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Schlag gegen bayerische Neonazis

 

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Fundstücke der Razzia 2013, Foto: Johannes Hartl

Mit sofortiger Wirkung hat das bayerische Innenministerium das Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS) verbieten lassen. Es soll die „aggressiv-kämpferischen verfassungs-feindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ fortgeführt haben.

Von Johannes Hartl, zuerst veröffentlicht beim blick nach rechts

Ein ganzes Jahr nach einer groß angelegten Razzia hat Bayerns Innenministerium am Mittwoch das Ende 2008 beziehungsweise Anfang 2009 gegründete braune Netzwerk „Freies Netz Süd“ verbieten und auflösen lassen. Nach Ansicht des Ministeriums hat die größte bayerische Neonazi-Organisation die „aggressiv-kämpferischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen ‚Fränkischen Aktionsfront’ (FAF) an deren Stelle weiter verfolgt“. Der bis zu 200 aktive Personen starke Kameradschaftsdachverband wird damit – wie nach der Razzia angekündigt – als Nachfolger der FAF verboten.

Von dem Verbot sind außer der Dachstruktur auch die FNS-Immobilie in Oberprex 47 und der dort ansässige Szene-Versand „Final-Resistance“ betroffen. Zudem hat das Innenministerium das „Vermögen Dritter beschlagnahmt und eingezogen, mit dem die verfassungsfeindlichen Bestrebungen des FNS vorsätzlich gefördert wurden“, heißt es in einer ersten Erklärung. Demnach haben Einsatzkräfte der Polizei gemeinsam mit der Regierung von Oberfranken ab 6.00 Uhr das von FNS-Führungskader Tony Gentsch bewohnte Anwesen „durchsucht und gesichert“ und „zugunsten des Freistaates Bayern eingezogen“. Außerdem zogen sie alle Gegenstände ein, die dem neonazistischen „Final-Resistance-Versand“ zuzurechnen waren.

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Die eingezogene Immobilie in Oberprex, Foto: Johannes Hartl

Gleichzeitig musste die redaktionell nicht mehr betreute, bis zuletzt aber weiter abrufbare Website des FNS laut Bekanntmachung im Bundesanzeiger aufgrund des Vereinsverbots ebenso „unverzüglich eingestellt“ werden wie ausnahmslos alle Kontaktmöglichkeiten zum FNS. Auch dürfen fortan keine Propaganda-Materialien wie Flyer oder Banner mehr verwendet oder verbreitet werden, die einen Bezug oder nur eine Ähnlichkeit zum FNS aufweisen.

„Klare Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus“

Möglich wurde das Verbot durch eine bereits am 10. Juli vergangenen Jahres durchgeführte Razzia, bei der mehr als 700 Polizeibeamte 73 Wohnorte, Arbeitsstellen und Postfächer von Neonazis aus dem Umfeld des FNS durchsuchten. Dabei wurden „mehr als 16 000 Asservate und 130 Terabyte Daten“ gesammelt und für die Begründung eines Verbots ausgewertet. Nur dadurch habe man einen Einblick in die für ein Vereinsverbot notwendigen „interne hierarchische Organisation“ sowie in die vorliegenden „Konzeptpapiere und Programme“ bekommen können, die die „tief im Nationalsozialismus verwurzelte Ideologie und gewaltbereite Ausrichtung des ‚Freien Netz’ Süd’ und seiner Anhänger“ zeigen, so der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Ausschlaggebend für ein Verbot war – neben dem Nachfolgecharakter – letzten Endes insbesondere ein „klare Wesensverwandtschaft zum historischen Nationalsozialismus“.

Für die parteifreie Neonazi-Szene ist das Verbot mit all seinen Auswirkungen ein schwerer Schlag. Zwar konnten sich die Aktivisten des FNS in den letzten Monaten mit der Gründung diverser Stützpunkte der neuen Partei „Der III. Weg“ auf das Verbot vorbereiten. Durch die Beschlagnahmung sämtlicher Vermögenswerte und der Einziehung der wichtigsten Immobilie sowie des bedeutendsten Versands der Neonazis in Bayern dürfte das Vereinsverbot aber trotzdem erhebliche Auswirkungen für die braune Szene haben. Denn sie verliert immerhin nicht nur eine Einnahmequelle, sondern auch einen Treffpunkt, an dem sie sich bislang immer ungestört zu Veranstaltungen treffen konnte.

Von Anfang an große Ähnlichkeit mit der FAF

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Deutliche Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus, Foto: Johannes Hartl

Vor diesem Hintergrund bewertete CSU-Politiker Herrmann die Maßnahme als erfolgreich. „Mit dem Verbot treffen wir die Organisationsstrukturen der neonazistischen Szene in Bayern empfindlich“, sagte der Minister. Grundsätzlich gelobt wird die Maßnahme auch von dem SPD-Politiker Florian Ritter, der in der bayerischen SPD-Landtags-Fraktion Sprecher im Kampf gegen Rechtsradikalismus ist. Allerdings verweist er auf die lange zeitliche Dauer zwischen der Razzia und dem tatsächlichen Verbot. „Dass die Umsetzung erst jetzt erfolgt “, kritisiert Ritter, „ist absurd“. Denn so hätten „die Mitglieder der Organisation genügend Zeit“ gehabt, um „in aller Ruhe Ersatzstrukturen zu schaffen und sich auf das Verbot vorzubereiten“.

Das jetzt verbotene FNS wurde Ende 2008/Anfang 2009 als Reaktion auf einen Streit um den Kurs in der Bayern-NPD von ehemaligen Aktivisten der Partei gegründet, und entwickelte sich dann schnell zu einer der größten und einflussreichsten neonazistischen Aktionsplattformen Bayerns. Schon von Anfang an wies das FNS bei seinen Führungskadern große Ähnlichkeit mit der FAF auf, zuletzt wurden sogar ehemalige FAF-Banner in abgewandelter Form verwendet. Zu den öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des Kameradschaftsdachverbands zählten neben Propagandaaktionen auch jährlich stattfindende Demonstrationen und Konzerte. Aufgefallen ist das FNS aber vor allem mit seiner Militanz und seinem Aktivismus. Zudem war das Netzwerk für seine „Anti-Antifa“-Arbeit bekannt, bei der Demokratinnen und Demokraten regelmäßig fotografiert und später auf der FN-Website angeprangert und diffamiert wurden. Nicht selten folgten auf solche „Outings“ später auch körperliche Angriffe gegen die Betroffenen.

Definitiv rechtskräftig ist das Verbot jedoch noch nicht. Dass die Neonazi-Szene gegen die Maßnahme des Innenministeriums Klage einreicht, kann nicht ausgeschlossen werden. Für diesen Fall will Minister Herrmann ein Verbot aber „gerichtsverwertbar“ belegen können, sagte er am Mittwoch.