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Höhen und Tiefen am Hoteltresen

 

Hoteltresen
Foto: Petra Bindel / Scandic Hotels / Creative Commons Attribution

Es gibt ja Dinge im Leben, die sind eigentlich ganz simpel, haben aber eine große Wirkung. Für mich sind das Hoteltresen. Wie gut ein Hotel geplant wurde, weiß ich oft schon in den ersten zehn Sekunden, nachdem ich den Eingang eines Hotels durchquert habe. Dann sehe ich nämlich als Erstes den Tresen der Rezeption.

Bei gut geplanten Hotels gibt es an der Seite einen niedrigen Bereich, an dem Rollstuhlfahrer oder andere Menschen, die lieber sitzen statt stehen möchten, bedient werden können. Bei weniger gut geplanten Hotels muss sich das Personal zu mir über den Tresen beugen. Alles kein Drama, aber es ginge eben einfacher, wenn man bedacht hätte, dass es Menschen gibt, die kleiner als 1,60 m sind, dass auch Rollstuhlfahrer einchecken möchten und dass nicht jeder problemlos 10 Minuten stehen kann, sondern es Kunden gibt, die lieber im Sitzen einchecken.

Und nach dem Gespräch mit dem Personal kommt dann meist das nächste Problem: Auch wenn die Welt immer elektronischer wird, wollen viele Hotels immer noch, dass das Meldeformular per Hand ausgefüllt oder zumindest unterschrieben wird. Doof, wenn man sitzt und der Tresen, auf dem man schreiben soll, höher ist als der eigene Kopf.

Guter Kundenservice kann vieles ausbügeln

Nun ist auch der hohe Tresen kein Drama, aber eigentlich legen Hotels einen großen Wert darauf, einen guten ersten Eindruck zu machen. Manchmal macht es der zweite Eindruck aber fast noch schlimmer. Denn natürlich bin ich unterdessen gewohnt, hohe Tresen anzutreffen, frage dann also immer freundlich nach einer Schreibunterlage, einem Klemmbrett oder notfalls nach einem Buch. Wenn die Ausstattung vielleicht nicht ideal ist, kann ein guter Kundenservice das oft wieder ausbügeln.

Im letzten Hotel, in dem ich war, sah man sich aber nicht in der Lage, mir irgendetwas zu geben, auf dem ich schreiben konnte. Man drückte mir den Meldebogen in die Hand, sagte, ich soll ihn im Zimmer ausfüllen und später wieder zur Rezeption bringen. Das kann man sicher so machen, aber sonderlich gastfreundlich fand ich es nicht. Und natürlich war nicht nur der erste und der zweite Eindruck nicht der Beste, sondern das zog sich so durch den ganzen Aufenthalt. Behinderung wirkt manchmal wie ein Brennglas, was guten oder schlechten Service angeht. Serviceorientiertes Personal wird manchmal sogar noch besser, wenn sie behinderte Kunden bedienen. Mittelmäßiges bis schlechtes Personal ist manchmal schon beim kleinsten Sonderwunsch Schreibunterlage überfordert.

„writing table“

Vor Jahren habe ich in einem Buchladen in London einen writing table für Rollstuhlfahrer entdeckt. Das war ein kleines Brett, das man zum Schreiben einfach nach unten klappen konnte. Es war auf halber Höhe am Tresen der Kasse festgeschraubt und hatte ein kleines Rollstuhlsymbol auf der Rückseite. Investitionskosten für den Laden: vielleicht 20 Euro.

Nun finde ich den Tisch gar nicht so sehr wichtig, weil man darauf schreiben kann, sondern weil er an die behinderten Kunden signalisiert, man hat an diese Kundengruppe gedacht und bemüht sich, das Einkaufen für sie einfacher zu machen. Barrierefreiheit muss gar nicht bedeuten, die teuren großen Lösungen anzustreben, sondern manchmal haben kleine Maßnahmen eine große Wirkung.