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NPD-Bayerntag in Scheinfeld: „Sieg Heil“ und ein abgesagtes Konzert

 

Das Motto am Samstag war klar: "Scheinfeld ist kein Ort für Nazis". ©Timo Müller
Das Motto am Samstag war klar: „Scheinfeld ist kein Ort für Nazis“. © Jonas Miller

Die NPD Bayern traf sich am vergangenen Samstag zum sogenannten „Bayerntag“ in der 4500-Einwohnerstadt Scheinfeld Scheinfeld (Mittelfranken). An der Gegendemonstration beteiligten sich rund 2000 Menschen aller politischen Spektren. Ein, für den Abend geplantes, Rechtsrockkonzert wurde von den Behörden unterbunden. Auf Seiten der NPD-Veranstaltung wurden mehrere verbotene Symbole und Zeichen gezeigt, am Abend kam es zudem zu Übergriffen auf Polizeibeamte.

2000 Menschen bei Demonstration gegen Rechts

Es sollte das „radikalste Konzert des Jahres werden“. Die Nazibands „Nahkampf“, „Sturmwehr“, „Terrorsphära“, „Terroritorium“ und „Words of anger“ waren eingeplant. Als Organisator für das Konzert fungierte Patrick Schröder, NPD-Funktionär und umtriebiger Neonazi. Zuvor jedoch sollte noch der „Bayerntag“ der NPD stattfinden, für junge Rechtsrockfans eine eher langweilige Veranstaltung mit Kinderhüpfburg und Reden. Als Veranstaltungsort wählten die Rechten die ehemalige Discothek „Nachtwelt“ am Ortsrand Scheinfelds. Deren Pächter Phillip S., hatte schon im Vorjahr die heruntergekommene Halle an die NPD vermietet, damals kamen rund tausend Rechtsrockfans zum konspirativ beworbenen Konzert. In diesem Jahr war der Andrang wesentlich geringer, was auch dem begrenzten Kartenkontingent von 400 Tickets geschuldet war. In Scheinfeld wurde schon vor Monaten damit begonnen, den Widerstand zu organisieren. Eine große  Demonstration gegen Rechts und mehrere Aktionen wurden vorbereitet. Etliche Gruppierungen von der SPD, über die CSU zu den Gewerkschaften bis hin zu den Autonomen, riefen zur Gegendemonstration auf.

Protestzug durch Scheinfeld ©TM
Protestzug durch Scheinfeld © Jonas Miller

Am Samstag schlossen sich rund 2000 Menschen diesen Aufrufen an und demonstrierten lautstark gegen die NPD. Im Vorfeld kam es allerdings zu einer mehrstündigen Buskontrolle von angereisten Gegendemonstranten aus Nürnberg. Eine Betroffene berichtete von schikanösen Kontrollen des bayerischen Unterstützungskommandos (USK) der Polizei. Die Polizei rechtfertigte das Vorgehen mit der „Gefahrenabwehr“ und „Beleidigungen“. Einen wahren Fauxpas leistete sich allerdings eine Hundertschaft aus Dachau: Diese beschlagnahmten ein Transparent des Bündnisses „Kunterbunt“, auf dem „Scheiße ist braun“ gedruckt ist. Der Vorwurf der Beamten, das Transparent würde „Rechts beleidigen“. Bürger aus Scheinfeld installierten auf einem Feld 184 weiße Kreuze. Jedes einzelne trug den Namen eines Opfers durch rechte Gewalt in Deutschland. Auf dem danebenstehenden Schild stand: “ Durch diese Kreuze möchten wir der vielen Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt in Deutschland gedenken.“ Jeder Neonazi musste daran vorbeilaufen, um zur Diskothek zu gelangen.

SS-Totenkopf, Sig-Rune und „Weiße Wölfe Terrorcrew“

Aufseiten der NPD-Kundgebung konnten die Neonazis allerdings sämtliche verbotenen Symbole präsentieren. Ein Teilnehmer hatte ein T-Shirt mit einem Reichsadler und einem SS-Totenkopf an. Auch das, im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, verbotene Keltenkreuz wurde als Gürtelschnalle stolz präsentiert. Ein junger Neonazi hat sich die verbotene Sig-Rune auf den Unterschenkel tätowiert. Zwei Männer trugen T-Shirts mit dem Aufdruck „Weiße Wölfe Terrorcrew“. Gegen diese militante Neonazikameradschaft laufen etliche Ermittlungsverfahren, die Bundesanwaltschaft ermittelt sogar wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ gegen einzelne Mitglieder. Obwohl die Polizei, laut einer Pressemeldung rund 50 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erstattete, konnten die Neonazis ihre verbotenen Symbole immer wieder offen zur Schau stellen.

Zum Bayerntag der NPD reisten rund 400 Rechte vor allem aus Bayern und Thüringen an. Allerdings waren auch Anhänger aus der Schweiz, der Tschechischen Republik und der Slowakei bei der Veranstaltung zugegen. Als Redner sollten Karl Richter (NPD-Landesvorsitzender, München), Sascha Roßmüller (stv. Landesvorsitzender, Rain), Ralf Ollert (Stadtrat „Bürgerinitiative Ausländerstopp“, Nürnberg) und Patrick Schröder (NPD-Landesvorstandsmitglied, Mantel), auftreten. Für das musikalische Rahmenprogramm wurde mit „Liedermacher Axel“ und dem ehemaligen „Die Freiheit“-Sympathisanten Burghard B., alias „Burgos von Buchonia“, geworben. Aus dem aktiven Neonazikreis waren einige Aktivisten der „Jungen Nationaldemokraten Franken/Oberpfalz“ (JN) anwesend: Alexander P. (Nürnberg), Katharina F. (Nürnberg) und Lukas W. (Uehlfeld). Für die Organisation waren u.a. auch Axel Michaelis (NPD-Landesgeschäftsführer, Wachenroth), Sascha Roßmüller, Heidrich Klenhardt (NPD-Vorsitzender Amberg), Daniel F. (Neonaziradiosendung FSN-TV) und Sven Diem (NPD, JN-Leiter Franken/Oberpfalz, Nürnberg) verantwortlich.

„Sieg Heil“ und Mitglieder der Band „Kategorie C“

Mitglieder der Band "Kategorie C" in der Kontrolle ©TM
Mitglieder der Band „Kategorie C“ in der Kontrolle © Jonas Miller

Die meisten Besucher dürften allerdings eher wegen des Rechtsrockkonzerts gekommen sein, so sind der Großteil der Besucher noch nie als NPD-Aktivisten aufgefallen. Jedoch untersagten die Behörden schon am Freitagabend das Konzert. Schröder klagte gegen den Bescheid und verlor erstinstanzlich. Um kurz vor 16 Uhr schrieb er: „Wir raten allen ab sofort von einer Anreise ab, außer man will zwingend das Bunte Scheinfeld sehen“.

Laut einem Artikel der Nürnberger Nachrichten, waren auch Mitglieder der Band rechten Hooliganband „Kategorie C“ vor Ort, deren Frontman Hannes O. gleichzeitig der Sänger der Neonaziband „Nahkampf“ ist. Allerdings konnten sie ihren Auftritt nicht durchführen, die Polizei gestatte es allen angereisten Bands nicht, das Equipment in die Diskothek zu bringen.
Dieses Vorgehen und der ständige Lärm der anwesenden Gegendemonstranten, sorgte auch bei den Neonazis für Unmut. Hinter dem, mit einem großflächigen Sichtschutz versehenen, Veranstaltungsgelände wurden zu später Stunde immer mehr Parolen gebrüllt. Die üblichen Gesänge „Frei sozial und national“, „Hier marschiert der nationale Widerstand“ und „Nationaler Sozialismus – jetzt!“, waren zu hören. Mehrmals grölten einige Rechte auch „Sieg Heil“. Auch das Lied „Rudolf Hess“, der verbotenen Neonaziband „Landser“ wurde abgespielt. Zu späterer Stunde wurden aus dem Bereich der Neonazis mit Wasser gefüllte Luftballons auf Gegendemonstranten geworfen, woraufhin zwei Antifaschisten über die Absperrgitter stiegen und unsanft von Polizisten zu Boden gebracht wurden. Auch von Seiten der Gegendemonstranten flogen immer wieder Eier und, in Plastiktütchen gefüllte, Lebensmittelfarbe auf das Gelände der Neonazis.

Besucher beim NPD-Bayerntag ©TM
Besucher beim NPD-Bayerntag © Miller

Auf beiden Seiten kam es deshalb zu Festnahmen. Für Claus Seifert, den Bürgermeister der Stadt Scheinfeld war es dennoch ein gelungener Tag: „Ich bin stolz auf meine Gemeinde und die große Solidarität“, sagte er gegenüber dem Störungsmelder. Auch die Polizei spricht von einem „erfolgreichen Tag“. Allerdings provozierten die Neonazis, im Zuge der Abwanderung, mehrere Gegendemonstranten und Polizisten. Dabei sollen Beamte am Kopf und an der Hand verletzt worden sein, zwei Polizisten waren daraufhin dienstunfähig.
Ob es in der nächsten Zeit wieder ein Konzert oder weitere extrem rechte Treffen in Scheinfeld geben wird, ist unklar. Aus Kreisen der Neonazis war zu vernehmen „Es steht nun 1:1“. Sie spielen damit auf das erste rechte Konzert in Scheinfeld an, welches von den Behörden nicht öffentlich gemacht wurde und mit rund tausend Rechtsrockfans ungestört stattfinden konnte. „Die Drohung von Patrick Schröder steht im Raum, es erneut zu versuchen“, sagte Claus Seifert, allerdings sind die Bürger der Stadt „gewappnet“. Die Stimmen am Tag zum Geschehen waren eindeutig: „Es war ein großer Erfolg“.

 

Der Artikel wurde am 26. Mai um 11.04 Uhr aktualisiert.