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NPD-Minikundgebungen: „Missbrauch des Versammlungsrechts“

 

Ein gewohntes Bild: NPD-Minikundgebung in Trier © Max Bassin
Ein gewohntes Bild: NPD-Minikundgebung in Trier © Max Bassin

Seit NPD-Mann Safet Babic im September 2011 aus dem Trierer Stadtrat ausgeschlossen wurde, meldet er beinahe jeden Monat Minikundgebungen mit bis zu 20 Teilnehmern an. Stadtverwaltung und Nazigegner sehen sich somit regelmäßig mit extrem rechten Versammlungen konfrontiert. Letztere üben nun Kritik am Verhalten des Ordnungsamtes.

Von Fabian Boist und Max Bassin

Die Trierer NPD meldet Versammlungen oft über eine lange Zeitspanne hinweg an. Versammlungsleiter und Kundgebungsteilnehmer erscheinen teilweise jedoch erst mit einstündiger Verspätung. Das öffentliche Leben wird durch frühzeitige Polizeiabsperrungen und der Präsenz von Gegendemonstranten schon vor Beginn der NPD-Versammlungen beeinträchtigt. Im Ordnungsamt möchte man die Einschränkungen für die Bevölkerung minimieren, man verweist aber auch darauf, an die Gesetze gebunden zu sein. Deren Einhaltung lässt Safet Babic regelmäßig von Gerichten überprüfen. „In diesem Spannungsverhältnis stößt die öffentliche Verwaltung mit ihrem Handeln vielfach nicht auf Zustimmung“, sagt der Chef des Presseamtes der Stadt Trier, Hans-Günther Lanfer, auf Anfrage des Störungsmelders.

Manchmal meldet NPD-Chef Babic sogar mehrere Kundgebungen im ganzen Stadtgebiet an, führt jedoch nur an wenigen Orten tatsächlich Versammlungen durch. Selbst die Polizei tappte bereits an solchen Aktionstagen über den Ablauf der Kundgebungen im Dunkeln. Ein unter anderem von SPD, Grünen, Linkspartei, DKP, Piratenpartei und DGB, antirassistischen und antifaschistischen Initiativen sowie Einzelpersonen unterschriebener Offenen Brief, der dem Störungsmelder vorliegt, kritisiert nun genau diesen „Missbrauch des Versammlungsrechts“ durch die NPD und regt beschränkende Versammlungsauflagen an. „Nach der geltenden Rechtslage gehen wir davon aus, dass eine solche Auflage, falls überhaupt, nur sehr eingeschränkt möglich ist“, sagt dagegen Lanfer.

Für Unmut sorgt bei den Nazigegnern auch ein anderer Punkt. In ihrem Offenen Brief fragen die Unterzeichner, wieso die Polizei nicht während einer NPD-Kundgebung am 1. Februar 2014 einschritt, als NPD-Anhänger bei einer Minikundgebung mit Fackeln vor einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in der Dasbachstraße demonstrierten. Zur Gefahrenabwehr, so heißt es im Brief, hätte die Polizei ein Löschen der Fackeln verfügen können. Die Polizei teilte auf Anfrage des Störungsmelders mit, sie habe das Löschen der Fackeln zwar geprüft, jedoch keine Möglichkeit zum Handeln gesehen, zumal das städtische Ordnungsamt als zuständige Behörde die Nutzung von Fackeln in der Anmeldebestätigung zuvor nicht untersagt hatte. Presseamtschef Lanfer erklärt dazu: „Im Nachhinein räumen wir ein, dass wir angesichts der Gesamtumstände in der Dasbachstraße mit der räumlichen Nähe zur AfA ein Verbot hätten in Erwägung ziehen sollen“.

In ihrer Verbotspolitik hat die Stadt auch an anderer Stelle Verbesserungsbedarf, wie ein Blick auf NPD-Kundgebungen zeigt, die Babic seit 2011 jeweils für den 9. November anmeldet. Ebenso lange verbietet das Ordnungsamt die NPD-Versammlungen wegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Vielleicht aber auch um einen Gesichtsverlust zu umgehen. Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) begeht den Gedenktag an das Novemberpogrom der Nationalsozialisten regelmäßig gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde. Denn ebenfalls seit 2011 kassieren Gerichte die Verbotsverfügungen der Stadt. Aufgabe des Ordnungsamtes, so hätte man eine Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz bereits 2011 interpretieren können, müsste es daher sein, das verfolgte Ziel und andere Modalitäten der NPD-Kundgebung bei künftigen Verbotsverfügungen stärker zu berücksichtigen. Doch auch 2012 führte die Stadt in ihrer Verbotsverfügung keine neuen Argumente an. 2013 verzichtete Ordnungsdezernent Thomas Egger sogar ganz darauf, neue Verbotsgründe zu formulieren und übernahm die Begründung vom Vorjahr – wörtlich. Das Verwaltungsgericht hob auch diese Verbotsverfügung wieder auf – nur noch reine Formsache.

Pünktlich zur Kommunalwahl im Mai hat die NPD Trier bereits eine „Kampagne gegen Asylmißbrauch“ angekündigt. Die Versammlungsbehörde ist dann gefragt, mit der erforderlichen Spitzfindigkeit klug auf die Provokationen der NPD zu reagieren. Die Unterzeichner des Briefes täten ihrerseits gut daran, der Versammlungsbehörde überzeugende und realistische Handlungsoptionen vorzuschlagen.