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Bewusstes Verschweigen von Neonazi-Demos: „Selten dämliche Strategie!“

 

Immer wieder sollen Proteste gegen Neonazi-Kundgebungen in Bayern durch bewusstes Verschweigen verhindert werden © Johannes Hartl

In einigen bayerischen Städten finden seit längerem Neonazi-Kundgebungen statt, ohne das die BürgerInnen etwas davon wissen, geschweige denn, sich dagegen wehren können. Dieses bewusste Verschweigen stellt neuerdings eine gezielte Strategie der Städte dar, um „zu hohe Aufmerksamkeit oder Eskalation“ zu verhindern. Eine Strategie, die den Neonazis förmlich in die Hände spielt, gefährlich und obendrein selten dämlich ist. Ein Kommentar.

Samstag, 21. Juli: In etwa 30 Neonazis aus den Reihen des „Freien Netz Süds“ demonstrieren in Augsburg. Die BürgerInnen der Stadt haben laut Berichten der „Augsburger Allgemeinen“ davon nichts erfahren, da die Stadt verhindern wollte, dass die Neonazis „zu hohe Aufmerksamkeit“ erhalten. Das gleiche Spiel am selben Tag in Landsberg, auch hier erfahren die BürgerInnen nichts von der Neonazi-Demonstration. Und in vielen anderen Städten in Bayern wird nicht selten das gleiche Konzept angewandt. Beispielsweise mauert auch Nürnberg bezüglich der geplanten NPD-Deutschlandtour.

Warum aber tun Städte so etwas? Glauben sie wirklich, damit lasse sich verhindern, dass die Neonazis Aufmerksamkeit bekommen? Nein, vielmehr legitimieren die Städte damit ihre eigene Untätigkeit, etwas gegen rechtsextreme Umtriebe zu unternehmen und/oder ihre Ignoranz demgegenüber. Doch damit spielen die Kommunen und Städte ein gefährliches Spiel, gibt es doch hinreichend Beispiele, die beweisen, was passieren kann, wenn man neonazistische Umtriebe ignoriert. Damit schafft man zum einen ein Klima der Akzeptanz, das die Nazis mitunter dazu einladen wird, wiederzukehren und zum anderen schlägt man all jenen, die sich gegen Neonazis engagieren, buchstäblich ins Gesicht. Von dem Bild, dass die Städte damit nach außen hin vermitteln, mal ganz zu schweigen. Und auch das Argument mit der Verhinderungen von angeblichen Eskalation darf nicht dazu benutzt werden, um Gegenproteste zu unterbinden. Alleine schon deshalb nicht, weil ein großer Teil der Proteste gegen Neonazis in Bayern absolut friedlich abläuft – und die Eskalation nicht selten auch von den Nazis selbst rühren. So gingen Nazis in Landsberg zum Beispiel einen Landtagsabgeordneten der Grünen an, als dieser spontan gegen die Neonazis protestierte. Der Gegenprotest allerdings verlief völlig friedlich, wie die „Augsburger Allgemeine“ berichtet.

Eigentlich ist es schon schlimm genug, wenn Neonazis durch die Straßen ziehen, ihre Parolen skandieren, hetzen und Hass verbreiten. Geschieht dies aber auch noch ohne aktive Gegenwehr, so ist das ein Desaster für die demokratische Kultur. Es ist wichtig und richtig, Neonazis die Stirn zu bieten, Widerstand zu leisten – und ihnen zu zeigen, dass sie unerwünscht sind. Im Gegensatz zum blinden Ignorieren kann diese Strategie nämlich sehr erfolgreich sein, wie Gräfenberg als bayerisches Beispiel überaus eindrucksvoll bewiesen hat. Jahrelang marschierten Neonazis hier auf, teilweise beinahe wöchentlich. Nach und nach formierte sich dagegen breiter Protest, immer wieder gingen die BürgerInnen auf die Straße – und erzielten irgendwann einen beachtlichen Erfolg: Die Rechtsextremisten kehrten nicht wieder zurück. Ob dies ohne die massiven Gegenproteste denkbar gewesen wäre? Wohl kaum.

Kurzum: Sich gegen Neonazis zu engagieren und auf die Straße zu gehen, wenn sie aufmarschieren, ist zur Verteidigung der Demokratie immens wichtig. Nur so kann gezeigt werden, dass die Stadt, in der sie ihren Hass verbreiten wollen, bunt, weltoffen, demokratisch und tolerant ist. Zudem kann nur so glaubhaft vermittelt werden, dass Nazis unerwünscht sind. Rechtsextremisten hingegen zu ignorieren bringt genau Gegenteiliges zum Ausdruck. Wie bitte schön sollen denn engagierte Bürger, die sich gerne ausdrucksstark dagegen wehren wollen, diese dämliche Strategie verstehen?