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Heul doch, Nazi!

 

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Am 1. August wollen Nazis zum zehnten Mal ihren alljährlichen Aufmarsch in Bad Nenndorf durchführen. Ihr Ziel in der niedersächsischen Kleinstadt ist seit dem ersten „Trauermarsch“ 2006 das sogenannte Wincklerbad, vor dem sie „alliierter Kriegsverbrechen“ gedenken wollen. In den vergangenen Jahren hatten die Nazis bereits mit immer stärker werdenden Gegenprotesten und stetig zurückgehenden Teilnehmerzahlen zu kämpfen, hinzu kommt eine breit-aufgestellte antifaschistische Initiative, die dem braunen Spuk endgültig Einhalt gebieten will und auch in diesem Jahr zum Blockieren aufruft.

Unter dem Motto „Der Opfer gedenken – die Täter beim Namen nennen“ rufen die rechten Veranstalter zur Teilnahme an ihrem „Trauermarsch“ auf, welcher bis 2030 im Voraus angemeldet ist. Hinter der „Trauer“ der Nazis verbirgt sich jedoch lupenreiner Geschichtsrevisionismus, mit der Demonstration sollen deutsche Kriegsverbrechen relativiert werden. Denn das Wincklerbad, zu dem sie pilgern wollen, wurde von 1945 bis 1947 als Internierungslager der britischen Militärverwaltung genutzt, in dem hochrangige nationalsozialistische Funktionäre wie Oskar Pohl inhaftiert waren. Nach Foltervorwürfen kommt es zur Schließung, der Lagerarzt wurde verurteilt. Doch derartige vereinzelte Verfehlungen sind für die heutigen Nazis ein willkommener Anlass, die deutsche Vergangenheit zu verdrehen. Durch völlige Entkontextualisierung der Nachkriegszeit sollen aus deutschen NS-Tätern unschuldige Opfer gemacht werden. Daher geben sich die Teilnehmer des rechten Aufmarschs möglichst bieder, durch ein ordentliches Auftreten versuchen sie, an auch in der Mehrheitsgesellschaft verbreitete Schuld-Abwehrreflexe anzuknüpfen.

Den Nazis in den Weg stellt bzw. setzt sich dabei eine antifaschistische Initiative, die zu friedlichen und massenhaften Sitzblockaden aufruft. Die Pressesprecherin Maren Becker erklärt dazu gegenüber dem Störungsmelder: „Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir viele Menschen nach Bad Nenndorf mobilisieren können. Wir haben gezeigt, dass Massenblockaden hier möglich sind und den Naziaufmarsch effektiv verhindern können.“

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2013 war es der Initiative erstmals gelungen, direkt vor dem Wincklerbad zu blockieren. An dieser Sitzblockade beteiligten sich dann auch neben den Anhängern von autonomen Gruppen, linken Parteien und Gewerkschaften zum ersten Mal viele Bad Nenndorfer selbst. Auf Grund dieses breit-gefächerten zivilgesellschaftlichen Engagements und der durchweg friedlichen Stimmung dauerte die Räumung des Platzes durch die Polizei Stunden, wodurch den Nazis nach langem Rumstehen in den Nebenstraßen wenig Zeit für ihre eigentliche Kundgebung blieb. Kaum besser lief es für die „Trauergäste“ vergangenes Jahr. Zwar konnten die Nazis ihren Aufmarsch dank rigorosem Polizeieinsatz wie geplant durchführen, jedoch machten couragierte Anwohner durch laute privat angemeldete Partys jegliche Form von „würdevollem Gedenken“ der Nazis unmöglich. Die Redebeiträge der Rechten über britische „Kriegsverbrecher“ gingen in lauter Techno- und Schlagermusik völlig unter, während vereinzelt Wasserbomben auf sie niedergingen. „Wir werden uns auch in diesem Jahr nicht einschüchtern oder entmutigen lassen – nicht durch unverhältnismäßige Polizeieinsätze, behördliche Auflagen oder Repression. Wir werden den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf blockieren“, so Becker.

Unterstützung bekommen alle Nazi-Gegner in Bad Nenndorf nun auch aus dem niedersächsischem Landtag, alle vier Fraktionen einigten sich auf eine Resolution gegen den Aufmarsch. In ihrer Rede dazu sagte die grüne Landtagsabgeordnete Julia Willie Hamburg: „Wir stärken damit gemeinsam denjenigen den Rücken, die sich seit Jahren gegen die Neonazis engagieren“. Michael Hans Höntsch von der SPD unterstrich daraufhin den Handlungsbedarf: „Gerade in einer Zeit, in der wieder Flüchtlingsunterkünfte brennen, in der Fremdenhass und Antisemitismus geschürt werden, ist es umso notwendiger, jetzt eindeutig Position zu beziehen.“

Am kommenden Samstag wird sich dann zeigen, ob die Nazis ihr inszeniertes Trauern durchhalten werden, oder ob sie am Ende wirklich traurig nach Hause fahren.