Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Niedersachsen: Rechte Straftaten auf Rekordniveau – Stadt Braunschweig auf traurigem Spitzenplatz

 

Rechte Straftaten und Gewalttaten in NiedersachsenDie Zahl der rechten Straf- und Gewalttaten in Niedersachsen ist weiter angestiegen und hat im ersten Halbjahr 2016 einen erneuten Höchststand erreicht. Das geht aus einer Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf zwei Anfragen der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hervor. Demnach hat die Polizei im ersten Halbjahr dieses Jahres 868 rechte Straftaten gezählt. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren es 658 Straftaten – ein Anstieg um fast 30%. Auch die Zahl der rechten Gewalttaten ist angestiegen. Von 47 im zweiten Halbjahr 2015 auf 62 im 1. Halbjahr 2016. Vergleicht man dies mit den Zahlen seit 2010 ist hier ein bisheriger Höchststand in Niedersachsen erreicht.

Spitzenplatz für Braunschweig

Im regionalen Vergleich weist die Stadt Braunschweig im ersten Halbjahr 2016 sowohl bei den rechte Straftaten (104) als auch bei den Gewalttaten (14) den Spitzenplatz im Vergleich der niedersächsischen Landkreise und Städte auf. An zweiter Stelle folgen bei den rechten Straftaten die Landeshauptstadt Hannover (94 Straftaten) , die Region Hannover (59) und der Landkreis Göttingen (38). Bei den Gewalttaten steht der Landkreis Goslar (5 Gewalttaten) an dritter Stelle nach Braunschweig und der Stadt Hannover (10).

Rechte Versammlungen als Kristallisationspunkte 

Schaut man sich die Brennpunkte rechter Straf- und Gewalttaten im Bundesland an, dann wird deutlich, dass sie vor allem dort hoch sind, wo rechte Gruppierungen durch öffentliche Versammlungen regelmäßig in Erscheinung treten. Im Landkreis Göttingen ruft der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachen“ wöchentlich zu Kundgebungen auf. In Hannover und Braunschweig gibt es regelmäßige Versammlungen der dortigen PEGIDA-Ableger, BRAGIDA und HAGIDA bzw. des „Bürgerprotest Hannover“ und auch in Goslar gab es Kundgebungen diverser rechter Gruppierungen. Offensichtlich kristallisieren sich im Umfeld dieser Bewegungen die rechten Straf- und Gewalttaten.

Die „JN Braunschweig“: Rechte Intensivtäter

In Braunschweig geht zudem ein großer Teil der rechten Straf- und Gewalttaten laut Aussage des Braunschweiger Polizeisprecher Wolfgang Klages in der Braunschweiger Zeitung, auf das Konto der Anhänger des „Stützpunkt  Braunschweig“, der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN). Die neonazistische Gruppe, die laut Behörden aus 10-15 Personen besteht, macht vor allem mit „Minikundgebungen“ z.B. vor im Bau befindlichen Flüchtlingsunterkünften und Flash-Mob artigen Aktionen und provokativen Störversuchen anderer Veranstaltungen auf sich aufmerksam. Über 30 Taten seit Beginn de Jahres werden allein einem 24jährigen Anhänger der „Jungen Nationaldemokraten“, der inzwischen in U-Haft genommen wurde, vorgeworfen, darunter mehrere Gewalttaten. So ist der 24-Jährige u.a. angeklagt, weil er bereits Ende Februar an einem Braunschweiger Gymnasium zwei Schüler so brutal attackiert haben soll, dass einer der beiden mit einem doppelten Kieferbruch in die Notaufnahme eingeliefert werden musste. Außerdem macht die Polizei ihn für zahlreiche rechte Schmierereien verantwortlich. So soll der Neonazi Mitte Juli mehrere metergroße Hakenkreuze auf eine Straße gemalt haben, wie der NDR berichtete.

„Stinkefinger“ von Sigmar Gabriel

Die „JN Braunschweig“ steckte auch hinter einer Aktion, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte: Ein Dutzend vermummter Neonazis mit einem Transparenten mit der Aufschrift „Volksverräter“ bepöbelten am 12. August SPD-Chef Sigmar Gabriel bei einem Wahlkampfbesuch in Salzgitter. Gabriel zeigte ihnen daraufhin den „Stinkefinger“. Ein Video davon, den die „JN Braunschweig“ ins Netz  gestellt hatte, fand tausendfache Verbreitung.

Landesprogramm und Opferberatung auf dem Weg

Noch immer verfügt Niedersachsen über keine unabhängige Opferberatung, an die sich die Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt wenden können. Allerdings hat die Landesregierung im Juni den Start des „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus – für Demokratie und Menschenrechte“ bekannt gegeben. Das Landesprogramm ist unter dem Dach des Justizministerium beim Landespräventionsrat angesiedelt. Im Rahmen des Landesprogramms soll nun auch eine unabhängige Opferberatung eingerichtet werden. Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen hat dazu im Auftrag des Landespräventionsrat inzwischen Empfehlungen für die Umsetzung einer unabhängigen Beratungsstruktur für die Betroffenen rechter, rassistischer Gewalt erarbeitet. Diese soll nun noch im Herbst ihre Arbeit aufnehmen. Angesichts der steigenden Zahl von rechten Gewalttaten dürfte die Fördergelder allerdings kaum ausreichen, um flächendeckend und für alle Betroffene Rat und Hilfe anzubieten.