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Der neue Kurs spaltet die NPD

 

Parteichef Voigt in Bamberg
Parteichef Voigt in Bamberg © David Ebener/dpa

Die NPD soll weniger rückwärtsgewandt, weniger ideologisch auftreten, fordert der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei. Hardlinern geht das jedoch viel zu weit.

Von Hauke Friederichs

NPD – die soziale Heimatpartei, das ist der neue Slogan der rechtsradikalen NPD. Sie kopiert damit eine Kampagne, mit der die FPÖ in Österreich erfolgreich war. Moderner soll sie werden, eine normale Partei, eine Organisation, die ernst genommen wird, in Politik und Gesellschaft. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt möchte seine Partei aus dem politischen Abseits führen. „Wir wollen der NPD ein neues Image geben“, sagt er. Bereits im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt sollen die Themen „Geschichte und Außenpolitik“ deswegen bei den Rechtsextremen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Mit der Verherrlichung des Dritten Reiches, Hetze gegen Israel und dem Lob des judenfeindlichen Iran sind in Deutschland kaum Wählerstimmen zu gewinnen, das hat auch der Vorstand eingesehen – zumindest zu großen Teilen.

Stattdessen will die Partei sich als soziale Alternative präsentieren, als antikapitalistische Heimatpartei, die die Globalisierung ablehnt. So soll die deutsche Wirtschaft möglichst unabhängig vom Ausland werden, die Finanzmärkte entmachtet und die Bauern gefördert werden. Den Euro wollen die rechtsextremen Nationaldemokraten als Währung abschaffen und die Deutsche Mark wieder einführen.

Doch dieser Kurs war vielen Delegierten auf dem Bundesparteitag am Freitag und Sonnabend im fränkischen Bamberg viel zu moderat. Gerade die Geschichte des Dritten Reiches bewerten die NPD-Mitglieder ganz anders als alle seriösen Historiker und Sozialwissenschaftler. Das Hitler-Regime verklären die Nationaldemokraten, die Massenvernichtung von Juden, Sinti und Roma, die Konzentrationslager, die Schuld am Zweiten Weltkrieg – als das leugnet die überwiegende Mehrheit der NPD-Mitglieder. Die Parteispitze formuliert ihr Weltbild meist so, dass es juristisch nicht angreifbar ist. Einfache Delegierte werden da schon deutlicher.

„Das ist nun 70 Jahre her, nun machen sie doch mal einen Deckel rüber“, sagt ein NPD-Delegierter zu Journalisten. „Gut, der Adolf, der hat Fehler gemacht, das macht die Merkel doch aber auch.“ Fehler seien menschlich. Da die Sieger die Geschichte geschrieben hätten, stünde Deutschland heute als Verbrechernation da – das sei ein Skandal. Und das ist keine Einzelmeinung.

Die NPD forderte bislang offensiv, dass die Symbole des Dritten Reiches gezeigt und die Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten bestritten werden darf. Holocaust-Leugnung ist in Deutschland eine Straftat. Aber auch mit diesem Thema sind keine Landtagswahlen zu gewinnen. Und so drängt Udo Voigt seine Partei, noch vor dem kommenden Jahr, in dem in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird, sich einen modernen Anstrich zu verpassen.

Mit dem neuen Parteiprogramm will der Bundesvorstand der NPD neue Wählergruppen ansprechen. Doch innerhalb der NPD ist das umstritten. „Ich will keine rechte CDU werden“, rief ein Redner aus Mecklenburg-Vorpommern dem Saal entgegen. Die NPD sei keine normale Partei und werde das nie sein. Dafür bekam er viel Applaus.

Wie stark die Vorbehalte gegen die geplante neue Strategie von Voigt sind, zeigte auch die stundenlange Debatte am Freitagabend, welches Parteiprogramm überhaupt die Grundlage für die Neuausrichtung sein sollte. Drei konkurrierende Programmentwürfe waren eingereicht worden, dazu kam ein vierter, veränderter Entwurf vom Bundesvorstand, der wegen seiner Farbe als „braunes Papier“ bezeichnet wurde. Diese Fassung vom 12. Mai 2010, die in der Programmkommission entstand, habe dutzende Änderungsvorschläge von Landes- und Kreisverbänden integriert, sagte Uwe Meenen vom Parteivorstand. Die erste Version aus der Parteizentrale hatte wegen unverständlicher Sprache und unübersichtlicher Struktur für Aufregung in der NPD gesorgt.

Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und der Kreisverband Eichsfeld präsentierten daraufhin eigene Entwürfe. Hinter beiden Papieren sammelten sich die Gegner des Parteivorsitzenden. Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern unter Führung von Udo Pastörs steht im dauerhaften Konflikt mit Voigt. Hinter dem Eichsfelder-Entwurf standen die militanten Neonazis Thorsten Heise und Thomas Wulff, die beide enge Kontakte zu den freien Kräften unterhalten und Kameradschaften an die NPD herangeführt haben. Sie stehen für einen radikalen Kurs, für den Kampf auf der Straße.

Beim Parteitag wurde vor allem die klare Sprache des Eichsfelder-Entwurfs gerühmt. Darin steht unter anderem: „Die Auflösung des Staates und seiner Institutionen ist die unmittelbare Folge seiner antideutschen Grundhaltung und perversen Politik.“ Oder: „Der Staat ist der organisierte Wille des Volkes. Seine Aufgaben sind, fremde Staaten, fremde Organisationen und fremde Kulturen abzuwehren, die Sicherheit, die Identität und den Wohlstand des deutschen Volkes zu mehren und es biologisch zu erhalten.“

Voigt wiederum ist die Sprache der Neonazis um Heise und Wulff viel zu deutlich. Der Parteivorstand hatte große Mühe, die Delegierten davon zu überzeugen, seinen Entwurf als Grundlage für das neue Programm zu nehmen. Die Abstimmung dafür fiel denkbar knapp aus – obwohl der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern seinen Entwurf zurückzog und den Vorstandsentwurf unterstützte.

Wulff reagierte kopfschüttelnd auf das Abstimmungsergebnis. Er gehörte zum engsten Umfeld des verstorbenen Rassisten Jürgen Rieger. Ohne die Millionen des Hitler-Verehrers wäre die NPD wohl längst Pleite gegangen. Mit seinen Spenden und Darlehen kaufte er sich in den Parteivorstand ein. Nach dessen Tod schlug Voigt einen gemäßigteren Kurs ein und näherte sich dem Landesverband Sachsen an. Die Sachsen, geprägt von ihrem Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel, gelten als Neonazis in Nadelstreifen, die Wählerstimmen mit populistischen Kampagnen und nicht mit martialischen Aufmärschen gewinnen wollen.

Wegen der parteiinternen Querelen begann die NPD erst am späten Freitagabend mit der Abarbeitung der rund 200 Änderungsanträge. Das Präsidium rief die Delegierten zu Disziplin auf, aber am Samstag morgen ging es zum Teil kontrovers weiter. Mehr als eine halbe Stunde wurde etwa darüber diskutiert, wie die Politik der NPD hinsichtlich des Goldpreises aussehen solle.

Auch beim Thema Jugendarbeit gab es Streit. Sie solle weiter ausgebaut werden, forderten die Jungen Nationaldemokraten (JN). Mit ihrer Schulhof-CD, auf dem rechtsextreme Bands und nationalistische Barden präsentiert werden, versucht die Partei bereits Schüler anzusprechen. Die finanzielle Notlage der NPD führte im vergangenen Jahr aber zu Einsparungen in allen Bereichen. Die JN forderte deswegen von Voigt und seinem Schatzmeister mehr Geld.

Unterstützt wurden sie dabei von Pastörs. „Wir sollten die Jugendarbeit als wichtigstes Kampfschwert der Zukunft begreifen“, sagte der NPD-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag. Er kritisierte, dass Parteichef Udo Voigt nicht im Saal war, als die JN ihren Antrag einbrachte. Voigt kam allerdings zu spät, weil er und andere Delegierten im Stau auf der Autobahn standen. Die Polizei eskortierte ihn schließlich nach Bamberg. „Sonst wäre ich noch später gekommen“, sagte Voigt. Die Stichelleien zwischen Pastörs und Voigt begleiteten den ganzen Parteitag.

„Die Jugendarbeit ist dem Parteivorstand jetzt schon 60.000 Euro wert, die wir jährlich investieren“, rechtfertigte sich Voigt. Nein, 16.000 Euro betrügen die Zuschüsse, sagte der JN-Vorsitzende. Der Schatzmeister schätzte dann den Betrag auf insgesamt rund 40.000 Euro hoch.

Über Voigt wichtigstes Projekt, die Fusion mit der DVU zu einer starken rechtsextremen Partei, wurde am Rande des Parteitags ebenfalls kontrovers diskutiert. Mehrere Delegierte fragten auch offen am Rednerpult nach, wie den die finanzielle Situation der DVU aussehen würde und warum zwei Landesverbände dem Vorsitzenden Matthias Faust das Misstrauen ausgesprochen hätten und mit wem die NPD dann eigentlich verhandeln wolle, wenn Faust abgewählt werde. Voigt wand sich sichtbar bei den Antworten. Dass die DVU noch rund 900.000 Euro bei einem Verleger habe, sei ja kein Geheimnis sagte Voigt. Aber wenn die NPD die Schulden der DVU übernähmen müsse, fände die Fusion nicht statt. Er verhandelt seit Februar mit Faust über den Zusammenschluss. Dieser werde die Lage in seiner Partei schon in den Griff bekommen, versuchte der NPD-Vorsitzende die Kritiker zu beruhigen.

Als dann aber noch nach der tatsächlichen Mitgliederzahl der DVU gefragt wurde, reagierte Voigt ungehalten. Denn zunächst sprach die NPD von 6000 Mitgliedern. Voigt räumte dann ein, dass gut die Hälfte davon Ehrenmitglieder seien, von denen einige von ihrer Mitgliedschaft wohl gar nichts wüssten. Das sorgte im Saal für Gelächter.

Die Verfassungsschutzämter gehen sowieso davon aus, dass die DVU über deutlich weniger Mitglieder verfügt, als angegeben. Bei Experten gilt die DVU als politisch bedeutungslos. Bei der Bundestagswahl kam sie auf 0,1 Prozent der Zweitstimmen. Die NPD kam auf 1,5 Prozent. In der NPD bezweifeln viele Mitglieder, dass die Fusion tatsächlich etwas bringt. Vor allem im mächtigen Landesverband Mecklenburg-Vorpommern gibt es starke Vorbehalte. Noch im Juni sollen alle Mitglieder angeschrieben und zu der Fusion befragt werden.

Von einem Parteitag der Einheit, den Voigt im Vorfeld beschworen hatte, kann keine Rede sein. In Bamberg wurden die Machtkämpfe zwischen Voigt und Pastörs, zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen und zwischen den radikalen freien Kameradschaften und den gemäßigteren Vorstandsmitgliedern wieder mehr als deutlich. Wie lange sich Voigt noch an der Parteispitze halten kann, fragten sich in Bamberg nicht nur die externen Beobachter, sondern auch mancher NPD-Delegierter. Welchen Kurs die NPD tatsächlich einschlagen wird, bleibt auch nach dem Bundesparteitag 2010 völlig offen.