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Machtkampf in der NPD – „Schmarotzer, Spalter, Speichellecker“

 

Holger Apfel (l.) hofft auf den Posten seines Parteikollegen Udo Voigt (r.) © Getty

Auf dem Parteitag am Wochenende will der sächsische Fraktionschef Holger Apfel den langjährigen Parteichef Udo Voigt stürzen – und der NPD dann ein weicheres Image verpassen.

Seit einigen Wochen tut die NPD wieder, was sie am allerbesten kann: sich streiten und gegenseitig wüst beschimpfen. In Szene-Publikationen und Internetforen gehen die Wellen hoch. Als „Intriganten“, „NS-Nostalgiker“ und „Verräter“ schmähen sich die Rechtsextremisten wechselseitig, als „Schmarotzer“, „Spalter“ und „Speichellecker“.

In der Partei tobt ein harter Kampf um den Bundesvorsitz. Holger Apfel, 40, Chef des sächsischen Landesverbandes und der dortigen Landtagsfraktion, fordert Udo Voigt, 59, heraus, der die NPD seit 1996 führt. Die Entscheidung wird auf einem Parteitag fallen, der am Wochenende erst nach langem juristischen Tauziehen im brandenburgischen Neuruppin stattfinden kann. Es ist nicht das erste Mal, dass Voigt gestürzt werden soll – aber dieses Mal wird es für ihn ernst.

Das Jahr 2011 ist für die NPD schlecht gelaufen. Zwar gelang ihr Anfang September in Mecklenburg-Vorpommern zum zweiten Mal (nach Sachsen 2009) der Wiedereinzug in einen Landtag. Damit ist die NPD erfolgreicher als die Republikaner, denen nur einmal, 1996 in Baden-Württemberg, eine Wiederwahl glückte. Das restliche Jahr jedoch war gefüllt mit Niederlagen: In Rheinland-Pfalz, Bremen und Baden-Württemberg gab es magere Wahlergebnisse um ein Prozent, in Hamburg sogar noch weniger. In Sachsen-Anhalt scheiterte mit 4,6 Prozent der bereits für sicher gehaltene Einzug in den Landtag. In Berlin kam die NPD mit Voigt als Spitzenkandidat nur noch auf 2,1 Prozent. Schlimmer noch für die Partei: Bei den zeitgleichen Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen verlor sie die Hälfte ihrer Mandate und ist jetzt selbst in ihren früheren Hochburgen in Ost-Berlin nicht mehr in Fraktionsstärke vertreten.

Direkt danach meldete Holger Apfel seine Kampfkandidatur an. Er fordert seit Jahren, die NPD dürfe sich nicht als „Politsekte und Bürgerschreck-Truppe“ aufführen. Eine offene Verherrlichung des NS-Regimes, wie sie Teile der Partei noch immer pflegen, lehnt er als „unpolitische Nostalgiepflege“ ab. Man dürfe nicht wie ein „Zombie aus der Vergangenheit“ wirken. In Sachsen hat er das Auftreten der NPD bereits gemäßigt, die sonst in der Partei beliebten Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot zum Beispiel sind dort tabu. Apfel zeigt sich gern im hellen Anzug oder auf lieblichen Familienfotos mit seinen drei kleinen Kindern. Mit sozialen Forderungen will er der NPD das Image einer „Kümmerer-Partei“ verpassen, als Vorbild gelten Haiders FPÖ oder auch die holländischen Rechtspopulisten um Geert Wilders. „Wer die Herzen unserer Landsleute gewinnen will“, meint Apfel, „darf sie nicht verschrecken“.

Für einen Gutteil der NPD-Mitglieder sind solche Worte ein Stich ins Herz. Zwar sind die NSDAP-Veteranen in der Partei inzwischen fast alle gestorben, aber das Erinnern an vermeintliche Vorzüge des „Dritten Reichs“, an Wehrmacht, SS, Hitler und seinen Stellvertreter Rudolf Hess gehört noch immer zum Identitätskern der Partei. Dieser Flügel wirft Apfel ideologische Verwässerung und Verrat vor.

Udo Voigt hat die Hitleristen immer wieder in Schutz genommen und sogar gezielt Neonazis in die Partei geholt. In Berlin ließ er dieses Jahr Wahlkampfzeitungen verteilen, in denen „Adolf“ als Lösungswort eines Kreuzworträtsels vorgesehen war. Auf Plakaten posierte er neben dem zweideutigen Slogan „Gas geben!“. Solche Provokationen sollen, so das Kalkül, die alten Kernzielgruppen der Partei mobilisieren. Apfel dagegen will mit seiner weichen Strategie neue, breitere Wählerschichten erschließen. „Damit“, halten ihm die Hitleristen entgegen, „treiben wir nur die eigene Anhängerschaft in die Wahlenthaltung.“ Je näher der Parteitag rückte, desto wüster wurden die Beschimpfungen. Doch so heftig der Streit auch ist, es geht dabei fast ausschließlich um das Auftreten – inhaltlich sind Apfels und Voigts NPD gleichermaßen völkisch und rassistisch. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass auch die Apfel-Fraktion beste Verbindungen zur militanten Szene pflegt.

Schon auf dem Parteitag vor zwei Jahren versuchte der Apfel-Flügel erfolglos die Revolte, damals mit Udo Pastörs, dem Chef der Schweriner NPD-Landtagsfraktion, als Voigt-Herausforderer. Daraufhin zogen sich die äußerlich Moderaten aus dem Bundesvorstand zurück. Voigts verbliebene Führungsmannschaft wird heute in der Partei wegen Ideenlosigkeit, Inkompetenz und Unzuverlässigkeit kritisiert. Auch hängen dem Vorsitzenden immer noch die Finanzskandale seines ehemaligen Schatzmeisters Erwin Kemna an.

Wie es in Neuruppin am Ende ausgeht, bleibt trotzdem offen. Bei den Wählern mag Holger Apfel tatsächlich besser ankommen als der etwas hölzerne Voigt – vielen in der NPD aber ist er zu glatt.