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ARD-Radiofeature: „Nazi-Netzwerk NSU“

 

Die ausgebrannte Wohnung der NSU-Terroristen in Zwickau | Foto: André Karwath
Die ausgebrannte Wohnung der NSU-Terroristen in Zwickau | Foto: André Karwath

Seit mittlerweile eineinhalb Jahren wird am Münchner Oberlandesgericht der sogenannte „NSU-Prozess“ verhandelt. Die Bundesanwaltschaft geht trotz vieler Indizien und offensichtlicher Verstrickungen in Neonazi-Netzwerke weiterhin von einem Trio aus, das über einzelne Unterstützer verfügte. Ein ARD-Beitrag befasst sich nun mit der Frage: Bestand der NSU tatsächlich nur aus einem Trio, oder steckte ein internationales Netzwerk hinter der Terrorgruppe?

Jahrelang konnten Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Deutschland Banken ausrauben, Bombenanschläge verüben und Menschen ermorden. Ihre Opfer waren nicht zufällig ausgewählt, es handelte sich mit einer Ausnahme immer um Migranten. Nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 wurden Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe als Täter präsentiert. Die bekannten thüringischen Neonazis waren 1998 nach Ermittlungen abgetaucht. Die anschließende Fahndung wurde äußerst stümperhaft durchgeführt. Das Trio tauchte ab.

Doch wie konnten die Neonazis jahrelang aus dem Untergrund agieren? Wer hat Ihnen geholfen, wer hat sie unterstützt? Wer wusste von der Existenz des NSU? Wer war an den Anschlägen beteiligt? Wer observierte die späteren Opfer? In der Causa NSU gibt es etliche Fragen, einige wurden geklärt, die meisten werden vielleicht nie beantwortet. Die ARD-Journalisten Ralf Homann und Thies Marsen haben sich deshalb auf eine Recherchereise begeben um herauszufinden, wie stark der NSU in internationale Neonazi-Netzwerke eingebunden war und ist. Sie sprachen mit Experten wie Andrea Röpke, Michael Weiß und Robert Andreasch, interviewten Mitat Özdemir von der Initiative „Keupstraße ist überall“ und die britische Sicherheitsexpertin Liz Fekete vom Londoner „Institute of Race Relations“.

Martina Renner, ehemalige Linke-Ombudsfrau im thüringischen NSU-Untersuchungsausschuss, gibt im ARD-Interview an, die Bundesanwaltschaft hätte Waffenfunde von Thüringer Neonazis Ende der 90er Jahre verharmlost und würde die Ermittlungsarbeit im Prozess verhindern. Herbert Diemer, leitender Staatsanwalt im NSU-Prozess, meint, es wären keine Tatsachen aufgetaucht, die auf eine Verstrickung des NSU in andere Neonazi-Netzwerke hingedeutet hätten.

Immer mehr Hinweise, die im ARD-Beitrag erwähnt werden deuten aber auf ein gut strukturiertes und exzellent vernetztes Netzwerk hin. In den Fokus gerät vor allem die Gruppe „Blood and Honour“ (BH). BH ist ein international agierendes Neonazi-Netzwerk, das rassistische Konzerte organisiert, den Merchandise für rechte Liedermacher übernimmt und rechte Tonträger vermarktet. Eine Musik- und Freizeitagentur für Neonazis. Der Inhalt: Hass, Gewalt und pure Menschenverachtung. Auffällig ist beispielsweise der erste Anschlag des NSU in Nürnberg. Am 23. Juni 1999 verübten die Attentäter einen Bombenanschlag auf eine Bar. Drei Tage später feierten hunderte Neonazis bei einem „Blood and Honour“-Konzert in Coburg, nahe Nürnberg. Ein Zufall?

Fraglich bleibt auch das Verhalten der deutschen Sicherheitsbehörden. Auch nachrichtendienstliche Hinweise aus dem Ausland brachten die Fahnder nicht von ihrer Richtung ab, nur im Kreis der Opfer-Familien zu ermitteln. Die Ermittlungen im jetzigen Verfahren gehen klar von einem isolierten Trio mit einzelnen Unterstützern aus, ein Netzwerk wird nicht vermutet. Als „Lebensfern“ bezeichnen die ARD-Autoren diese Einschätzung. Die Recherchen deuten vielmehr auf eine grenzüberschreitende Verbindung von Neonazis und Rassisten hin, die einen bewaffneten Kampf umsetzen wollen und sich durch Überfälle und Rechtsrock-Konzerte finanzieren. Eine optimale Voraussetzung für Terrorgruppen wie den Nationalsozialistischen Untergrund.

Der Themenkomplex NSU lässt sich nicht einfach erklären, man muss die extrem Rechte Szene kennen und genau analysieren. Einige haben die Wunschvorstellung, der NSU agierte als abgeschottetes Terror-Trio. Das ARD-Radiofeature ist ein Beitrag, der diese Wunschvorstellung schnell und eindrucksvoll verblassen lässt.

Die Sendetermine des Features im Überblick:

SWR 2, Mittwoch, 22. Oktober 2014, 22:05 Uhr

SR 2, Samstag, 25. Oktober 2014, 09:05 Uhr

BR 2, Samstag, 25. Oktober 2014, 13:05 Uhr

Nordwestradio (RB), Sonntag, 26. Oktober 2014, 16:05 Uhr

NDR info, Sonntag, 26. Oktober 2014, 11:05 Uhr

WDR 5, Sonntag, 26. Oktober 2014, 11:05 Uhr

hr2-Kultur, Sonntag, 26. Oktober 2014, 18:05 Uhr