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Bayerns Verfassungsschutz überwacht Islam-Hasser

 

Während Stürzenberger redet, werden Unterschriften gegen ein islamisches Zentrum gesammelt © ash-bayern
Islamfeind Michael Stürzenberger bei einer Kundgebung in München © ash-bayern

Als erste Geheimdienstbehörde in Deutschland überhaupt überwacht Bayerns Verfassungsschutz Islam-Hasser. Wegen anti-muslimischer Stimmungsmache werden zwei Gruppen beobachtet, die vom Rechtspopulist Michael Stürzenberger angeführt werden. Dieser gilt als Nummer eins unter den bayerischen Muslim-Feinden.

Von Tagesspiegel-Autor Patrick Guyton

Nahezu jeden Samstag stehen sie in München irgendwo an einem belebten Platz und sammeln Unterschriften. Krawall und Polizeieinsätze sind dabei programmiert. Dem stadtbekannten Rechtspopulisten Michael Stürzenberger geht es darum, gegen das geplante „Zentrum für Islam in Europa München“ (Ziem) zu agitieren, er strebt ein Bürgerbegehren an. Doch ebenso sind diese Straßenauftritte, die immer wieder von Linken und Punks gestört werden, ein allgemeines Forum für Hass – Hass auf den Islam. Der 49-jährige Stürzenberger ist die derzeit unumstrittene Nummer eins unter den bayerischen Muslim-Feinden. Er führt den Landesverband der Mini-Partei „Die Freiheit“ an, die als rechtspopulistisch gilt. Zugleich ist er Kopf des Münchner Ablegers des anti-islamischen Internetblogs „Politically Incorrect“ (PI).

Darauf ist nun auch der bayerische Verfassungsschutz aufmerksam geworden. Er beobachtet die Münchner Anti-Islamisten seit April – als erster Verfassungsschutz in Deutschland überhaupt. Konkret sind das genau die beiden Organisationen, in denen Michael Stürzenberger das Wort führt: der Landesverband der Partei „Die Freiheit“ und die PI-Ortsgruppe München. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unlängst, es gehe den Gruppen darum, „generelle Vorurteile gegenüber Muslimen und dem Islam zu wecken“, sowie „pauschale Ängste vor Muslimen zu schüren“. Alle Muslime würden „aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaates“ verunglimpft. Dies verletze die Religionsfreiheit und die Menschenwürde. Seitdem wird observiert in der Szene.

Der spezielle Islam-Hass ist ein neueres Phänomen. Stürzenberger und seine Gefolgsleute – der Verfassungsschutz spricht von einem harten Kern von um die fünf aktive Anhänger – geben sich nicht als Rechtsradikale und auch nicht als tumbe Neonazis. Der PI-Blog vermittelt den Anschein, als seien die Betreiber pro USA und pro Israel eingestellt. Tatsächlich geht es ihnen aber vor allem um Islam-Hetze. Da wird berichtet, dass in Avignon angeblich Muslime einen katholischen Priester bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt haben und der FC Bayern München plane, extra für den muslimischen Kicker Franck Ribéry eine Moschee zu errichten. Wer ins Fadenkreuz von PI gerät, wird übelst angepöbelt. Die Macher der Seite aber halten sich in der Anonymität versteckt, es gibt keine Namen, keine Adresse, keine Telefonnummer.

Amtsgericht München, Ortstermin mit Michael Stürzenberger. Während im selben Gebäude, dem Justizzentrum, und zur selben Zeit gegen die mutmaßlichen NSU-Terroristen verhandelt wird, ist Stürzenberger in einem sehr kleinen Verhandlungssaal angeklagt. Seine Gruppe hatte ein Plakat mit dem Bild der NS-Größe Heinrich Himmler an einem Infostand aufgestellt. Mit einem Himmler-Zitat: „Der Islam ist unserer Weltanschauung sehr ähnlich.“ Dies sei, so der Vorwurf, die Zurschaustellung verfassungsfeindlicher Organisationen. Am Ende wird er freigesprochen, weil die Polizei das Plakat nach wenigen Sekunden einkassiert hatte.

Zu beobachten ist ein selbstbewusster Mann. Einst war Stürzenberger in der CSU und Sprecher der damaligen Münchner Bezirksvorsitzenden Monika Hohlmeier, Tochter von Franz Josef Strauß. Der Politikwissenschaftler ist groß, trägt Jackett und dunkle Jeans. Randlose Brille, perfekter Scheitel. Mit dem Amtsrichter geht er zuvorkommend um. Auf der beanstandeten Demo sei es „gegen Extremismus“ gegangen, behauptet er. Vier Polizisten sichern den Gerichtsraum, Ausschreitungen von Befürwortern oder Gegnern werden für möglich gehalten.

Seine Leute nennen sich „Bürgerbewegung“ gegen das geplante Islam-Zentrum „Ziem“. Dort könnte einmal der europäische Islam eine Heimat bekommen. Es gäbe eine Moschee, muslimische Geistliche würden in deutscher Sprache ausgebildet. Außerdem sind ein Gemeindezentrum und viele kulturelle Veranstaltungen geplant. Wo in München dieses Zentrum einmal stehen soll, ist offen.

Stürzenberger sagt vor Gericht: „Der Islam ist eine Monokultur.“ Er spricht von einer „Inflation von Muslimen“. Im Agitationsmaterial der Gruppe werden massenhaft schwarz verhüllte Frauen gezeigt oder Menschen mit hassverzerrten Gesichtern, die so aussehen, als würden sie Stürzenberger gleich verprügeln. Das begründet nach Angaben eines Sprechers des Verfassungsschutzes die Überwachung: „Die massivste islamfeindliche Hetze geht deutlich über das hinaus, was unsere Verfassung deckt.“ Als Beleg liefert der Sprecher einige Stürzenberger-Zitate: „Der Islam ist gleich Terrorismus.“ Oder: „Al Qaida will eine Zentrale am Stachus bauen.“ Der Verfassungsschutz sieht in München eine „besondere Situation Stürzenberger“: An anderen Orten sei das Problem deutlich geringer – „weil es dort keinen Agitator gibt“.