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Der Bärendienst von Monica Lierhaus

 

Der Bärendienst von Monica Lierhaus
TV-Moderatorin Monica Lierhaus (Archivbild Daniel Reinhardt/dpa)

Das Interview mit Monica Lierhaus war keine Stunde alt, da hatte ich schon Nachrichten von drei verschiedenen Freunden und Bekannten bekommen, die sich darüber aufregten. Nur eine Freundin wollte sich nicht aufregen. Sie hatte nur die Überschrift gelesen und fragte, ob sie den Rest noch lesen soll.

Lebenswert infrage gestellt

Ich wollte eigentlich auch schon nach der Überschrift aufhören zu lesen, denn es war klar, was kommen würde: Eine neu-behinderte Prominente würde lieber nicht leben. Monica Lierhaus stellt damit nicht nur den Wert ihres eigenen Lebens, sondern auch den anderer behinderter Menschen mit ähnlichen Erfahrungen infrage.

Monica Lierhaus moderierte früher die Sportschau und ran. Doch wegen eines Aneurysmas musste sie am Kopf operiert werden, lag danach monatelang im Koma. Sie musste das Sprechen und Laufen wieder lernen. Bis heute fällt ihr das Laufen schwer. „Meine Gangart nervt mich nach wie vor sehr“, sagte sie in dem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Aber sie sei „zu 85 Prozent“ wieder hergestellt.

Weiter sagte sie, heute würde sie sich nicht noch einmal für die lebensrettende OP entscheiden. Auf die Bemerkung, dass sie dann heute nicht mehr leben würde, sagte Lierhaus: Egal. Dann wäre mir vieles erspart geblieben.

Vorurteile bestätigt

Wenn sich prominente behinderte Menschen in dieser Weise äußern, geht das keinesfalls folgenlos an anderen behinderten Menschen vorüber. Wer täglich gegen das Vorurteil kämpft, dass das Leben mit einer Behinderung nicht lebenswert oder zumindest bemitleidenswert sei, dem hat Monica Lierhaus einen Bärendienst erwiesen.

Da arbeiten Tausende behinderte Menschen tagtäglich in ihrem persönlichen Umfeld daran, Vorurteile abzubauen, Mitleid abzuwehren, Aufklärungsarbeit zu leisten und der Welt zu erklären, dass auch ein Leben mit einer Behinderung lebenswert ist. Und dann gibt eine Prominente wie Monica Lierhaus so ein Interview und überrollt damit die Sisyphusarbeit, die täglich von vielen behinderten Menschen geleistet wird.

Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, Monica Lierhaus habe nur ihre persönliche Geschichte erzählt. Nur sie allein hätte sich die letzten Jahre lieber erspart. Das Problem ist, dass Prominente wie Lierhaus ihre eigene Haltung in der Öffentlichkeit salonfähig machen und vielleicht sogar populär.

Aber ist es wirklich besser, Menschen mit Aneurysma nicht zu operieren, weil sie am Ende Beeinträchtigungen wie die von Monica Lierhaus zurückbehalten könnten? Viele Menschen, die darunter leiden, werden das empört zurückweisen. Die meisten sind froh, diese Arterienerweiterung überlebt zu haben, selbst wenn sie danach nicht wieder in ihrem Beruf arbeiten können oder auf fremde Hilfe angewiesen sind. Aber sie leben und sind dankbar dafür. Monica Lierhaus kann sogar wieder hochdotierte Moderationstätigkeiten annehmen. Das sei ihr absolut gegönnt, macht aber ihre Aussage, dass sie sich nicht wieder operieren lassen würde, noch schockierender.

Ich wollte so nicht leben

Ich in deiner Situation wollte so nicht leben – diesen Satz haben wohl viele behinderte Menschen so oder ähnlich schon einmal gehört. Manchmal steckt dahinter Bewunderung, die leider falsch transportiert wird. Manchmal aber auch ein sehr erniedrigendes „von oben Herabschauen“ auf Menschen mit Behinderungen. Die Einstellung rührt meist aus völlig falschen Vorstellungen wie das Leben als behinderter Mensch wirklich ist. Oft transportieren Medien diese Vorurteile und viele Menschen machen sich ihre Bild über behinderte Menschen ausschließlich über die Medien. Einige werden glauben: Wenn selbst so jemand wie Lierhaus jammert, wie schlecht muss es dann den anderen gehen?

Monica Lierhaus kann über ihr Leben denken, wie sie möchte. Aber indem sie ihre negative Einstellung in die Welt hinausposaunt, transportiert sie ein Bild, das Menschen in einer ähnlichen Situation mehr schadet als nutzt.