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Barrierefreies Reisen ist nichts für Telefonmuffel

 

Ich wollte mal eben zwei Hotelzimmer buchen. In zwei großen deutschen Städten. „Mal eben schnell“ geht so etwas nie – jedenfalls dann nicht, wenn man ein barrierefreies Zimmer braucht. Denn barrierefreie Hotelzimmer sind in Deutschland meistens nicht online buchbar. Die Hotels geben sie einfach nicht ins System ein, oft kann man diese Option nicht einmal auswählen, sondern man muss anrufen. Jedes Mal.

Am Telefon teurer

Ich rief also das erste Hotel an. Lage, Zimmer und Preis waren nach meinen Vorstellungen. Ich hatte mir den Preis vorher online angesehen. Nur online buchen geht eben nicht, denn dort bietet die Hotelkette nur „Standardzimmer“ an. Ich brauche aber ein barrierefreies Zimmer. Die Mitarbeiterin bestätigte mir, dass ein barrierefreies Zimmer für den gewünschten Zeitraum noch verfügbar ist und nannte mir den Preis. Allerdings nicht denselben, den ich online gefunden hatte. Telefonisch war das Zimmer gleich mal 20 Euro teurer.

Eine Buchung = zwei Telefonate

Ich wies die Mitarbeiterin darauf hin, dass es nicht mein Fehler sei, dass ich das Zimmer nicht online buchen kann und sie schlug mir Folgendes vor: Ich solle einfach ein Standardzimmer buchen und dann wieder anrufen. Und dann mache sie aus dem Standardzimmer ein barrierefreies Zimmer. Macht also eine Onlinebuchung und zwei Telefonate bis zur Buchung eines barrierefreien Zimmers zum Online-Preis. Und das auch nur, weil ich darauf bestanden habe, den Online-Preis zu bekommen, sonst hätte ich für das barrierefreie Zimmer auch noch draufgezahlt.

Und so ist das immer – barrierefreies Reisen in Deutschland ist definitiv nichts für Telefonmuffel und Menschen mit wenig Zeit. Ich weiß, dass das auch anders geht. Denn was die gleiche Hotelkette in den USA und in Großbritannien schafft – nämlich die barrierefreien Zimmer aller ihrer Häuser online buchbar zu machen – geht in Deutschland offenbar nicht.

In anderen Ländern rechtswidrig

Der Grund wie immer: Die US-amerikanische bzw. britische Gesetzgebung. In Deutschland hingegen juckt das alles wenig und es gibt vermutlich auch recht wenig Druck von behinderten Kunden selbst. Man ist ja schon dankbar, wenn es überhaupt ein barrierefreies Zimmer gibt. In anderen Ländern kann es teuer werden, behinderten Menschen einen schlechteren Service anzubieten als nichtbehinderten Kunden.

In Deutschland kassiert man dagegen meist nur ein Achselzucken, wenn man Ungleichbehandlung in Frage stellt. Das mache ich natürlich trotzdem und so habe ich die Hotelgruppe gebeten, doch das, was sie in Großbritannien und den USA so wunderbar hinkriegen – nämlich mich binnen einer Minute ein barrierefreies Hotelzimmer online buchen zu lassen – doch bitte auch in Deutschland und Österreich zu ermöglichen. Ich warte noch auf Antwort.

Auch beim zweiten Hotel hätte ich gerne online gebucht. Wenigstens bot man mir sofort den Online-Preis auch am Telefon an. Aber auch dieses Telefonat hätte ich mir gerne erspart. Es ist nämlich ganz einfach: Am Ende geht es um die Wünsche des Kunden. Ob man ein Doppelzimmer, ein Nichtraucherzimmer oder ein barrierefreies Zimmer bucht, ist vom Vorgang her völlig egal. Aber nur die barrierefreien Zimmer nicht buchbar zu machen, alle anderen Wünsche aber selbstverständlich zu berücksichtigen, ist nichts anderes als behinderte Kunden schlechter zu behandeln alle anderen. Die sollen halt anrufen, denken sich die Hotels vermutlich. Und dann auch noch draufzahlen. Gleichberechtigte Teilhabe oder gar Inklusion geht anders.