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Rechte Umtriebe in Leipzig

 

OfD-Aufmarsch in Leipzig © René Loch
OfD-Aufmarsch in Leipzig © René Loch

Leipzig ist die gespaltene Stadt. Was schon seit Jahrzehnten im Fußball gilt, zeigt sich aktuell auch in der rechtsextremen Szene. Seit Anfang des Jahres demonstriert bereits der lokale Pegida-Ableger Legida. Unter neuem Namen geht nun ein ehemaliges Orgamitglied in die „Offensive für Deutschland“. Doch der Zuspruch bleibt überschaubar.

 

Wenn Antifaschisten den Klassiker „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ zum Besten geben, dann ist eine rechte Demo meist nicht weit entfernt. So war es auch am vergangenen Montag, als die selbsternannte „Offensive für Deutschland“, kurz OfD, mit 75 Teilnehmern durch die Leipziger Innenstadt spazierte. Angestimmt hatte den Sprechchor jedoch eine Frau aus dem Aufzug der Rechten – vielleicht als Attacke gegen die angeblichen „Linksfaschisten“ gemeint, vielleicht aber auch im Glauben, sich mit jener Propaganda tatsächlich nicht gemein zu machen.

Die Wirklichkeit stellte sich freilich ganz anders dar. In unmittelbarer Nähe der Frau liefen zwei Mitglieder der Neonazipartei „Die Rechte“: Der sächsische Landesverbandschef Alexander Kurth sowie Rolf Dietrich aus Sachsen-Anhalt. Auch das von dieser Partei rechts überholte Vorbild, die NPD, war offenbar mit dabei. Mehrere Demoteilnehmer skandierten „Frieden, Freiheit, Souveränität“ und verwiesen damit auf eine in diesem Jahr gestartete Kampagne der Partei, die den 8. Mai 1945 zum Tag der Befreiung umdeutet – nicht von den Nazis, sondern von der eigenen Souveränität.

Die OfD als Ganzes tritt zwar nicht dezidiert neonazistisch auf, zeigt mit ihrem elf Punkte umfassenden Forderungskatalog aber enormes Anschlusspotential für diese und andere rechtsextreme Klientel. Neben dem Streben nach einer „vom Volk bestätigten Verfassung“ und der „Beendigung des Besatzungsrechtes“ möchte sie auch ein „Ende des Bevölkerungs-Austausches“ erreichen und erinnert damit an die zentrale Begrifflichkeit der „Identitären Bewegung“. Weitere Forderungen zielen auf Steuerreformen, Familien- und Mittelstandsförderung sowie ein „Ende jedweder Embargo-Politik“ ab und dürften damit auch einige Konservative und Querfrontbewegte zufriedenstellen.

Anders als bei den Demonstrationen der AfD oder den zahlreichen rassistischen Bürgerbewegungen steht das Thema Asyl oberflächlich betrachtet nicht im Mittelpunkt der Aktivitäten. Wenn sich der Aufzug jedoch erst einmal in Bewegung gesetzt hat, dominieren auch hier die „Wir wollen keine Asylantenheime“-Rufe. Mit dabei war zuletzt auch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Kanitz, die sich für die Erfinderin des Spruchs „Wir sind das Volk“ hält. Vor einigen Jahren ließ sie ein entsprechendes Patent der Stadt Leipzig löschen und erregte damit bundesweit Aufmerksamkeit. Ironischerweise begründete sie diese Entscheidung damit, die Marke vor Missbrauch schützen zu wollen.

Auch für die OfD ist der Verweis auf 1989 von großer Bedeutung. Die genannte Parole war auf den drei bisherigen Kundgebungen zwar nur selten zu hören, doch wird das offizielle Banner der Bewegung von einem Bild der klassischen Montagsdemonstrationen geschmückt. Dass die OfD somit auch starken Bezug zur Motivik von Pegida nimmt, kann in Anbetracht ihrer Entstehungsgeschichte nicht überraschen.

OfD-Stammgäste Dietrich und Kurth gemeinsam mit Orgachef Rösler (v.l.n.r.)
Rolf Dietrich fotografiert, Alexander Kurth schwadroniert, Silvio Rösler assistiert (v.l.n.r.) © René Loch

Noch bis Juni dieses Jahres war OfD-Kopf Silvio Rösler das Gesicht des Leipziger Pegida-Ablegers Legida. Offiziell verließ er die rechte Vereinigung im Einvernehmen mit seinem Nachfolger Markus Johnke. Tatsächlich jedoch dürfte es massive Differenzen über die zukünftige Ausrichtung gegeben haben. Jörg Hoyer, einstiger Pressesprecher und mutmaßlicher Chefideologe von Legida, zog anschließend in einem Video über Rösler her: „Außer heißer Luft und viel Alkohol ist hinter diesem Mann nichts.“

Um seinen ehemaligen Weggefährten das Gegenteil zu beweisen, schmiedete Rösler rasch zahlreiche Allianzen, vor allem am äußersten rechten Rand. So traf er sich beispielsweise mit „Widerstand Ost West“-Aktivistin Ester Seitz und kündigte für Ende September eine gemeinsame Großdemonstration in Leipzig an. Diese fand zwar statt, war aber weder groß – nach monatelangem Werben folgten nur knapp 400 Neonazis, Hooligans und Durchschnittsrassisten dem Aufruf – noch beteiligte sich Seitz daran.

Der schnelle Bruch hatte wohl vor allem damit zu tun, dass Rösler auch mit hohen NPD-Funktionären flirtete. Mittlerweile ist es vor allem „Die Rechte“, die bei der OfD den Ton mit angibt. Der sächsische Landeschef Kurth darf nicht nur das Megafon für Rösler halten, sondern auch eigene Reden schwingen und darin unter anderem eine für ihr antirassistisches Engagement bekannte Lokalpolitikerin der Linkspartei als „hässliches antideutsches Entlein“ beschimpfen.

Die zunehmende Radikalisierung liegt in Leipzig durchaus im Trend. Nachdem Legida vor einigen Monaten mit wenigen hundert Teilnehmern bereits in der Bedeutungslosigkeit versunken schien, finden nun wieder knapp 1.000 Anhänger regelmäßig in der Innenstadt zusammen. Dass die NPD zunehmend öffentlichkeitswirksamer auftritt und vor einigen Wochen dutzende Nazihools durch Angriffe auf die Polizei die Auflösung einer Legida-Versammlung provozierten, scheint dabei niemanden ernsthaft zu stören.

Welche Gefahr diese Bewegung darstellt, zeigte sich auch in der Nacht zum Dienstag. Nach ihrer Rückkehr vom Pegida-Geburtstag in Dresden griffen Rechtsextreme im Leipziger Hauptbahnhof Gegendemonstranten an. Ein von Antifa-Aktivisten als bekannter Neonazi identifizierter Mann trug dabei ein Messer offen zur Schau.