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Was tun gegen Nazis?

 

Podiumsdiskussion Bückeburg, 20. Juni 2014

In Bückeburg (Landkreis Schaumburg) diskutierten am Freitag, den 20. Juni, rund 250 Teilnehmer, wie weit zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts gehen darf oder muss. Neonazis versuchten die Veranstaltung zu stören.2011 machte die niedersächsische Kleinstadt Bückeburg bundesweit durch anhaltende Nazigewalt Schlagzeilen. Nun – mehr als drei Jahre später – hat die Projektgruppe „Zwangsarbeit“ e. V. zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die als Bestandsaufnahme der bisherigen Maßnahmen gegen Rechts verstanden werden kann. Das diese nur vorläufig sein kann, machen die jungen Männer deutlich, die vor dem Veranstaltungsort von der Polizei abgedrängt werden. Sie werden der lokalen Naziszene zugerechnet und wurden deshalb von der Veranstaltung ausgeschlossen.

Auf dem Podium beginnt zu diesem Zeitpunkt bereits die Diskussion mit Reiner Brombach, Bürgermeister Bückeburg, Inga Woltmann, didaktische Leiterin an der Oberschule Bückeburg sowie Paula und Justus als Vertreter der Antifa und zuletzt auch Nils Schuhmacher, Politologe und Kriminologe von der Hochschule Esslingen.
Ein erster Einspieler zeigt Graffitis und Sprühereien in Bückeburg. Es sind linke und rechte Parolen, die hier zu sehen sind. Dies soll verdeutlichen, dass es einen Konflikt in der Stadt gibt, in den Jugendliche involviert sind und der teilweise mit Gewalt ausgetragen werde. Dafür müsse eine Lösung gefunden werden und die Stadt sei auf dem richtigen Weg, meint Bürgermeister Brombach und verweist auf die Arbeit des von der Stadt mitinitiierten „Bündnis für Familie“. Auch der Vertreter der Polizei Bückeburg sieht das Problem in erster Linie als Spirale der Gewalt bei der sich verschiedene Lager gegenseitig hochschaukeln würden. Auf der anderen Seite wolle man von einem „Klima der Angst“ auch bei Umfragen unter Anwohnern nichts mitbekommen haben. Jugendliche und Eltern beschreiben zahlreiche Situationen, wo sie Angst verspürt haben, ob bei Einschüchterungsversuchen mit Waffen, Steinwürfe durch Fensterscheiben und direkten Angriffen.

Der Landkreis Schaumburg als Brennpunkt rechter Aktionen

In der Diskussion wird der Beginn der Auseinandersetzung um das Jahr 2010 als Beginn des Koflikts ausgemacht. Das belegt auch die Sammlung von Übergriffen durch Neonazis seit August 2010 von der örtlichen IG Metall. Doch die Anfänge liegen weit davor, dies stellen glaubhaft Diskussionsteilnehmer wie Fritz Winkelhake dar, der als Antifaschist seit 50 Jahren die Ereignisse im Landkreis im Auge behält. Auch Vertreter des vor 30 Jahren gegründeten und mittlerweile aufgelösten Bündnis gegen Rechts in Schaumburg kennen die gleichen Probleme wie die Antifaschisten der aktuellen Generation: Das Gefühl alleine da zu stehen und im Ernstfall nicht nur Neonazis, sondern auch die politischen Verantwortlichen sowie die Polizei gegen sich zu haben.

Auch die, Anfang 2002 in einem Interview, geäußerte Kritik von Antifaschisten könnte, auf heute bezogen, von Justus und Paula stammen: „Die subkulturellen Zentren in der Gegend sind geschlossen worden. (…), wo Subkultur nicht mehr soviel Bedeutung und wenig Unterstützung hatte. Viele Jugendzentren und Freiräume, auch autonome Freiräume, sind zugrunde gegangen.“ Auf die Forderung nach Räumen in denen Jugendarbeit gegen rechts organisiert werden könnte, verlangte die Stadt von den Jugendlichen eine entsprechende Konzeption. Auch dies wird aus dem Publikum eindeutig kommentiert: Nicht die Jugendlichen müssten ein Konzept vorlegen, sondern die städtische Jugendpflege müsste zusammen mit den Jugendlichen ein solches erarbeiten.

Extremismustheorie und neutraler Ort

Das Naziproblem in Bückeburg wird von den offiziellen Vertretern auf dem Podium allein auf die gewalttätigen Konflikte zu reduziert. Die politische Dimension wird zunächst entweder ausgeblendet oder als ein Beleg dafür gesehen, dass rechts und links ähnlich zu bewerten sein.. „So eine Sichtweise würden die Hintergründe rechte Gewalt entpolitisieren“, ereifert sich ein Mann im Publikum und auch Mitmoderator und freier Journalist Chris Humbs, gibt zu bedenken, dass Beweggründe für eine Tat vor Gericht eine Rolle spielen würden.

Mit unterschiedlichen Bewertungen rechter und linker Aktionen, kennen sich die Antifaschisten aus. Als Paula die Geschichte einer Schülerin schildert, die wegen eines antifaschistischen T-Shirt Motivs zum Umziehen nach Hause geschickt wurde, weil sich ein rechter Jugendlicher gestört fühlte, geht ein Raunen durch den Raum. Das an eben dieser Schule der Hinweis auf Kleidung der Marke „Thor Steinar“ nicht geahndet wird, da die Schule ein „neutraler Raum“ sei, führt zu offener Empörung im Publikum.

Polizei als politischer Akteur

Sanktioniert werden Aktionen gegen Rechts nicht nur durch T-Shirt Verbote an der Schule. Auch die das Agieren der Polizei in Stadt und Landkreis wird aufmerksam beobachtet. Mitte 2009 deckten Journalisten Verbindungen zwischen polizeilichem Staatsschutz und lokaler Naziszene auf. Das bleibt im Gedächtnis. Doch es gibt auch aktuelle Anlässe wie die Räumung der gewaltfreien Sitzblockade, die im August letzten Jahres den jährlichen Naziaufmarsch in Bad Nenndorf stoppte. Gegen einige Blockierer wird nun wegen Widerstand, Körperverletzung und Sachbeschädigung ermittelt. Jürgen Uebel vom Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ berichtet in diesem Zusammenhang von Bekannten, die „nichts mit der Antifa zu tun haben“ und „einigen, die nicht mal Linke sind“. Im obengenannten Interview erzählen Antifaschisten: „Die Polizei geht rigoros gegen Antifas und Leute, die sich wehren, vor. Also von dieser sogenannten Zivilcourage ist in Schaumburg nicht viel zu sehen.“ Damals wie heute sendet die Polizei ein eindeutiges Signal.

Moderator Schölermann spricht zum Ende aus, was viele im Raum denken, die Antifa hat heute Abend gewonnen. Die Versammlung ist beendet und Fragen bleiben offen. Doch zu wissen, dass man doch nicht ganz alleine mit dem Engagement gegen Rechts steht, ist gerade in ländlichen Gebieten sehr wichtig.