriff in die politische Freiheit von Parteien tatsächlich umgekehrt ein Parteienprivileg, da über ein Verbot ausschließlich das Bundesverfassungsgericht befinden darf. Dem politischen Parteienstreit ist die Entscheidung über Existenz und Nichtexistenz von Parteien somit entzogen. Und das ist auch gut so.

Gutachter Eppinghaus schlägt nun vor, Art 21. Abs. 2 und 3 dahingehend zu ergänzen, dass Parteien dann von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können, wenn sie sich in ihrem Bestreben gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGO) richten. Ob dies der Fall ist oder nicht, soll nach Vorschlag von Eppinghaus der Bundestagspräsident entscheiden.

Nun hat sich das Bundesverfassungsgericht allerdings im Jahr 1952 im Verbotsurteil gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) darüber geäußert, was das eigentlich ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Zu den für sie konstitutiven Prinzipien zählt sie unter anderem das „Mehrparteienprinzip“ und die „Chancengleichheit der Parteien“. Eben diese Chancengleichheit wiederum hat das Bundesverfassungsgericht  verschiedentlich bemüht, um Eingriffe des Staates in Parteien zurückzuweisen. Maßnahmen, so das Bundesverfassungsgericht, die die Existenz einer Partei auf’s Spiel setzen, dürften ausschließlich vom Verfassungsgericht getroffen werden.

Entscheidend ist vor diesem Hintergrund, ob der Entzug staatlicher Gelder einen so empfindlichen Eingriff in den Bestand einer politischen Partei darstellt, dass von „Chancengleichheit“ im Sinne der FDGO nicht mehr die Rede sein kann. In seinem Gutachten schreibt Eppinghaus hierzu, dass die Erwähnung einer extremistischen Partei in Verfassungsschutzberichten deren Rechte zwar berührt, aber in hinnehmbarer Form, da sie dennoch die Möglichkeit habe, für sich zu werben. „Eingriffe bei der staatlichen Finanzierung belassen der Partei diese Freiheit praktisch nicht. Wenn private Spender nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen, bedrohen Einschnitte die betroffene Partei in ihrer Existenz.“ Selbst nach Eppinghaus müsste dies also zur Konsequenz haben, dass durch die Aussetzung staatlicher Parteienfinanzierung de facto das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichtes und damit das Parteienprivileg abgeschafft wird. Das Grundgesetz würde dann zum Schutze der FDGO und damit auch der Chancengleichheit von Parteien in genau diese mit Hilfe der Politik eingreifen, sich also selbst in den Schwitzkasten nehmen. Wenn, wie Eppinghaus sagt, Parteien dann verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, wenn sie sich „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ richten, zu dieser aber auch die Chancengleichheit der Parteien gehört und der Bundestagspräsident diese Einschränkung vornehmen können soll, also eigentlich der Logik der FDGO zuwider handelt, stellt sich am Ende die paradoxe Frage, ob Eppinghaus‘ Vorschlag den Bundestagspräsidenten nicht zu einem Verfassungsfeind wider Willen macht.

Um so verwunderter reibt man sich allerdings die Augen, dass Schünemann dennoch dafür plädiert, eine entsprechende Regelung vorzunehmen oder sie rechtlich zumindest für zulässig hält. Er stützt sich in seiner Argumentation darauf, dass die Chancengleichheit der Parteien nicht von der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes berührt werde und folglich eine „systemimmanente Modifikation“ zulässig sei.

Nun ja, darüber mögen die Juristen fleißig streiten. Nachdenklich hingegen stimmt, dass Eppinghaus, der zuvor die Einstellung staatlicher Finanzierung faktisch mit dem Aus der Partei gleichgesetzt hatte, wenige Seiten später plötzlich doch davon spricht, dass der „Finanzierungsausschluss gegenüber dem Parteiverbot ein erheblich milderes Mittel darstellt.“ Praktisch formuliert stellt sich also die Frage, ob der Ausschluss von der Parteienfinanzierung eher einem milderen Mittel wie der Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht gleichkommt und daher noch als zulässig angesehen werden muss oder ob sich dieser eher mit einem Parteiverbot vergleichen lässt, da beide Maßnahmen in der Regel dieselben Konsequenzen haben, nämlich das Ende der Partei. Eine klare Antwort auf die Frage hatte Eppinghaus eigentlich schon gegeben, um sie in seinem eigenen Gutachten wenig später wieder zurückzunehmen.

So kann sich einem bei der Lektüre des Gutachtens durchaus ein mulmiges Gefühl einstellen. Und vor allem drängt sich eine Frage auf: Warum lehnt die CDU ein Verbot der rechtsextremen, verfassungswidrigen NPD ab, während sie es offenbar anstrebt, der rechtsextremen und verfassungswidrigen NPD den Geldhahn abzudrehen und so faktisch zu demselben Ergebnis zu kommen? Der ehrlichere Weg wäre der nach Karlsruhe. Wer dazu nicht den Mut hat oder eine politische Auseinandersetzung mit der NPD für richtiger hält, sollte sich davor hüten, die politische Substanz unserer demokratischen Verfassung unter Beschuss zu nehmen.

ER
weitere Informationen: http://www.endstation-rechts.de