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Rechtsextremer Richter – Politiker fordern Überprüfung aller zurückliegenden Urteile

 

hassgesang - demo - hinten
Huldigung an Hitler – Covergestaltung eines Hassgesang-Albums

Offenbar hätte das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern doch wissen können, dass der extrem rechte Maik B. eine juristische Ausbildung hatte, als dieser nach Bayern zog. Oppositionspolitiker fordern nun die Überprüfung sämtlicher Urteile des Rechtsrock-Sängers und sind empört über die mangelhafte Recherche der Sicherheitsbehörde.

Update: Am Nachmittag wurde bekannt, dass Maik B. auf eigenen Wunsch aus dem Justizdienst entlassen wurde.

Von Felix M. Steiner und Johannes Hartl

Die Verfassungsschutzaffäre rund um den extrem rechten Richter Maik B. weitet sich aus. Der bayrische Innenminister Herrmann fordert nach den Aufdeckungen rund um die Einstellung des Neonazis die Wiedereinführung der Regelabfrage, also die Überprüfung jedes Mitarbeiters im öffentlichen Dienst bei der Einstellung. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern gab bisher an, dass die „sehr knappe Erkenntnismitteilung“ des Verfassungsschutzes aus Brandenburg, welche bereits Ende Februar übermittelt worden war, keine Information über B.´s berufliche Ausbildung enthielt. Recherchen von ZEIT ONLINE zeigen nun aber, dass die Informationen über die berufliche Qualifikation von B. offenbar vorlagen. Die Information, dass B. Jura studierte, fanden sich nicht in der Erkenntnismitteilung des Brandenburger Verfassungsschutzes, sehr wohl aber im „Nachrichtendienstlichen Informationssystem“ (NADIS) der Verfassungsschutzämter in Deutschland. Eine Recherche im verfassungsschutzinternen Informationssystem hätte anscheinend ausgereicht, um die berufliche Qualifikation B.´s zu erfahren. Auf Anfrage des ZEIT ONLINE-Störungsmelders erklärte das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern: „Zu den konkreten Inhalten des nachrichtendienstlichen Informationssystems im Verfassungsschutzverbund können wir uns aus Geheimschutzgründen nicht äußern“, so der zuständige Pressesprecher Markus Schäfert.

Referendariat in Berlin

Die Musik von Hassgesang ist ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus
Die Musik von Hassgesang ist ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus

Bevor B. seine Stelle als Amtsrichter antreten konnte, absolvierte er nach Informationen von ZEIT ONLINE sein Vorbereitungsjahr für die Stelle am Kammergericht Berlin. Dies bestätigt auch das Kammergericht: „Herr B. hat sein Referendariat beim Kammergericht absolviert und in Berlin sein 2. Staatsexamen abgelegt“, so die zuständige Pressestellsprecherin Anette Gabriel. Bei der Einstellung für das Referendariat kam es in Berlin nicht zu einer näheren Überprüfung. „Es erfolgt lediglich eine Prüfung, ob ein Straf- oder Ermittlungsverfahren anhängig ist, und ein polizeiliches Führungszeugnis gemäß § 30 Abs. 5 BZRG wird erfordert“, so Anette Gabriel. Außerdem verweist das Kammergericht darauf, dass „bei der Einstellung eines jeden Referendars das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG zu beachten ist. Das Referendariat ist Teil der Ausbildung zum Volljuristen“, so die Pressestelle weiter.

Die tiefen Verstrickungen von B. zeigten sich auch 2012, als der Musiker gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsanordnung im Zuge des Verbots der „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ vorging. Vertreten wurde B. damals vom extrem rechten Szeneanwalt Wolfram Nahrath. Nahrath war bis 1994 Vorsitzender der heute verbotenen Wiking-Jugend und ist bis heute ein beliebter Redner auf bundesweiten extrem rechten Veranstaltungen. Dass B. ausgerechnet Nahrath als Anwalt beauftragte, scheint alles andere als ein Zufall.

Opposition verlangt Aufklärung

Die Opposition im Bayerischen Landtag spricht von einem Skandal, falls nachweislich in der bundesweiten Verfassungsschutz-Datenbank Erkenntnisse zum Jura-Studium von B. enthalten waren. „Das würde wieder einmal zeigen, dass der Verfassungsschutz seine Aufgabe nicht erfüllt“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Franz Schindler, gegenüber ZEIT ONLINE. „Wenn es von Februar bis Oktober dauert, bis die diese Informationen haben, dann ist das der Beweis dafür, dass die ihren Job nicht erledigen.“ Für den Abgeordneten stellt sich aber auch die grundsätzliche Frage, warum das Landesamt in Brandenburg ihren bayerischen Kollegen Erkenntnisse über den Umzug einer zentralen Figur der dortigen rechtsextremen Szene übermittelt, ohne dass die fragliche Person dann durch die zuständigen Stellen im Freistaat überprüft wird. „Die schicken das doch nicht, damit man das einfach abheftet“, sagte Schindler. „Es ist verdammt nochmal ihre Pflicht, da nachzuschauen!“

Hassgesang-BZLTB
Textzeile: „Adolf Hitler, Sieg Heil tönt zu dir empor!“

Ähnlich sieht das auch Sepp Dürr, der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Landtag. „Wenn ich sehe, dass da ein Nazi kommt, dann will ich da doch was in Erfahrung bringen, dann will ich wissen, was der hier macht und wie gefährlich der ist.“ Dass die Erkenntnisse zum Jura-Studium offenbar in der Datei vorlagen, bestätige, „dass die sich nicht veranlasst gesehen haben, dem nachzugehen“. Der Verfassungsschutz habe schlicht „gepfuscht“, kritisiert Dürr. Er wolle nun vom Innenministerium wissen, wieso der Fall nicht überprüft wurde. Zudem will der Grünen-Politiker sichergestellt haben, dass während B.s’ Zeit als Richter „niemand an seinen Vorurteilen, an seiner Einstellung zu leiden hatte“. Das Justizministerium solle deshalb die zurückliegenden Urteile des Neonazi-Richters überprüfen.

Zukünftig, stimmen Schindler und Dürr überein, müsse besser aufgepasst werden, falls entsprechende Informationen eingehen. Wenn ein führender Neonazi zuzieht, sei eine Überprüfung in jedem Fall durchzuführen. Sowohl Dürr als auch sein SPD-Kollege verlangen jetzt eine sorgfältige Aufklärung der Affäre. Die SPD-Fraktion hat hierzu bereits einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der die Staatsregierung auffordert, „unverzüglich über die Umstände der Einstellung (…) zu berichten“ und, falls die Vorwürfe zutreffen, Konsequenzen zu ziehen. Denn im „bayerischen Justizdienst“, heißt es in dem SPD-Antrag, könne „kein Platz für Rechtsextremisten sein.“