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Wunsiedel: Eine ganze Stadt wehrt sich gegen Neonazi-Aufmarsch

 

Wie schon in den letzten Jahren wird sich Wunsiedel auch diesmal wieder gegen den Neonazi-Aufmarsch zur Wehr setzen © Johannes Hartl

Wie schon in den Vorjahren wollen Neonazis auch an diesem Samstag, den 17. November, wieder durch das oberfränkische Wunsiedel marschieren. Doch der Ort wehrt sich – und die Vorbereitung zu den Gegenprotesten laufen bereits auf Hochtouren. 

Erneuter Aufmarsch in Wunsiedel…

Unter dem Motto „Tot sind nur jene, die vergessen werden, wird am Samstag, den 17. November, ein Neonazi-Aufmarsch im oberfränkischen Wunsiedel stattfinden. Der bekannte „Freie-Netz-Süd“-Aktivist Norman Kempken hat Medienberichten zufolge rund 150 Teilnehmer für den Marsch durch die im Fichtelgebirge gelegene Stadt angekündigt. Als Redner sollen neben dem FNS-Führungskader Matthias Fischer und dem Berliner NPD-Politiker Uwe Meenen auch der Hamburger NPD-Vorsitzende Thomas Wulff und der aus Schwandorf stammende FNS-Aktivist Daniel Weigl auftreten. Entsprechende Informationen hatte Kempken dem Nordbayerischen Kurier auf Nachfrage bestätigt.

Bereits unmittelbar nach der Anmeldung hatte die Stadt reagiert: Nach einer Prüfung ließen sie den Neonazi-Aufmarsch umgehend verbieten, da man einen „deutlichen Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft und sogar konkret zur Person Rudolf Hess“ hergestellt sah, berichtet der Nordbayerische Kurier. Die Rechtsextremisten wollten sich damit aber nicht abfinden – und zogen vor das Verwaltungsgericht (VG) Bayreuth. Notfalls wollten sie alle Instanzen beschreiten, schreibt die Zeitung weiter.

Jedes Jahr wieder ziehen die Neonazis durch die oberfränkische Stadt © Johannes Hartl

Letzten Endes gab ihnen das VG allerdings recht, der Aufmarsch darf also stattfinden. Im Internet mobilisiert die Szene nun für 12.30 Uhr in die oberfränkische Stadt, in der in den vergangen Jahren immer wieder Neonazi-Aufmärsche stattgefunden haben. Zu Zeiten der von Jürgen Rieger organisierten Hess-Märsche haben sich teilweise sogar bis zu 4000 gewaltbereite Neonazis im Fichtelgebirge eingefunden. Selbst die Auflösung des Hess-Grabes konnte nicht dazu beitragen, die Aufmärsche zukünftig zu verhindern – die rechte Szene ließ sich davon nicht beeindrucken und kehrt nun zum dritten Mal nach der Grabauflösung zurück nach Wunsiedel.

„Wunsiedel ist bunt – nicht braun!“

Doch die Stadt nimmt den Aufmarsch nicht einfach hin. Sie wehren sich, zeigen Gesicht und treten für ein demokratisches und tolerantes Miteinander ein. Ähnlich wie in den zurückliegenden Jahren soll dem rechtsextremen Aufmarsch ein buntes Programm entgegengesetzt werden. Und die Wunsiedler erhalten viel Unterstützung von außerhalb. Bayernweit erklären sich Bündnisse solidarisch – manche stellen sogar Busse bereit, um die Proteste gegen den Neonazi-Aufmarsch nach allen Kräften zu unterstützen.

Und auch der Ort selbst trifft Vorbereitungen. So fand erst kürzlich eine Infoveranstaltung unter dem Motto „Was wollen die Nazis schon wieder in Wunsiedel?“ statt, in der die Proteste gegen den Neonazi-Aufmarsch vorbereitet wurden. In einem Interview mit dem Regionalfernsehsender TVO übte Karl Rost, Sprecher der Initiative „Wunsiedel ist bunt, nicht braun“, zudem Kritik an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth. „Was ich mir wünschen würde, ist, dass sich bestimmte Gerichtsurteile möglicherweise stärker als manchmal sichtbar wird, an der Würde des Menschen orientieren. Und da sehe ich Spielräume“, sagte er dem Sender.

Außerdem mahnte er, nicht zu glauben, dass man bald mit dem Engagement aufhören können wird. „Denn das würde dann sehr schnell bei den Gegnern wieder die Motivation erhöhen: ‚Jetzt können wir hier richtig auftrumpfen’“, so Rost. Ohnehin weist er darauf hin, dass Wunsiedel noch so lange von neonazistischen Aufmärschen heimgesucht werden wird, wie es den Führungsfiguren gelingt, „die Szene hier her zu bringen“.

Buntes Programm

Damit man den Neonazi aber auch in diesem Jahr wieder zeigen kann, dass sie unerwünscht sind, wurde ein buntes Programm auf die Beine gestellt. Beispielsweise wird es einen ökumenischen Gottesdienst geben, eine Kundgebung „gemeinsam für die Menschenwürde“, einen Infostand, eine Button-Aktion und einen Gedenkzug auf der westlichen Todesmarschroute. Genauere Informationen zu den Gegenaktionen gibt es auf der Homepage von „Wunsiedel ist bunt„.