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Berlin ratlos über Waffenbesitz von Neonazis

 

Vergangene Woche beschlagnahmte die Polizei in Bremen dutzende Waffen von NPD- und DVU-Mitgliedern © Polizei Bremen
In anderen Städten, wie hier in Bremen, wurden dutzende Waffen von NPD- und DVU-Mitgliedern beschlagnahmt  © Polizei Bremen

Die Behörden in Berlin, allen voran Innensenator Henkel von der CDU, wissen nicht, ob und wie viele verurteilte Neonazis in Besitz von legalen Waffen sind und ob diese bei Straftaten eingesetzt wurden. Auch gibt es keinerlei Kenntnisse darüber, ob und wie viele illegale Waffen bei rechtsmotivierten Straftaten eingesetzt und wie viele Waffen bei Durchsuchungen von Rechtsextremen sichergestellt wurden.

Das ergab die Antwort des Berliner Senates auf meine parlamentarischen Anfragen zu Waffenbesitz von Rechtsextremen (Drucksache 17/15626). Auf beide Anfragen konnte die Innenverwaltung keine Antworten geben und verweist lediglich darauf, dass die erfragten Daten nicht statistisch erfasst werden. Über den Waffenbesitz der militanten rechten Szene Berlins will oder weiß der Innensenator nichts. Beides ist brandgefährlich, da scheinbar der Waffenbesitz der gewaltbereiten rechten Szene in Berlin die Behörden nicht interessiert. Dabei sind auch in Berlin rechte Angriffe auf Geflüchtete und Flüchtlingsunterkünfte dramatisch angestiegen. Wurden im Jahr 2013 noch fünf Delikte solcher Art in Berlin gezählt, waren es letztes Jahr bereits 41 Fälle – das ist eine Steigerung um über 800%.

Interessanterweise gibt es hingegen in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Thüringen, Kenntnisse über legalen Waffenbesitz von Personen aus der rechtsextremen Szene. In Thüringen wurde in einer Anfrage der Linken (Drucksache 5/8127) zwar ebenfalls darauf verwiesen, dass das Nationale Waffenregister keine Angaben zu Partei-/Organisationszugehörigkeit und Vorstrafen enthält, dennoch gibt das Innenministerium an, in Kenntnis von drei einer rechtsextremen Partei angehörigen Personen zu sein, dessen waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen wurden (Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen). Es scheint also sehr wohl Möglichkeiten zu geben, Erkenntnisse außerhalb statistischer Erhebungen zu gewinnen. Für Berlin stellt sich damit die Frage, ob der Senat hierzu tatsächlich nicht in der Lage ist oder nur nicht willens, seine Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen. Beide Varianten werfen kein rühmliches Licht auf den Senat. Mit seiner kurz angebundenen und inhaltsleeren Antwort vermittelt er, mangelndes Problembewusstsein für die unheilvolle Liaison zwischen rechtsextremer Szene und Waffen. Und das, obwohl der Senat Rechtsextremen eine hohe Affinität zu Kampf- und Schießsportarten attestiert.

Jeder weiß, dass Neonazis nicht nur Waffen besitzen, sondern sie auch benutzen. Es ist also keineswegs harmlos, wenn Rechtsextremisten im Besitz von Waffen sind.
Bei Durchsuchungen von Rechtsextremen werden immer wieder Waffen gefunden und sichergestellt, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, das Neonazis mit Waffen rechtsmotivierte Straftaten begehen. Auch zu dieser Frage will die Innenverwaltung in Berlin aber keine Auskunft geben. Die Thüringer Behörden haben dahingegen auf Anfrage sogar eine detaillierte Tabelle zu sichergestellten Waffen zur Verfügung gestellt. In Berlin wird eine statistische Erfassung dieser Daten nicht für erforderlich gehalten.

Auch signalisiert der Innensenator kein Interesse an einer Überprüfung waffenrechtlicher Erlaubnisse von Rechtsextremen. Auf die Frage, inwieweit eine ausgelebte rechtsextreme Einstellung bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit berücksichtigt werden kann, wird mit dem Wortlaut des Waffengesetzes und einigen Standardsätzen der Kommentarliteratur geantwortet. Es stellt sich demnach die Frage, wie viele Rechtsextreme in Besitz legaler Waffen sind und wie eine Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit dieses Personenkreises sichergestellt werden kann.

Die Fragen wie viele Neonazis in Berlin Waffen besitzen und diese eventuell schon bei Straftaten eingesetzt haben, bleibt also weiter offen. Umso wichtiger ist es eine statistische Erfassung anzustreben, damit der Senat nicht länger die Augen vor dem Problem verschließen und mit ausweichenden Floskeln antworten kann.