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Hooligans planen Aufmarsch in Hamburg

 

hamburgFür den 12. September planen rechte Hooligans einen bundesweiten Aufmarsch durch die Hamburger Innenstadt. Unter dem Motto „Tag der deutschen Patrioten“ könnte er die größte derartige Versammlung seit den Aufmärschen 2014 in Köln und Hannover werden. Die Organisatoren knüpfen sowohl an den jährlich wiederkehrenden „Tag der deutschen Zukunft“ als auch an die Hooligan-Aufmärsche an. Strippenzieher ist der langjährige und mehrfach vorbestrafte Nazikader Thorsten de Vries.

Breites Spektrum soll mobilisiert werden

Schon seit Mitte Mai werben de Vries und ihm nahe stehende Personen für einen Marsch mit Start am Hauptbahnhof. Auf einer kurzseitig existierenden Veranstaltungsseite bei Facebook waren im Mai in wenigen Tagen schon knapp 4.000 Personen eingeladen. Die Personen gaben Auskunft darüber, welches Spektrum man nach Hamburg mobilisieren möchte. Unter ihnen befanden sich bekannte NPD-Kader, aber auch beliebte Pegida-Redner wie Michael Stürzenberger und Tatjana Festerling, der Islamhasser Akif Pirincci und Korporierte aus der Deutschen Burschenschaft. De Vries selbst strebt ein sehr breites Bündnis von Pegida bis nach ganz rechts an, auch: „Patriotische Mitglieder aus rechten und nationalen Parteien sind in Hamburg – AUSDRÜCKLICH – und – AUSNAHMSLOS – willkommen, solange sie auf das Mitführen von Parteifahnen und Parteiwerbung verzichten.“

Tag der deutschen Patrioten, Werbung mit den Krawallen von Köln, screenshot gelöschte Homepage
Tag der deutschen Patrioten, Werbung mit den Krawallen von Köln, screenshot gelöschte Homepage

Rückgrat der „Patrioten“ sollen allerdings rechte Hools und Fussballfans sein. So sagte auch Andreas Kraul, alias Kalle Grabowski, schon vor Wochen für den Aufmarsch zu. Kraul war Anmelder und Hauptorganisator des Aufmarsches in Köln im Oktober 2014 und kann noch immer zum HoGeSa-Netzwerk gerechnet werden. Die politische Hooligan-Bewegung hatte sich zum Jahreswechsel gespalten. Eine größere Gruppe verließ HoGeSa und gründete das Netzwerk „Gemeinsam Stark Deutschland“ GSD), dessen bundesweitem Team damals auch ein Hamburger angehörte. Inzwischen rufen HoGeSa, GSD, das „Bündnis Deutscher Hooligans“ und die „Berserker Deutschland“ aber wieder gemeinsam auf nach Hamburg zu kommen. Aus Hamburg bewerben die Pegida-Abspaltung „Widerstand Hamburg“, die „German Defense League“ (GDL) und der NPD-Landesverband den Patrioten-Marsch. Bundesweit ist bisher mit stärkerer Beteilung aus Norddeutschland und NRW zu rechen, die Rechten reklamieren aber auch beispielsweise aus Karlsruhe, München und sogar Österreich zu mobilisieren. Welche Personenzahl diese Strukturen noch aktivieren können ist schwierig einzuschätzen, die letzten Aufmärsche blieben, besonders im Westen, bei wenigen Hundert. Die lange Zeit über die mobilisiert wird, die relativ professionelle Werbung und die erwähnten Strukturen sprechen allerdings eher für eine wieder ansteigende Beteiligung.

Der Strippenzieher

Thorsten de Vries 1998 bei einem Aufmarsch zu Ehren von Rudof Hess in Roskilde, copyright S.Orge/C.P.
Thorsten de Vries 1998 bei einem Aufmarsch zu Ehren von Rudof Hess in Roskilde, copyright S.Orge/C.P.

Auch Thorsten de Vries selbst dürfte immer noch einigen Einfluss und Kontakte in der Szene haben. Der 1961 Geborene ist seit Mitte der 1970er Jahre aktiv. Anfang der 1990er Jahre war er Anführer des „Deutschen Kameradschaftsbund Wilhelmshaven“ (DKB), nachdem er zuvor ca. 10 Jahre für die NPD aktiv war. Ende 1992 wurde der  DKB verboten. In den 1990er Jahren wurde de Vries  mehrmals zu Freiheitsstrafen verurteilt. Oftmals handelte es sich um Gewaltdelikte mit politischem Hintergrund. 1995 zog de Vries von Wilhelmshaven nach Hamburg, arbeitete dort für einen neonazistischen CD-Vertrieb, später einen Naziladen und war zeitweise wieder Funktionär der NPD. Nach Streit mit der damaligen NPD-Landesvorsitzenden verlies de Vries die Partei und eröffnete 2007 mit dem damaligen NPD-Kader Torben Klebe einen Naziladen in Rostock. 2008 wurde er vor dem Amtsgericht Rostock ein weiteres Mal, diesmal wegen des Versuchs der Nötigung, verurteilt. In den letzten Jahren war de Vries eher in der Subkultur unterwegs, er unterhält aber weiterhin Kontakte ins Umfeld der NPD.
De Vries behauptet eine „friedliche und gewaltfreie Demonstration“ zu organisieren. Die Bilder mit denen der Aufmarsch beworben wird, sprechen allerdings eine andere Sprache. Hier wird nicht nur mit neonazistischen Begriffen wie „Volkstod“ und „Überfremdung“ gegen angeblichen „Werteverfall“ und „Multikulti“ für eine „Revolution“ mobil gemacht. Sondern auch mit Bildern der Krawalle von Köln ein gewaltgeneigtes Publikum angesprochen. De Vries selbst pflegt immer noch ein eindeutiges Bekenntnis für den Nationalsozialismus und ein taktisches zu geltenden Gesetzen. Auf seiner aktuellen Facebookseite posiert er mit einer tätowierten Rückenansicht welche durch einen Balken verdeckt ist. Der Balken mit den Worten „zensiert aber gut“, verdeckt ein Eisernes Kreuz mit Sig-Runen und SS-Totenkopf.

Unterschätzen die Behörden den Aufmarsch?

Zensierter Rücken von de Vries, screenshot Facebook
Zensierter Rücken von de Vries, screenshot Facebook

Die Stadt Hamburg wird, anders als in früheren Jahren, keine größeren Gegenaktivitäten veranstalten. Bei einem Treffen des „Beratungsnetzwerk Rechtsextremismus“ (BNW), in dem Behörden mit zivilgesellschaftlichen Institutionen kooperrieren, lies die Leitung der Sozialbehörde in Absprache mit der Innenbehörde verkünden, man befürchte durch eigene Gegenaktivitäten den Aufmarsch wohlmöglich bekannter zu machen und die Hooligans so zu stärken. Eine These für die es in der Vergangenheit keine Belege gibt und die angesichts der auch in Hamburg zunehmenden, rassistischen Hetze gegen Flüchtlingsunterkünfte fatal ist. Von der Vertreterin des polizeilichen Staatsschutzes konnte man beim BNW auch nur eine wenig erhellende Einschätzung hören. Sie erwähnte de Vries und die mobilisierenden Hooligan-Strukturen mit keinem Wort, suggerierte vielmehr, die Kleinstorganisation „Widerstand Hamburg“, würde hinter dem Aufmarsch stecken. Dabei wurde de Vries schon 1997 in einer vertraulichen Liste des Innenministeriums als bundesweit bedeutender „geistiger Brandstifter eingestuft. So wird es wohl den zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Organisationen innerhalb und außerhalb des BNW überlassen sein, Proteste gegen die Provokation von Neonazis und Hooligans zu organisieren.