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„Keine Gnade für Kinderschänder“ – Rechtsextreme Propaganda auf Facebook

 

„Keine Gnade für Kinderschänder“ – so lautet der Titel einer gut getarnten Facebook-Seite, mit der Rechtsextremisten versuchen ihre menschenverachtenden Ideologien salonfähig zu machen. Alarmierend ist dabei der überraschende Erfolg der Seite. Über soziale Netzwerke versuchen die Neonazis in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen.

Unscheinbar…

Wenn man die Facebook-Seite „Keine Gnade für Kinderschänder“ das erste Mal anklickt, dürfte sie die meisten kaum misstrauisch werden lassen. Dafür ist ihre Aufmachung viel zu harmlos. So zeigt das Profilbild des Webauftritts ein junges Mädchen, das auf einer grünen Wiese steht und mit einem Löwenzahn spielt; dazu steht rechts im Bild in blauen Lettern die Forderung „Kinder brauchen eine Lobby. Damit ihre Träume in Erfüllung gehen“. Das wirkt unauffällig und auf den ersten Blick nicht rechtsextrem.

Es kommt hinzu, dass viele Links auch auf Internetseiten von angesehenen Medien führen. Denn neben einschlägig bekannten rechtsextremen Internetseiten oder Blogs werden auch die Websites von „Spiegel Online“ oder dem „Hamburger Abendblatt“ regelmäßig verlinkt. Das alles trägt zum seriösen Image der Facebook-Seite bei und verleitet viele schnell dazu, auf den „Gefällt-Mir-Button“ zu klicken, denn nicht nur Rechtsextremisten sind der Auffassung, dass Sexualstraftäter, die sich an Kindern vergehen, zu lasch bestraft werden, sondern auch gewöhnliche Bürger.

Genauso erklärt sich auch die für eine rechtsextreme Seite beeindruckend hohe Zahl an Unterstützern. Insgesamt scheint der Auftritt mehr als 35 000 Nutzern zu gefallen (stand August 2011). Das ist bislang für eine rechtsextreme Facebookseite einmalig. Die Facebookseite der NPD hat nur rund 9000 Unterstützer.

…und rechtsextrem

Betrachtet man die Seite allerdings etwas genauer, wird klar, was dahintersteckt. Die unbekannten Initiatoren werben beispielsweise offen für die NPD. Unauffällig wird ein NPD Kinderfest mit den Worten „Das nenn ich kinderfreundliche Politik, daran sollten dich die anderen mal ein Beispiel nehmen. Traurig, dass die etablierten Parteien sich selbst ins Aus schießen…“ angepriesen oder die „kinderfreundliche Politik“ der Neonazis hervorgehoben. Dass führt dann mitunter schon einmal dazu, dass die Seiteninhaber ihre Fans dazu aufrufen, den NPD-Mann Frank Franz mit einem Klick auf „Gefällt-Mir“ bei seiner Seite zu unterstützen, damit, so die Initiatoren, „unsere Kinder bald wieder sicher auf den Spielplätzen spielen können“.

Ein Blick auf die Seiten, die „Keine Gnade für Kinderschänder“ gefallen, spricht Bände: darunter der Facebook-Auftritt von Holger Apfel (Vorsitzender der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag), Frank Franz (Vorsitzender der NPD-Saarland) und Udo Pastörs (NPD-Landtagsmitglied in Mecklenburg-Vorpommern) sowie das rechtsextreme Blog „DeutschlandEcho“. Darüber hinaus werden regelmäßig Meldungen der NPD rund um das Thema „Kinderschutz“ weiterverbreitet und in höchsten Tönen gelobt oder fotografierte NPD-Wahlplakate mit der Forderung „Kinder schützen – Familie fördern“ gepostet und mit der Aussage „Vorbildlich! Leider scheint es für alle anderen Parteien eine Unmöglichkeit zu sein, sich diesem Thema zu widmen…“ kommentiert. Auch Lieder von bekennenden rechtsextremen Musikern wie Annett werden auf der Seite geteilt, darunter finden sich Titel wie „Wie viele noch?“ oder „Wir hassen Kinderschänder“ – allesamt Songs, die sich in rechten Kreisen hoher Beliebtheit erfreuen.

Doch die Administratoren beschränken sich nicht immer auf das Thema „Kinderschutz“, sondern mischen sich häufig auch in die große Politik ein. Dabei sind ihre Forderungen meistens eindeutig rechtsextrem. Unter anderem beschweren sie sich über die „Meinungsdiktatur“ und ein „linkes Denunziantentum“, anlässlich der Löschung zahlreicher rechtsextremer Facebook-Profile oder beschweren sich darüber, dass die „Linkspartei“ angeblich die „Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft verhöhne“ und die Partei im „Kontext zu 100 000 000 durch linken Terror getöteten“ stehe, aber dennoch zu den „etablierten und wählbaren Parteien“ gehöre. Solche Themen sind keine Seltenheit, denn immer wieder, wenn die Seite erneut gemeldet wird, werden diejenigen, die die Seite bedenklich fanden und deswegen reagiert haben als „linke Spaßvögel“ denunziert.

Was sagen die Seitenbetreiber?

Eine offizielle Anfrage an die Betreiber dieser Seite zu richten, ist indes nicht möglich, da sie anonym auftreten und entsprechend auch keine Kontaktadresse hinterlassen. Das heißt aber nicht, dass sie sich zu den Anschuldigungen, die NPD zu unterstützen, nicht äußern. Regelmäßig schreiben sie in Postings, dass sie keinen „Abgrenzungswahn zur NPD“ hätten und hier „Positionen von Menschen, die sich klar positionieren“, verlinken würden und dass sie es „lobenswert finden, dass sich die NPD dieses Themas annimmt und dankbar dafür sind“. Gezielt würden sie die Partei aber nicht unterstützen und sofern sich andere Parteien dem Kinderschutz annehmen würden, würden auch sie zu Wort kommen.

Obwohl man aufgrund der rechtsextremen Inhalte eigentlich schnell erkennen könnte, dass es sich hier um eine Neonazi-Tarnseite handelt, scheint es dennoch vielen nicht aufzufallen. Und eben darin liegt die große Gefahr dieser Seite.

Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigsten mit der neonazistischen Szene, deren Anhänger, deren Argumentationsmuster und deren Internetauftritten vertraut sind, und deshalb der Auffassung sind, dass es sich hier um ein gutes Projekt handelt, dass man bedingungslos unterstützen kann. Dass man sich damit zu einem Teil rechtsextremer Propaganda macht, ahnen viele nicht.

Die Strategie, die sich hinter „Keine Gnade für Kinderschänder“ verbirgt

Die Idee, die hinter dieser Seite steckt, ist eine simple aber überaus effektive, auf die immer mehr rechte Parteien und deren Funktionäre erfolgreich setzen. Mittels gut getarnter Themen, die möglichst bürgerlich wirken und oftmals der Meinung der Masse entsprechen, wird versucht, Zustimmung in der breiten Bevölkerung zu erlangen. Während sich das im realen, gesellschaftlichen Leben unter anderem durch NPD-Kinderfeste oder Stände in Städten äußert, auf denen Luftballons und Kugelschreiber verteilt werden, so äußert sich dies im World Wide Web durch Themen, die viele bewegen.

Mit ihrem verstärkten Auftreten in sozialen Netzwerken wollen die Neonazis gezielt Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen, die sonst von einem martialischen Naziaufmarsch abgeschreckt werden. Im Netz sinkt die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme jedoch, vor allem, wenn die Facebookseite unverfänglich daherkommt. Eine geschickte Art der Rekrutierung für die Szene.

Was tut die Webgemeinde?

Die Seite ist im Internet längst nicht mehr unbekannt, denn auch engagierte User haben die Seite bereits entdeckt und Gegengruppen gebildet. Auf Seiten wie „Keine Gnade für Kinderschänder – die Hintergründe“ oder „Löschen der Seite: Keine Gnade für Kinderschänder (NAZIS!!)“ wird über die Machenschaften der Initiatoren informiert und versucht auf das Problem der gut getarnten Nazipropaganda aufmerksam zu machen.