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Frau zerstückelt: Nazi-Rapper in Haft

 

Steht unter Mordverdacht: Neonazi-Rapper "Sash JM" © Screenshot YouTube

Der Rechts-Rapper Alexander K. alias Sash JM steht im dringendem Tatverdacht, eine 44-jährige Frau in Hannover getötet, zerstückelt und anschließend in den Maschsee geworfen zu haben. Am Donnerstag erließ das Amtsgericht Hannover Haftbefehl gegen den 24-Jährigen. Seit Jahren stellt er Lieder mit Gewalt- und Mordphantasien online. Aufgrund seiner Songtexte prüft die Polizei nun die Parallelen zu einem weiteren Tötungsdelikt. 

Von Johannes Hartl und Roland Sieber 

Am 31. Oktober entdecke ein Spaziergänger im Maschsee in Hannover den schwimmenden Torso einer Frau. Rettungstaucher der Feuerwehr fanden nacheinander den abgetrennten Kopf sowie Arme und Beine der Leiche. Die Ermittlungsbehörden identifizierten die Tote als Andrea B., die am 27. Oktober zum letzten Mal in Hannover-Linden lebend gesehen worden war. Die Staatsanwaltschaft sprach von einer „sehr professionellen“ Vorgehensweise des Täters. Andrea B. starb infolge eines Messerstichs ins Herz.

Am Donnerstag erließ die Staatsanwaltschaft nun einen Haftbefehl gegen den 24-jährigen Alexander K., der der SZ zufolge polizeibekannt sei und bereits mehrere Haftstrafen wegen „Drogen- und Körperverletzungsdelikten“ hinter sich habe. „Erste Ermittlungen“ würden zudem auf eine „Affinität zu rechtem Gedankengut und Gewaltfantasien“ hinweisen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Die Beweggründe für die Tat seien aber noch nicht bekannt. Der Inhaftierte habe bisher nichts sagen wollen.

Einen längeren Gefängnisaufenthalt Jahre zuvor thematisiert der Neonazi-Rapper selbst in seinen Songs. Auch seine stationären Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken besingt K. und nennt als Ursache und Folge Selbstmordgedanken und Drogenkonsum. Einige seiner ersten Lieder klingen wie Hilfeschreie. So singt er in einem Song, der seine Jugend zwischen seinen zerrissenen Eltern, im Heim und auf der Straße aber immer voller Gewalt und schließlich auch mit Drogen beschreibt:

„[…] die Mutter zieht bald nach Deutschland und nimmt ihn mit. Er hat keine Freunde, denn er ist ein Fremder. […] denn er wusste zu früh, was Gewalt ist […] er nahm Drogen, in Hoffnung auf Freude und Liebe, den die Welt ist zu kalt und die Menschen sind Tiere […] das jeder sein Feind ist, lässt man ihn spüren […] Jetzt hat er zwei Kinder […] und fasst in der Welt noch immer nicht Fuß, denn innerlich tut seine Kindheit noch weh […] will der Junge fliehen, doch wohin will er wissen?“ (Song: „Sash JM ft. Pzeiko Ti – Bewerbung“)

Doch bereits 2010 schreibt er auf seiner Homepage mit der eindeutigen Domain „rechtsrap.de“:

„ich habe in letzter zeit immer mehr systemfeindlichen und patriotischen rap gesehn und finde deshalb, dass diese gesinnung im rap und diese neue musikrichtung hier im netz repräsentiert und vertreten sein muss. es muss eine art zentrum geben, in dem volksfreundliche und patriotische musiker ihre musik veröffentlichen.[…] Bleibt DEUTSCH und lasst euch nicht BRDigen, Leutz.“

Im Forum beschwert er sich im Dezember 2011, das seine andere Website gesperrt wurde und sein YouTube-Kanal in Deutschland nicht mehr verfügbar sei. Da dies aber umgangen werden kann, wurden seine Videos bis Samstagabend 125.050-mal aufgerufen. Zu diesem Stand hatte er 101 Abonnenten. Sein wohl größter Hit ist „Die Neue Nationalhymne“, ein völkisch-nationalistischer Remix mit einem Song des rechtsextremen Liedermachers und zweimaligen Bundespräsidentschaftskandidaten der NPD, Frank Rennicke, der alleine in seinem neuem und somit normal abrufbaren YouTube-Account über 35.500-mal abgerufen sowie oft kopiert wurde. Sash JM merkte dazu an:

„Frank Rennicke hat auch diesem Lied zugestimmt und mir erlaubt, seine Musik für nonkommerzielle Zwecke zu verwenden“.

Damit schaffte er sich einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Neonaziszene. Er und sein Musikstil setzen sich jedoch nicht durch und so bleibt RechtsRap eine Randerscheinung. Was den Text ideologisch nicht ungefährlicher macht. So wird über „Heimatliebe“ und „Heimatstolz“, aber auch von „scheiß Parasiten“ und vom gemeinsamen „Feind“ der zerstört werden muss, gesungen. Auch die neue nationalistische Parole „Patrioten sind keine Nazis“ darf nicht fehlen.

Im Bürgerschaftswahlkampf 2011 unterstütze Alexander K. den Wahlkampf der rechtspopulistischen „Freien Wähler Bremen”. Seine Ideologie findet sich in vielen seinen Songs wieder. So rappt er in „Sash JM für hhnoise.com – mein Beitrag zum Battle“: „Die Asylanten haben das Geld wirklich nicht verdient, denn die sind mongoloid […]“. Bushido „knallt er“ in einem seiner Texte ab. Um eine Messerstecherei geht es im Song „juristisches“. Den Mehrfachmörder Charles Manson widmete er einen Remix und begründet dies auf YouTube wie folgt:

„Den Rafrain habe ich aus Charlie Mansons Lied “Sick City”, das Marylin Manson auch gecovert hat. Ein ganz normaler Remix halt… Ich stehe total auf Mansons Ideologie und Lebenseinstellung. Das versuche ich auch in meinem Teilen des Liedes auszudrücken.“

In dem Clip zu „Autobahn“ sind Messer und Stichwaffen zu sehen. Dazu rappt er die Worte:

„An alle Politiker, fette Bonzen und Chefs, eine Bombe für euch, wie die von der RAF. Danke an die scheiß Grünen, die SPD und FDP, die NPD und CDU, an alle Bonzen der BRD. Es tut weh wie unsere Zukunft den Bach runtergeht“.

In einigen seinen Liedern mischen sich Sozial- und Gesellschaftskritik mit Textstellen, die an Drogendelirium erinnern, gepaart mit Gewalt- oder Selbstmordgedanken. Schwierig wird es bei dem Song „Gottes Stimme“. Lässt er Gott durch Hitler zum Kannibalismus an Kindern aufrufen? Oder befehligt womöglich seine Freundin den Kindesmord in seinem Keller? Warum dann aber durch Hitler? Ist dies seine Fantasie oder mordete er wirklich?

Auch Breivik widmet er ein Lied. Der Titel dürfte Aussagekräftig genug sein: „Oslo Amok Terror Song 2011 / Sash JM – Breivik / Mein Star für Oslo“. In einem Land in dem der Verfassungsschutz Punk-Bands beobachtet, kann ein Rechtsrapper seit Juli 2011 einen Song mit Breivik als Vorbild – in dem er ankündigt über „Leichen zu gehen“ – online für jedermann zugänglich stellen.

Die Polizei überprüft derweilen, ob der Rechts-Raper auch für eine weitere Tat verantwortlich sein könnte, die Parallelen zu der Tötung von Andrea B. aufweist. Bereits im Januar 2010 sei nämlich ebenfalls eine zerstückelte Leiche in der Nähe des Maschsees – unter der Legionsbrücke in Linden-Süd – gefunden worden, deren Überreste in einen Müllsack gepackt worden waren. Wie Andrea B. soll auch die 24-jährigen Monika P. als Gelegenheitsprostituierte tätig und drogenabhängig gewesen sein, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Zudem könnte Sash JMs Song „Satans Stimme“ die detaillierte Beschreibung des Mordes und der Vergewaltigung der Leiche sein. Diesen Clip stellte er einem Tag nach der Mordnacht auf die Videoplattform „myvideo.de“. Auch dort singt er davon, dass Gott (der in einem anderen Video als Hitler dargestellt wird) ihn bat, ihn zu vertreten.

Mord werde Alexander K. derzeit allerdings nicht zur Last gelegt, bislang laute der Vorwurf auf Totschlag. „Wir haben bislang keine Hinweise auf irgendwelche Mordmerkmale, dazu wissen wir über den Hergang einfach noch zu wenig“, wird die Oberstaatsanwältin in der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag zitiert.

Aussagekräftig sind die Verlinkungen des mutmaßlichen Todschlägers auf seiner Website zum „Z-Versand“ von Meinolf Schönborn und dessen neonazistischen Organisationsansatzes „Neue Ordnung“ sowie zur „Reichsbewegung“.