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Zossen: Prozess gegen Brandstifter eingestellt

 

"Zugabe" fordern Nazis im Internet © Zossen zeigt Gesicht e.V.

Er steckte das Haus der Demokratie in Zossen an, dafür kommt ein 16-Jähriger nun ins Heim. Der rechtsextremistische Anschlag bleibt so ohne strafrechtliche Folgen. Bürgerinitiativen vor Ort sind über die Entscheidung des Gerichts entsetzt.

Von Tagesspiegel-Autor Alexander Fröhlich

Der 16-jährige Brandstifter, der im Januar das Haus der Demokratie in Zossen (Teltow-Fläming) in Flammen gesetzt hatte, kommt ins Heim. Damit bleibt der rechtsextremistische Anschlag auf das Zentrum der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“, bei dem auch eine Ausstellung zum jüdischen Leben zerstört worden war, ohne strafrechtliche Folgen. Das Amtsgericht Zossen hat das Verfahren gegen den geständigen Haupttäter und einen 15 Jahre alten Freund eingestellt. Zugleich ordnete es die Unterbringung des 16-Jährigen in ein Heim an, weil dieser „nicht über die sittliche Reife“ verfüge, „um das Unrecht der Tat einsehen zu können“, sagte Gerichtsdirektor Michael Friedrichs. Wegen massiver Störung des Sozialverhaltens müsse er psychologisch betreut werden. Dem Vater entzog das Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Nach Tagesspiegel-Informationen gab es seit Jahren Probleme bei der Erziehung, der Junge gilt als Intensivstraftäter auf der Suche nach Anerkennung, die er bei einer äußerst aktiven Gruppe von Rechtsextremisten mit dem Brandanschlag suchte.

Das Verfahren wegen Beihilfe zur Brandstiftung gegen den 15-Jährigen stellte das Gericht ein, weil dessen Tatbeitrag gering gewesen sei. Dagegen wird weiter gegen den 24-jährigen Rädelsführer des Neonazi-Trupps wegen Anstiftungen und zwei weitere Mitglieder ermittelt. Sie stehen im Verdacht, für eine ganze Serie rechtsextremer Attacken in Zossen verantwortlich zu sein. Die Initiative „Zossen zeigt Gesicht“ reagierte empört, das Urteil sei „eine Ermutigung für andere, es dem gleichzutun“.

Von Nazis geschmierte Morddrohung gegen Mitarbeiter von "Zossen zeigt Gesicht"

Hier die gemeinsame Stellungnahme von „Zossen zeigt Gesicht“ und dem Verein „Bildung und Aufklärung Zossen“:

„Wir nehmen die Entscheidung des Amtsgerichts zur Kenntnis. Aus den in Mitteilungen der Presse wiedergegebenen Äußerungen des Gerichtsdirektors Michael Friedrichs ergeben sich allerdings für uns als materiell, finanziell und ideell Betroffene Fragen, die wir im direkten Gespräch mit dem Richter klären wollen.

Wir erwarten, dass die geistigen Brandstifter zur Verantwortung gezogen werden. Insbesondere erwarten wir, dass die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen gegen einen Tatverdächtigen wegen Anstiftung zum Brand und zwei weitere Tatverdächtige wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten zügig zum Abschluss bringt und dass Anklage erhoben wird. Gewalttaten dieser Art dürfen nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Die Entwicklungen der letzten Monate und der nunmehr feststehende Ausgang des gerichtlichen Verfahrens haben einmal mehr gezeigt, dass durch Polizei und Justiz allein eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus nicht erfolgreich geführt werden kann. Dazu ist vielmehr das geschlossene und entschlossene Handeln aller demokratischen Kräfte zur Stärkung der Zivilgesellschaft notwendig. So muss die politische Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Denken und Handeln geführt werden. Über Ursachen von Rechtsextremismus muss aufgeklärt und Demokratie erlebbar gemacht werden. Die Arbeit der Eltern, der Jugend- und Sozialeinrichtungen, der Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen, der Vereine und Initiativen bedarf intensiver Unterstützung durch alle Institutionen der Zivilgesellschaft.

Wir werden weiterhin den Aufbau des neuen „Hauses der Demokratie“ in Zossen tatkräftig unterstützen und die Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte befördern.“