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Der steinige Weg nach München

 

Flüchtlingsprotest
Unterstützer kritisieren „unverhältnismäßige Repressionen“ beim Flüchtlingsmarsch nach München © Johannes Hartl, Symbolbild von einer anderen Protestaktion

Mit zwei Protestmärschen von Würzburg und Bayreuth aus wollen Flüchtlinge in diesen Tagen nach München ziehen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Doch der Marsch verläuft beschwerlich: Immer wieder werden die Teilnehmer von der Polizei gestoppt.

Die Lebensumstände für Flüchtlinge in Bayern sind katastrophal: Die Residenzpflicht und der Lagerzwang zählen zum Alltag, vielerorts müssen Flüchtlinge weiterhin auf Essenspakete zurückgreifen. Trotz minimaler Änderungen in der Asylpraxis durch die Staatsregierung hat sich am Umgang mit Asylsuchenden im Freistaat nicht grundlegend etwas geändert. Initiativen wie der „Bayerische Flüchtlingsrat“ kritisieren die Korrekturen, wonach der Passus zur „Förderung der Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr ins Heimatland“ gestrichen sowie die Entscheidung über die Versorgung mit Essenspaketen den jeweiligen Bezirksregierungen überlassen wurde, als eine „Farce“. Alexander Thal vom Flüchtlingsrat fordert vielmehr eine „grundlegende Kurskorrektur“ in der Asylpolitik und sieht in den aktuellen Änderungen eine „Symbolpolitik“.

Das sehen auch die protestierenden Flüchtlinge so, die aktuell mit einem Protestmarsch in zwei Gruppen von Würzburg (Route A) und Bayreuth (Route B) aus in die Landeshauptstadt ziehen. Mit ihrem Marsch demonstrierten sie gegen unmenschliche Lebensbedingungen, Abschiebungen und Lebensmittelpakete. Zudem fordern sie die Erlaubnis zum Arbeiten oder Studieren sowie die Bewilligung ihrer Asylanträge. Doch während der ebenfalls in Bayern gestartete Protestmarsch nach Berlin vor einem Jahr noch relativ problemlos durchgeführt werden konnte, stoßen die staatenlosen Flüchtlinge jetzt bei ihrer Tour auf erhebliche Probleme.

Widerstand von der Staatsmacht

Bereits kurz nach dem Start in Würzburg und Bayreuth hat die Polizei beide Protestzüge stoppen lassen. Die Staatsmacht wollte diesmal offenbar bereits von Anfang an auf einen harten Kurs setzen. Der Protestzug von Würzburg aus wurde 15 Minuten nach Beginn festgesetzt. Zunächst folgten Ausweiskontrollen, später wurden die Protestierenden eingekesselt. Nach einer Stunde soll die Polizei erste Teilnehmer festgenommen haben, kurz vor 20 Uhr waren 9 Personen vorübergehend in Gewahrsam. Unterdessen war auch der Protestzug von Bayreuth aus von Einsatzkräften gestoppt worden, Ausweiskontrollen und eine kurzzeitige in Gewahrsamnahme mit anschließender Freilassung folgte. Bei beiden Routen berichten die Flüchtlinge zudem von Einschüchterungen durch die Polizei. So sollen auf Druck der Polizei bei Route B 4 Personen in ihre Lager zurückgekehrt sein; anderen soll mit Gefängnis gedroht worden sein, sollten sie sich weiter an der Demonstration beteiligen.

Als der Protestmarsch auf der Route B am Mittwochvormittag, 11 Uhr, wieder starten wollte, soll es zu erneuten Problemen gekommen sein: Zivilpolizisten sollen bei Fortsetzung mit Kontrollen gedroht haben, heißt es in einer Erklärung der Protestierenden. Nachdem die Flüchtlinge trotzdem hätten weiter ziehen wollen, soll die Bereitschaftspolizei den Protestzug eingekesselt haben, Foto- und Videoteams der Flüchtlinge wurden angeblich behindert, eine Unterstützerin verhaftet. Insgesamt hat die Polizei bei Route B sieben Staatenlose zur Polizei-Station gebracht und dort in Gewahrsam genommen. Erst gegen 12.30 Uhr konnte sich der Protestzug – ohne die Inhaftieren – wieder in Bewegung setzen.

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken sagte dem Bayreuther „Nordbayerischen Kurier“, dass sieben Flüchtlinge wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht festgenommen worden seien. Schon einen Tag zuvor habe die Polizei die Flüchtlinge aufgefordert, wieder in ihre Lager zurückzukehren, erklärte Alexander Czech. Weil sie aber bei der ersten Station auf Route B in Creußen wieder angetroffen wurden, seien die Ingewahrsamnahme erfolgt. „Wir sind als Polizei verpflichtet, das zu überprüfen, wir können da nicht wegsehen“, wird der Sprecher der Polizei in der Online-Ausgabe des „Nordbayerischen Kuriert“ zitiert. Zwei weitere vorübergehende Festnahmen hat es dem „Evangelischem Pressedienst“ (epd) zufolge außerdem auf Route A gegeben. Die Flüchtlinge sollen dort angewiesen worden sein, in die ihnen zugewiesenen Bezirke zurückzukehren, heißt es in der Meldung des epd.

Kritik an „unverhältnismäßiger Repression“

Unterstützer der Flüchtlinge wie die oberfränkische Grünen-Landtagsabgeordnete Ulrike Gote kritisieren unterdessen den Einsatz der Polizei als „unverhältnismäßige Repression“. Die Flüchtlinge befürchten zudem, dass sie davon abgehalten werden sollen, ihren Protest „mit friedlichen Mitteln in die Öffentlichkeit zu tragen“. Hinter vorgehaltener Hand wird ferner vermutet, dass die CSU-geführte Staatsregierung durch den Protest einen Imageschaden fürchten könnten. Nachdem Flüchtlinge im Juni am Münchner Rindermarkt ein Camp erreichtet haben und in den Hunger- und Durststreik getreten sind, war die Staatsregierung wegen ihres Umgangs mit Schutzsuchenden Menschen nämlich massiv in den Fokus der öffentlichen Kritik geraten. Dass der Protestmarsch, der ausgerechnet zwei Wochen vor der bevorstehenden Landtagswahl in der Landeshauptstadt München eintreffen soll, nun mit derartigen Repressionen überzogen wird, halten viele deshalb für keinen Zufall.

Der Protestmarsch ist nicht die erste Aktion, mit der Flüchtlinge gegen die Behandlungen in Bayern demonstrieren. Im vergangenen Jahr haben Flüchtlinge in Würzburg ein Camp errichtet, sind in den Hungerstreik getreten, haben sich aus Protest die Lippen zugenäht – und sind später – zusammen mit den Flüchtlingen in den inzwischen entstandenen, anderen Camps – mit einem großen, vielbeachteten Marsch von Würzburg aus nach Berlin gezogen. Eine weitere Protestaktion aus der Verzweiflung heraus war außerdem der Hunger- und Durststreik in München, der am Ende von Einsatzkräften der Polizei gewaltsam beendet worden ist.

Weitere Stationen der Tour

Der aktuelle Protestmarsch ist somit die dritte größere Aktion im Freistaat. Der Protestmarsch auf Route A macht noch in Neustadt an der Aisch (22.08), in Cadolzburg (23.08), in Nürnberg (24.08), Roth (25.08), Weißenburg (26.08), Monheim (27.08), Donauwörth (28.08), Meitingen (29.08), Augsburg (30.08), Egenhofen (31.08), Dachau (01.09) und Feldmoching (02.09) Station, ehe er schließlich am 3. September in München ankommt. Die Route B führt die Flüchtlinge zudem in die Orte Sulzbach-Rosenberg (22.08), Amberg (23.08), Schmidmühlen (24.08), Teublitz (25.08), Regensburg (26.08), Schierling (27.08), Ergoldsbach (28.08), Landshut (29.08), Moosburg (30.08), Freising (31.08), Neufahrn (01.09) und Feldmoching, bevor die Tour ebenfalls am 3. September in München ihr Ende findet.