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Landgericht entlässt gewaltbereiten Dortmunder Neonazi aus Untersuchungshaft

 

Das Dortmunder Landgericht ließ den überaus gewaltbereiten Neonazi Sven K. frei. Die Entscheidung ruft heftige Kritik hervor

Die Entscheidung eines Dortmunder Gerichts, den Neonazi Sven K. aus der Untersuchungshaft zu entlassen, sorgt derzeit für viel Empörung. K. hat im Jahr 2005 einen Punk erstochen, gilt als extrem gewalttätig und steht momentan erneut wegen eines Angriffs auf zwei türkischstämmige Jugendliche vor Gericht. Die Opferberatungsstelle „BACK UP“ kritisiert diese Entscheidung enorm, spricht von einer „krassen Fehleinschätzung“ und sieht den Opferschutz durch das Gericht „sträflich vernachlässigt“. 

Weil das Landgericht Dortmund bei Sven K. weder eine Flucht- noch eine Wiederholungsgefahr sieht, hat das Gericht den einschlägig bekannten Neonazi heute (Freitag, 28. September) aus der Untersuchungshaft entlassen. K. musste hierfür einen aktuellen Wohnsitz angeben und wird zukünftig zweimal in der Woche bei der Polizei erscheinen müssen. Eine „Aussage über seine Schuld oder Unschuld“ sei dies aber nicht, zitieren die „Ruhr Nachrichten“ den Sprecher des Gerichts, Martin Brandt.

Sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei der Opferberatungsstelle „BACK UP“ ist das Entsetzen über diese Entscheidung groß. „Wir haben sofort Beschwerde eingereicht“, berichtet etwa Staatsanwalt Henner Kruse den „Ruhr Nachrichten“. Und auch „BACK UP“, die die beiden letzten Opfer K.s betreuen, meldeten sich in Form einer Pressemitteilung zu Wort. Darin üben sie scharfe Kritik an dem Gericht, sprechen von einer „krassen Fehleinschätzung“ und sehen den Opferschutz „sträflich vernachlässigt“. „Aus Sicht der Opfer ist die Freilassung des mutmaßlichen Haupttäters Sven K. ein unerhörter Vorgang, der zweifelsfrei eine Bedrohung für sie darstellt“, sagt die wissenschaftliche Leiterin von „BACK UP“, Claudia Luzar.

Die Entscheidung des Gerichts verwundert besonders deshalb, weil K. als äußerst gewaltbereit gilt und 2005 sogar ein Tötungsdelikt verübt hatte. K. hatte im März 2005 nämlich den Punk Thomas „Schmuddel“ Schulz mit einem Messer attackiert und ihn dabei so schwer verletzt, dass er wenig später verstorben ist. Dafür wurde K. zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, von der er jedoch nur fünf Jahre absitzen musste. Vorzeitig kam er wegen „guter Prognosen“ aus dem Gefängnis frei und war bald darauf wieder in der Neonazi-Szene aktiv, wo er seither einen Märtyrer-Status inne hat. Aktiv war der Neonazi vor allem in der zwischenzeitlich verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“, die den sogenannten „Autonomen Nationalisten“ zuzuordnen ist und immer wieder durch Gewalttaten oder Einschüchterungsversuche gegen couragierte Bürger in Erscheinung trat.

Im Jahres 2011 fiel dann auch K. wieder durch Gewalttätigkeiten auf. Im November soll er auf einem Weihnachtsmarkt – zusammen mit drei weiteren Neonazi – zwei türkischstämmige Jugendlichen geschlagen und getreten haben. K., der sich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Frau gestritten haben soll, hatte zu den Jugendlichen gesagt: „Guckt nicht so blöd, ihr Bastarde“ und soll „sofort mit der Faust zugeschlagen haben“, zitiert „Der Westen“ die Opfer des rechtsextremen Überfalls in seiner Online-Ausgabe. Daraufhin sind sie auch von drei Männern mit Springerstiefeln getreten worden, die an diesem Abend wohl gemeinsam mit K. unterwegs gewesen sind.

Und trotz dieses Vorwurfs wurde K. – der unter anderem angab, „eine leichte Abneigung gegen Juden“ zu haben und „kein Freund von Ausländern“ zu sein – aus der Untersuchungshaft entlassen. „Dass das Gericht in dem brutalen Angriff auf die beiden türkischstämmigen Jugendlichen auf dem Weihnachtsmarkt keine Wiederholungstat sieht, und K. deshalb freilässt, ist eine krasse Fehlentscheidung. Genauso wie es eine krasse Fehleinschätzung war, in dem Tötungsdelikt vor sieben Jahren keine politisch motivierte Gewalt zu erkennen. Das war ein Skandal, der jetzt seine Fortsetzung findet“, kritisiert Claudia Luzar und stellt zudem fest: „Ich vermisse hier vor allem den Opferschutz, den das Gericht sträflich vernachlässigt.“