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Xavier Naidoo: Skandal mit Verspätung

 

Screenshot von TruTube: „Xavier Naidoo - Raus aus dem Reichstag“
Screenshot von TruTube: „Xavier Naidoo – Raus aus dem Reichstag“

Der Mannheimer Soulsänger Xavier Naidoo bekräftigt in einem aktuellen Interview mit dem Magazin „Stern“ seine Verschwörungstheorien. Darin bezieht er auch Stellung zu seinem Auftritt bei den sogenannten Reichsbürgern am deutschen Nationalfeiertag in Berlin.

Das Wochenmagazin geht in dem dazugehörigen Artikel auch auf den Songtext „Raus aus dem Reichstag“ des Popstars von 2009 ein, indem Naidoo in antisemitischen Jargon gegen die jüdische Familie Rothschild ansingt. Laut dem offiziellen Text im Begleitheft der CD „Alles kann besser werden“ singt er:

„Wie die Jungs von der Keinherzbank, die mit unserer Kohle zocken. Ihr wart sehr, sehr böse und steht bepisst in euren Socken. Baron Totschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel. Der Schmock ist’n Fuchs und ihr seid nur Trottel“

Mit „Baron Totschild“ spielen unter anderem Neonazis auf die jüdische Bankiers-Familie Rothschild an, denen schon die Nazis unterstellten hinter dem Federal Reserve System (FED) und damit hinter dem Banken- und Zinssystem zu stehen, dem in verschwörungsideologischer Manier die Schuld am allen sozialen Missständen und Krieg der Welt gegeben wird. Naidoos Lied aus 2009 verbreitete sich in antisemitischen Kreisen und Netzwerken. Darunter auch auf TruTube. Auf diesem Videoportal wird ansonsten der Holocaust geleugnet und gegen jüdische Menschen gehetzt.

Der Popstar und die Reichsbürger

Aus der Sicht vieler Reichsbürger ist Deutschland noch immer von alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs besetzt. „Nein, es ist keine Verschwörungstheorie“, sagt Naidoo im Stern-Gespräch: „Der Historiker Prof. Dr. Josef Foschepoth ist den geheimen Vereinbarungen zwischen den Amerikanern und der Bundesregierung nachgegangen. Sie existieren wirklich. Danach dürfen die Amerikaner uns überwachen. Deutschland ist insoweit kein souveränes Land. Wir sind nicht frei.“ Das Xavier Naidoo hier Aussagen aus dem Zusammenhang reißt und die Bundesrepublik Deutschland spätestens mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag völkerrechtlich souverän ist, ignorieren einige seiner Fans.

Bereits als der Mannheimer Sänger im Oktober 2011 im ARD-Morgenmagazin zu Gast war, antwortete er auf die Frage, ob er sich in Deutschland frei fühle: „Aber nein, wir sind nicht frei, wir sind immer noch ein besetztes Land! Deutschland hat noch keinen Friedensvertrag und ist dementsprechend auch kein echtes Land und nicht frei“. In der Reichsbürgerszene wurde er für diese Verbreitung einer ihrer Kernthesen gefeiert. Daraufhin unterlegte 2012 die selbsternannte „Reichsbewegung – Neue Gemeinschaft von Philosophen“ ein Propagandavideo mit dem Song „IZ ON“ der Söhne Mannheims, nachdem diese in rassistischen Briefen an jüdische und muslimische Organisationen Gewalt androhte, falls Juden, Muslime und schwarze Menschen Deutschland nicht verlassen.

Zum Vorwurf, er sei rechtspopulistisch, sagt Naidoo im aktuellen Stern-Interview: „Mein Image war eh schon immer etwas verdreht. Man bezeichnete mich als homophob, als esoterischen Spinner und als religiösen Fanatiker. All das bin ich genau so wenig wie rechtspopulistisch.“ Seinen Auftritt bei den Reichsbürgern um Rüdiger Klasen und „Staatenlos“ am 3. Oktober 2014 bereut er bis heute nicht: „Man kann es mir doch nicht verübeln, mich zu informieren“.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=h70O0GIjiRA]
Wo sich der Soulsänger informiert mag seine Privatsache sein. Deutschnationalistische und antisemitische Verschwörungstheorien vor einen Millionenpublikum zu verbreiten ist dagegen gefährlich: „Xavier Naidoos große Popularität führt insbesondere junge Menschen in eine abstruse Gedankenwelt aus unhaltbaren Behauptungen, in denen Hass und Angst mehr zählen als Fakten, schreiben „Die Skeptiker“ zur Verleihung des Negativpreises für den größten antiwissenschaftlichen Unsinn des Jahres 2014 „Das Goldene Brett“ an den R&B-Sänger: „Ein waches Hinterfragen politischer Geschehnisse, auch von Terroranschlägen und der Berichterstattung darüber, könnte ja sinnvoll sein. Doch eine rationale Diskussion über tatsächliche politische Missstände wird durch plumpe Verschwörungstheorien unmöglich. Xavier Naidoo wird zur Einstiegsdroge der Irrationalität, die mit pathetischer Musik beginnt und bei Chemtrails und Weltverschwörungs-Paranoia endet.“

Ganz nach diesem Muster erläutert der 43-Jährige Popstar seine Sicht der Dinge im Stern-Gespräch. So glaube er etwa nicht, dass die Ereignisse des 11. September 2001 in den USA so abgelaufen seien, „wie es in den Medien und von der Politik dargestellt wurde. Die Achillesferse des Anschlags ist doch das 47-stöckige Bürogebäude neben den Türmen gewesen, genauer gesagt: Gebäude Nummer 7. Dieses Gebäude ist Stunden später eingestürzt. Das sah aus wie bei einer kontrollierten Sprengung. Daran gibt es nichts zu deuten.“ Man müsse Dinge beim Namen nennen und keine Scheu vor einem Kampf „gegen die Großen“ haben, so Naidoo weiter im Stern.

Vor einigen Jahren habe er sich deshalb einer Strafanzeige gegen den früheren Bundespräsidenten Horst Köhler angeschlossen. „Ich bin auf die bereits laufende Anzeige im Internet aufmerksam geworden: Er soll dabei mitgewirkt haben, dass Deutschland ohne verfassungsrechtliche Legitimation die Währungsunion einging. Da bin ich 2010 auf eine Polizeiwache in Mannheim gegangen, um mich der Anzeige wegen Hochverrats anzuschließen.“ Dort musste er allerdings einen Alkoholtest machen. „Die dachten, ich sei völlig hirnverbrannt.“

Aufruf zum Bundestagssturm auf Facebook
Aufruf zum Bundestagssturm auf Facebook © Screenshot

Jetzt rufen einige seiner Fans aus dem Pegida- und Reichsbürgerspektrum, fünf Jahre nachdem Naidoo den Politikern „Raus aus dem Reichstag“ entgegen schmetterte, für den 8. Mai 2015 zu einem Sturm auf den Reichstag auf, um dort eine Übergangsregierung auszurufen. Hier ermittelt das Dezernat für politisch motivierte Kriminalität Rechts der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts Berlin unter anderem wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten.