Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Rechtsrock für „Wolle“

 

Am Samstag sind rund 160 Neonazis in das thüringische Kahla gekommen, um sich bei Rechtsrock und Hetzreden mit ihrem Kameraden Ralf Wohlleben zu solidarisieren. Rund 550 Menschen protestierten gegen die Veranstaltung. Am Rande vergab Sozialministerin Heike Taubert den Thüringer Demokratiepreis unter anderem an Lothar König.

Mit freundlicher Genehmigung von publikative.org

Bereits zum 12. Mal feierte die extrem rechte Szene ihren „Thüringentag der nationalen Jugend“. Eine der „traditionsreichsten“ Veranstaltungen „junger volkstreuer Menschen auf deutschem Boden“, wie es im Aufruf heißt. Jedes Jahr wird das Rechtsrock-Openair in einer anderen Stadt und Region ausgetragen. Dieses Jahr stand die extrem rechte Veranstaltung unter dem Motto der „Presselügen und der Meinungsdiktatur“ und fand in der Kleinstadt Kahla bei Jena statt. Doch wirklich viele „volkstreue Menschen“ verschlug es nicht ins Saaletal. Gerade 160 Neonazis fanden den Weg auf den staubigen Veranstaltungsplatz direkt an der Saale. Dies ist ein Tiefpunkt für die Organisatoren des Events. Waren es 2011 noch rund 900 Neonazis, so kamen bereits 2012 nur rund noch 260 zusammen. Mit den weiter einbrechenden Zahlen fällt die Veranstaltung weiter in den Bereich der Bedeutungslosigkeit und dürfte selbst von extrem rechter Seite kaum als Erfolg zu verkaufen sein.

Die Ausrichtung der Veranstaltung war mehr als deutlich: Solidarität mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben. Zahlreiche Neonazis trugen die in der Szene populären Unterstützer-T-Shirts mit der Aufschrift „Freiheit für Wolle“. Auch das große Banner des „Thüringer Heimatschutzes“ prangte wie ein Bekenntnis zu den inhaftierten Neonazis in der Mitte des Veranstaltungsgeländes. So verwunderte es kaum, dass die beiden ersten Redner immer wieder Bezug auf den in Haft befindlichen Wohlleben nahmen; die distanzierende Haltung der NPD zum ehemaligen Parteifunktionär kritiserten die Neonazis scharf. Bei den zahlreichen anwesenden NPD-Funktionären dürfte die Nachricht mehr als deutlich angekommen sein. Im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl sollte die NPD ohnehin um ein gutes Verhältnis zu den neonazistischen „Freien Kräften“ bemüht sein – Plakate hängen sich schließlich nicht von allein.

Das abgesperrte Neonazi-Areal auf dem Staubplatz, Foto: Publikative.org

Nach der Ingewahrsamnahme trat Martin Wiese als Redner auf. Das Shirt gewechselt: Von Hitler zu Wohlleben, Foto: Publikative.org.

Bereits bei der Anreise wurde ein Journalist von einem Neonazi massiv bedroht und geschubst. Und auch im weiteren Verlauf kam es erneut zu Angriffen und Beleidigungen. Als ein Neonazi eine Journalistin schubste, wurde dieser von einem anwesenden Zivilpolizisten aufgefordert, dies zu unterlassen. Da der Rechtsextreme den Beamten ebenfalls für einen Journalisten hielt, griff er diesen an. Nach kurzem Gerangel gab sich der Beamte zu erkennen, was wohl zu einer unerfreulichen Überraschung bei dem Neonazi führte. Auch der als Redner angereiste Rechtsterrorist Martin Wiese wurde vorrübergehend in Gewahrsam genommen. Wiese trug ein T-Shirt, auf welchem zu lesen war: „Heute schon an Hitler gedacht?“. Nach kurzem Gewahrsam und einer Anzeige konnte Wiese dann doch als Redner das anwesende Publikum mit „Heil Kameraden“ begrüßen und seine kruden rassistischen Vorstellungen verbreiten.

Insgesamt wollte aber nicht so richtig Stimmung beim braunen Spektakel aufkommen, und auch die recht frühe Abreise vieler Neonazis schien nicht allein mit dem alkoholfreien Bier zu tun gehabt zu haben.

„Weil ihr seit Jahren den Arsch hinhaltet“

Gegenkundgebung. Mittendrin: JG-Stadtmitte, Foto: Publikative.org.

Bereits vor dem Beginn der Rechtsrock-Veranstaltung versuchten Gegendemonstranten die Zufahrtswege mit Blockaden zu schließen. Insgesamt kamen rund 550 Menschen zu den verschiedenen Veranstaltungen, die eine klare Botschaft hatten: Neonazis sind hier nicht willkommen. Auch die JG-Stadtmitte war mit ihrem „Lauti“ bei den Protesten vertreten. Bereits in der Nacht zuvor waren zwei Reifen des Busses zerstochen wurden. In einer Erklärung der JG heißt es: „Dieser Versuch zeigt erneut, dass die Thüringer Neonaziszene nicht nur in der Solidarisierung mit dem NSU aktiv ist, sondern auch nicht vor Übergriffen zur Verhinderung antifaschistischen Protest zurückschreckt.“ Doch die Reifen konnten schnell ersetzt werden und wurden durch Spenden auch finanziell getragen.

Am Rande der Gegenveranstaltungen verlieh die Thüringer Sozialministerin Heike Taubert zum ersten Mal den Thüringer Demokratiepreis, der vor allem eine Anerkennung sein soll für Menschen, die sich für Demokratie und gegen rechtsextreme Ideologien einsetzen. Man verleihe den Preis eben auch an Menschen, die „seit Jahren ihren Arsch hinhalten“, sagte der Pressesprecher des Ministeriums. Insgesamt wurden vier Preise vergeben. Die beiden Anerkennungspreise gingen an das „Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach“ und an den sichtlich gerührten Uwe Adler, der sich seit Jahren in und um Weimar gegen Rechtsextremismus engagiert. Den zweiten Preis bekam die „Schülerinitiative Weimar“, die sich vor allem in der Gedenkstätte Buchenwald einbringt. Die Laudatio hielt dann auch der Leiter der Pädagogischen Abteilung der Gedenkstätte Buchenwald, Daniel Gaede.

Heike Taubert übergibt Lothar König die Auszeichnung: Der Pfarrer wirkt skeptisch. Angekommen im Mainstream?, Foto: Publikative.org.

Mit dem Hauptpreis wurde der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König für sein jahrelanges Engagement ausgezeichnet – ein Stück weit auch für sein Lebenswerk, wie Ministerin Taubert in ihrer Laudatio sagte. Doch so ganz geheuer schien König der Preis nicht zu sein. So seien die Worte von Heike Taubert schon „ganz ok“, aber er frage sich auch, was er falsch gemacht habe, denn eben solche Preise kommen eben erst dann, wenn man irgendwie „mehrheitsfähig“ sei. Der Jugendpfarrer forderte weiterhin engagierten Protest gegen Rechtsextremismus. König offenbarte allerdings auch, dass er zwar erwartet habe, dass der Prozess gegen ihn, welcher derzeit in Dresden läuft, hart werde, dass er aber nicht geahnt hätte, wie stark der an die Substanz gehe. Er wolle die Richter und Staatsanwälte nicht als Feinde sehen sondern diese am Grundgesetz festmachen, so König weiter. Er widmete den Preis auch all jenen, die beim Kampf gegen Rechtsextremismus auf der Strecke geblieben sind.