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Wieder Ärger für Berliner NPD-Chef?

 

Sebastian Schmidtke (Mitte) bei einer NPD-Veranstaltung im Januar 2011 © Matthias Zickrow

Landesvorsitzender Schmidtke soll am Samstag Gegendemonstranten attackiert haben und drohte später: „Einer muss der Erste sein – fuck Silvio Meier“. Der Hausbesetzer Meier war vor 20 Jahren von Neonazis erstochen worden. Schon seit Monaten wird gegen Schmidtke wegen der Webseite des „NW-Berlin“ ermittelt, auf der politische Gegner aufgelistet und bedroht werden.

Von Theo Schneider

Es geschah am Samstag nach einen NPD-Marsch in Berlin-Rudow, der frühzeitig abgebrochen werden musste, weil linke Gegendemonstranten die Wegstrecke blockierten (Störungsmelder hatte berichtet). Eine Gruppe von 30 Neonazis, die auf dem Weg zu einer weiteren rechten Kundgebung in Lichtenberg war, soll sieben Linke am S-Bahnhof Neukölln attackiert haben. Davon berichtete das „Neue Deutschland“ in seiner Montagsausgabe. Nach ND-Informationen soll auch der Berliner Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke aktiv daran beteiligt gewesen sein. „Er schlägt mit einem Regenschirm auf einen Gegendemonstranten ein“, heißt es dort. Die Neuköllner Antifa spricht in einer Auswertung vom Tag sogar davon, dass Schmidtke einen der Linken mit dem Hals auf den Boden drückte. In ihrem Bericht nennen sie weitere Rechte, die an dem Angriff beteiligt und zuvor „schreiend auf die Gruppe“ zu gerannt sein sollen.

Die Berliner Polizei bekam den Vorfall nicht unmittelbar mit, da sie offenbar nicht wie sonst üblich die Rechten nach ihrem Aufmarsch begleitete: Kurz vor 17 Uhr erhielten Beamte Kenntnis von den  Auseinandersetzungen am Bahnhof, konnten aber bei ihrem späteren Eintreffen nur noch „verbale Unmutsäußerungen“ feststellen. Handgreiflichkeiten wurden „aufgrund der polizeilichen Präsenz sowie der Trennung beider Lager verhindert“, sagte ein Sprecher gegenüber Zeit Online. Verletzt wurde bei der Auseinandersetzung offenbar niemand, auch wurde von keinem der Anwesenden eine Anzeige erstattet. Ob gegen einen oder mehrere der beteiligten Rechten ermittelt wird, ließ die Polizei offen, gab aber an, dass auch ein Linker eine Plastikflasche auf die Beamten geworfen haben soll.

Bei der Kundgebung in Lichtenberg, die sich gegen die zeitgleich stattfindende alljährliche „Silvio Meier“-Demonstration richtete, wollte der NPD-Chef dann offenbar einem NPD-Verbotsverfahren behilflich sein und ließ jede bürgerliche Fassade fallen. In Sprechchören drohte er mit den anderen rund dreißig Teilnehmern: „Linkes Gezeter – neun Millimeter“, „Wir kriegen Euch alle“  und „Einer muss der Erste sein – fuck Silvio Meier“. Eine unmissverständliche Botschaft, wurde doch der Hausbesetzer Meier vor 20 Jahren am U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis erstochen.

Fotografiert vermummt von seinem Balkon eine linke Demonstration: NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke © Christian Jäger

Schmidtke galt bei seiner Wahl im Februar als Hoffnungsträger für den desolaten NPD-Landesverband, der mit internen Streitigkeiten und mauen Wahlergebnissen immer unattraktiver für Berliner Neonazis wurde. Eine Strategie, wie er das ändern möchte, lässt der 27-jährige bis heute vermissen. Lediglich diverse Kleinstveranstaltungen mit den immergleichen Gesichtern, als „Veranstaltungsoffensive“ verkauft, sollen Parteiaktivität suggerieren, die nur die wenigsten Berliner Kreisverbände wirklich entfalten. Es scheint vielmehr, als wird die örtliche NPD als sichere Struktur der Berliner Autonomen Nationalisten genutzt, die sich die Personalschwäche der Partei zu Nutze machen. Dafür spricht, dass Schmidtke wenig Interesse an seriöser Politik erkennen lässt und stattdessen Demokraten mit einem „Nürnberg 2.0“ droht oder vermummt von seinem Balkon politische Gegner fotografiert.

Auch ein seit Monaten gegen ihn laufendes Ermittlungsverfahren wegen der Webseite des „NW-Berlin“,  von dem er spätestens seit einer Hausdurchsuchung im März wissen müsste, bremst ihn keineswegs aus. Alle genannten Vorfälle fanden nach der Razzia statt. Auf der Homepage werden in einer Feindesliste politische Gegner, Journalisten, Politiker und Polizeibeamte zum Teil mit Foto aufgelistet und bedroht. Eine unter dem Begriff „Anti-Antifa“ seit Jahren gängige Praxis in der rechten Szene. Offenbar befürchteten am Samstag in Rudow eingesetzte Polizeikräfte ähnliches, als sie die Kamera des stadtbekannten Rechtsextremisten Christian B. „aus gefahrenabwehrenden Gründen“ sicherstellten. Nach Auskunft eines Polizeisprechers „stellten Polizisten im Rahmen polizeilicher Kontrollmaßnahmen“ fest, dass B. „die Beamten mit einer Kamera einzeln portraitierte.“ Um das Persönlichkeitsrecht der Beamten zu schützen blieb das Gerät bis zum folgende Montag bei der Polizei. Das ersparte dem vorbestraften Rechtsextremisten ein Ermittlungsverfahren.

Eingetütet: Die Kamera des Rechtsextremen Christian B. nach der Sicherstellung © Christian Jäger