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Berlin: Blockaden zwingen rechten „Frauenmarsch“ zur Auflösung

 

„Frauenmarsch“ und Gegenproteste in Berlin © Ney Sommerfeld

Am vergangenen Sonnabend verhinderten mehrere Tausend Gegendemonstranten den asylfeindlichen „Marsch der Frauen“ in Berlin, der vom Hallischen Tor in Kreuzberg zum Kanzleramt in Mitte führen sollte. Nach etwa 700 Metern wurde der Aufmarsch am Checkpoint Charlie gestoppt und so lange aufgehalten, bis die Polizei die Demonstration mit etwa 1.000 Teilnehmern auflöste.

 

Von Ney Sommerfeld

 

„Frauenmarsch“ ohne Frauen

Zu dem „Marsch der Frauen“ hatte der Verein „Leyla e.V.“ um die AfD-Aktivistin Leyla Bilge aufgerufen. Bilge und ihre Familie bekamen einst selbst Asyl in Deutschland und nach eigenen Angaben konvertierte die ehemalige Muslima zum Christentum. Seitdem gilt Bilge als die „Vorzeige-Migrantin“ der „Neuen Rechten“. Seit 2016 ist sie Mitglied der AfD und seit dem letzten Jahr arbeitet sie außerdem beim AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich-Oehme. Trotz ihrer Parteimitgliedschaft hatte Bilge dazu aufgerufen, auf die Symbolen der AfD bei der Demonstration am 17. Februar zu verzichten, damit ein parteienübergreifendes Spektrum erreicht werden konnte. Dies spiegelte sich dementsprechend auf der Straße wieder: Obwohl zahlreiche AfD-Funktionäre auf dem Marsch anwesend waren und teilweise zum Organisationskreis und den Rednern gehörten, wurden so gut wie keine Partei-Fahnen oder Transparente gezeigt.

Erst im November des vergangenen Jahres moderierte Bilge die jährliche verschwörungsideologische Konferenz des „neu rechten“ Magazins „Compact“ und trat bereits bei PEGIDA in Dresden auf. Entsprechend war auch beim „Frauenmarsch“ das „Compact“-Magazin deutlich sichtbar in Form von Plakaten vertreten. Auch das Gesicht der PEGIDA-Bewegung, Lutz Bachmann, wie auch andere islamfeindliche Bewegungen marschierten mit. Darunter zählten auch das Bürgerbündnis Havelland e.V., „Hand in Hand“ aus Berlin, MVGida, „Zukunt Heimat“ aus Cottbus, die Initiativen aus Kandel und weitere. Vor allem das Bürgerbündnis Havelland war maßgeblich bei der Organisation der Demonstration involviert. Sie stellten beispielsweise den Lautsprecherwagen und ihr Vorsitzender Christian Kaiser übernahm die Moderation. Kaiser tritt am 25. Februar zur Bürgermeisterwahl im brandenburgischen Rathenow an. Des Weiteren waren gewaltbereite Neonazis der NPD u.a. aus Pankow, Hooligans und Vertreter der „Identitären Bewegung“ (IB) ebenfalls Teilnehmer der Demonstration, darunter der Kopf der Identitären in Berlin-Brandenburg, Robert Timm, und der IB-Bundesvorstand Daniel Fiß aus Rostock.

Inhaltlich referierte der „Marsch der Frauen“ auf Frauenrechte und setzte sich gegen Kindesmissbrauch und Vergewaltigungen ein. Dabei verbreiteten die Redner aber plumpe rassistische Hetze gegen Migranten und Geflüchtete, die sie als Grund ausgemacht haben, dass Deutschland zu einer Angstzone für Frauen geworden sei. Ebenso richtete sich der Protest gegen die etablierten Parteien, die die „Massenmigration“ erst ermöglichten. Dabei wurde auf der Demonstration aber deutlich, dass die Zielgruppe des Aufmarsches eindeutig nicht erreicht werden konnte. Denn die Mehrheit der Demonstranten waren letztendlich aggressive Männer. Nur vereinzelt waren Frauen überhaupt in Organisationsstrukturen als Ordnerinnen und Rednerinnen eingebunden. Besonders am Fronttransparent war man aber bemüht, sichtbar Frauen zu inszenieren. Doch die Anweisungen sich richtig zu positionieren und in heiklen Situationen aus dem Konfliktfeld zu verschwinden, gaben dann doch die Männer.

Polizei löst Demonstration auf

Bereits zu Beginn der Veranstaltung am Hallischen Tor war die Stimmung auf der Demonstration aufgeheizt. Mehrere Gegenkundgebungen in Hör- und Sichtweite des Auftaktortes zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Teilnehmer des „Frauenmarsches“ riefen „Nazis raus“ in Richtung der Gegendemonstranten. Als dann die Demonstration am Checkpoint Charlie aufgrund von Blockaden gestoppt werden musste, kam es zu tumultartigen Szenen. Mehrfach hatten Teilnehmer des Marsches versucht, die Polizeiketten zu überwinden, um ihren Aufmarsch durchzusetzen. Selbst die eingesetzten Ordner hatten Probleme, die Menge unter Kontrolle zu bringen. Während Leyla Bilge ihrem Ärger offen Luft machte, bemühte sich die Organisation um Christian Kaiser, die Menge mit Reden und Musik bei Laune zu halten. Der Vorschlag während des Stopps zu Tanzen stieß allerdings auf verhaltene Resonanz. Nach mehreren Stunden Ausharren in der Kälte löste die Polizei dann die Demonstration auf und die Teilnehmer liefen schnellen Tempos zurück zum U-Bahnhof Hallisches Tor.
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Spontane Versammlung am Willy-Brandt-Haus und Kanzleramt

Im Nachgang zur Demonstration löste sich eine Gruppe von etwa Hundert ehemaligen Teilnehmern des „Frauenmarsches“ in Richtung der SPD-Bundeszentrale in der Willy-Brandt-Straße. Auf dem Weg dahin wurden die eher in der extrem rechten Szene weit verbreitete Parole „Widerstand lässt sich nicht verbieten“ gerufen. Die Polizei löste die spontane Zusammenkunft auf. Etwa 300 weitere ehemalige Teilnehmer des Marsches veranstalteten eine spontane Versammlung am Kanzleramt. Zwischenzeitlich wurde der Veranstaltung der Strom abgestellt, sodass die Menge im Dunkeln vor dem scheinbar menschenleeren Kanzleramt demonstrierte.

Die nächste asylfeindliche Veranstaltung in Berlin wird bereits beworben: Für den 3. März ruft die extrem rechte Organisation „Wir für Deutschland“ zu einer Demonstration unter dem Motto „Patriotischen Frühlingsoffensive (NEIN zur GroKo)“ auf.   „Wir für Deutschland“ organisierte in der Vergangenheit Demonstrationen unter dem Motto „Merkel muss Weg“ mit mehreren Tausend Teilnehmern.