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Zurück in die 90er – die Skinhead-Front Dortmund-Dorstfeld

 

In den letzten Wochen und Monaten machte in Dortmund die Neonazigruppe Skinhead – Front Dortmund – Dorstfeld mit brutalen Angriffen auf sich aufmerksam. Es war nicht das erste Mal, dass die Gruppierung durch Gewalttaten auffiel. Ungewöhnlich ist, dass die Skinhead-Front auftritt wie es bislang nur aus den 80er und 90er jahren von Naziskins bekannt war. Bomberjacken, Springstiefel und kahlrasierte Köpfe sind heute auf Naziaufmärschen sonst kaum noch zu sehen.

In der Nacht zum 26. September wird ein Schwarzafrikaner von Neonazis im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld von zwei Neonazis erst rassistisch beleidigt und danach mit einem Messer und Pfefferspray angegriffen. Dass das Opfer nur Kratzwunden erleidet, ist dem Eingreifen von zwei Passanten zu verdanken. Nur eine Woche darauf nimmt die Polizei zwei Neonazis vorübergehend fest. Das Duo hatte zuvor einen Türsteher mit einem Messer bedroht und während der Flucht unter “Sieg Heil”-Rufen den Hitlergruß gezeigt, nachdem der Türsteher den Beiden den Zutritt zu einem Konzert in Dorstfeld untersagte. Die beiden Männer, die bei der Tat unter starkem Alkoholeinfluss standen, sind dem Staatsschutz gut bekannt. Die beiden Fälle stellen die jüngsten Taten von Dortmunder Neonazis dar, schon zuvor ereigneten sich in der Ruhrgebietsstadt ähnliche Übergriffe, bei denen die Täter ebenfalls dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind.

Laut Polizeimeldungen handelt es sich offenbar bei den Tätern in beiden Fällen um Naziskins, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der „Skinhead – Front Dortmund – Dorstfeld“ organisiert sind. Die Gruppe gründete sich 2004 und definiert sich selber als „Freie Kameradschaft“. Zum harten Kern gehören rund 15 Personen, dazu kommt ein größeres Umfeld von Sympathisanten. Im Gegensatz zu den modischen und inhaltlichen Wandlungen der Neonaziszene, die mit dem Auftreten des Phänomens der „Autonomen Nationalisten“ einher gingen, orientiert sich die Skinhead – Front noch zum größten Teil an dem klassischen Auftreten von Skinheads in den 90er Jahren – mit Glatze, Bomberjacken und Springerstiefeln. Die Mehrzahl der Anhänger der Skinhead – Front wohnt im Bereich des Steinauweg in Oberdorstfeld. Der im Westen Dortmunds gelegene Stadtteil ist schon seit vielen Jahren als Nazihochburg bekannt – auch die Mitglieder der Neonazigruppe „Nationaler Widerstand Dortmund“ wohnen dort. An vielen Straßenlaternen hängen hier Aufkleber mit der Aufschrift „Dorstfeld bleibt Deutsch“, darunter ist ein Paar Springerstiefel abgebildet. Die Wohnungen, in denen sich die Anhänger der Skinhead – Front angesiedelt haben, gehören der Dortmunder Gesellschaft für Wohnen mbH (DOGEWO). Zwar wurde das Unternehmen schon öfter dafür kritisiert, dass es Neonazis Wohnraum anbietet, reagiert hat man darauf aber nicht. So können sich Neonazis in Dorstfeld ungestört eine rechte Wohn – und Lebenskultur aufbauen.

Die Skinhead – Front fällt allerdings nicht durch eigenständige politische Aktivitäten auf. Zwar kandidierten einzelne Mitglieder der Skinhead – Front, zum Teil auch erfolgreich, für die örtliche DVU, aber selbst organisierte Aktionen, welche über die Teilnahme an Naziaufmärschen oder Rechtsrock – Konzerten hinaus gehen, sind bisher nicht erkennbar. In Erscheinung tritt die Gruppe hingegen meist durch politisch motivierte Gewalttaten, die von Mitgliedern der Skinhead – Front verübt werden: Am Ostermontag 2005 wird der Punk Thomas Schulz von einem Neonazi in einer Dortmunder U-Bahn Haltestelle erstochen. Der damals 17 – jährige Täter, Sven Kahlin, war zu dem Zeitpunkt Mitglied der Skinhead – Front und ist auch nach seiner Haftentlassung im letzten Jahr dort wieder aktiv geworden. Im Februar 2009 greifen mehrere Neonazis an einer Chemnitzer Raststätte eine Gruppe von Busreisenden an, welche sich auf dem Weg zu einer Demo gegen den jährlich in Dresden stattfindenden Naziaufmarsch befinden. Auf einem während des Angriffs geschossenen Foto, das nach dem Vorfall durch die Medien ging, ist ein prügelnder Nazi zu erkennen, auf dessen Bomberjacke eindeutig die Aufschrift „Skinfront Do – Dorstfeld“ zu lesen ist. Ende des Jahres 2010 überfallen Neonazis die alternative Dortmunder Kneipe „Hirsch – Q“ und fügen dabei einem Gast Stichwunden zu. Die Tat sorgt bundesweit für großes Aufsehen. Durch die Überwachungsvideos, aufgezeichnet von Kameras der Kneipe, lassen sich einige Täter der Skinhead – Front zuordnen. Ebenfalls am Angriff beteiligt: Der verurteilte Mörder Sven Kahlin.

Obwohl auf dem Video eindeutig bekannte Neonazis als Täter identifiziert wurden, bleiben konkrete Ermittlungsergebnisse der Dortmunder Staatsanwaltschaft bisher aus. Antifaschistische Gruppen kritisieren das Vorgehen der Ermittlungsarbeiten schon seit längerer Zeit. Sie befürchten, dass es zu einer Verschleppung des Verfahrens kommen und die Täter straffrei bleiben könnten. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichte das Dortmunder – Antifabündnis eine detaillierte Analyse des Videos, in der Hoffnung, Druck auf die Staatsanwaltschaft erzeugen zu können. „Wir wollen klar machen, dass es durchaus Beweise gibt, dass die Polizei längst hätte ermitteln können, wer vor Ort war, als beinahe ein Mensch erstochen wurde“, schreibt das Bündnis in einer Pressemitteilung.

Doch solange die Skinhead – Front Dortmund – Dorstfeld für ihre Taten nicht juristisch belangt wird, kann sie weiterhin frei agieren. Die Übergriffe in der jüngsten Zeit zeugen von der Gefahr, die von der Neonazigruppe ausgeht. Es bleibt daher abzuwarten, ob Stadt und Justiz gegen die Aktivitäten der Skinhead – Front erfolgreich vorgehen können oder es weiterhin für die Neonazis möglich sein wird, sich in Dorstfeld eine breite Basis zu schaffen und den Stadtteil zu einer „No-go-Area“ für Migranten und Andersdenkende zu machen.