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Juristisches Tauziehen um „Rieger Gedenkmarsch“ in Wunsiedel beginnt

 

Jürgen Rieger vor dem gescheiterten KDF-Museum in Wolfsburg

Knapp zwei Wochen vor dem geplanten zweiten „Trauermarsch“ für den im Oktober 2009 gestorbenen NPD-Funktionär Jürgen Rieger hat das Landratsamt Wunsiedel jetzt die Veranstaltung verboten. Unter dem Motto „Für Einigkeit und Recht und Freiheit“ rufen NPD und sog. Freie Kräfte für den 30. Oktober zu einem „Gedenkmarsch“ im oberfränkischen Wunsiedel auf. Bei der ersten Veranstaltung dieser Art waren im vergangenen Jahr etwa 850 Neonazis in Wunsiedel aufmarschiert.

Rieger im September 2009 bei einem NPD-Aufmarsch in Hannover
Rieger im September 2009 bei einem NPD-Aufmarsch in Hannover

Im Vorfeld des zweiten Aufmarschs sprach das Landratsamt jetzt ein Verbot des „Gedenkmarschs“ aus. Zur Begründung heißt es, nicht nur die geplante Route des Trauermarschs spreche für eine Ersatzveranstaltung für den verbotenen Rudolf-Heß-Gedenkmarsch. Auch der Veranstaltungsort sei ein Zeichen dafür, dass das Gedenken an den Hamburger Anwalt Rieger nur ein Vorwand sei, um ein Verbot des Gedenkens an einen führenden Repräsentanten des Nationalsozialismus zu umgehen. Die geplante Demonstration diene damit der Verherrlichung der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten, entschied das Landratsamt und wies auf die Demonstration im vergangenen Jahr hin. Formulierungen auf Transparenten seien bewusst so gewählt worden, dass der eindeutige Bezug zu Heß für jeden Außenstehenden erkennbar gewesen sei. Das Landratsamt beruft sich außerdem auf das geänderte bayerische Versammlungsgesetz. Damit soll eine strafbare Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt und der Willkürherrschaft verhindert werden. Die Organisatoren aus der rechtsextremen Szene kündigten bereits rechtliche Schritte gegen das Verbot an.

2009: Verbot scheitert am Verwaltungsgerichtshof

Mit einer ähnlichen Begründung war das Landratsamt im vergangenen Jahr vor dem bayrischen Verwaltungsgerichtshof gescheitert. Nachdem sich das Verwaltungsgericht Bayreuth noch hinter das das Verbot gestellt hatte, kippten die Münchner Richter die Entscheidung. Nach ihrer Ansicht widersprach das Verbot dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. In einer Auflage verbot das Gericht jedoch die Erwähnung des in Wunsiedel beerdigten Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Vor dem Verbot im Jahr der Heß-Märsche im Jahr 2005 hatte Rieger zahlreiche entsprechende Demonstrationen mit bis zu 5.000 Teilnehmern organisiert. Die Gerichte sahen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt: demnach störte der Aufmarsch den „öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise“, die „die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt“. In einer letztinstanzlichen Entscheidung bestätigte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr das Verbot der „Heß-Märsche“.

Derweil kündigte das Bündnis „Wunsiedel ist bunt“ für den 30. Oktober einen Aktionstag an, bei dem der Opfer zweier Todesmärsche durch Wunsiedel in den letzten Kriegstagen ebenso gedacht werden soll wie der knapp 150 Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit 1990 . Geplant ist unter anderem ein ökumenischer Friedensgottesdienst und ein mehrstündiges Programm mit Musik und Reden