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Not so Super Mario

Seit den Feiertagen wird ein Video auf Facebook geteilt, das nicht nur die Herzen von Super Mario-Fans höher schlagen lässt. Sondern meines auch, denn es wirbt auf ziemlich originelle Weise für Barrierefreiheit. Es heißt Not so Super Mario und Super Mario bewegt sich zuerst laufend durch die Welt, stürzt dann ab und ist ab dann erst im Rollstuhl, später mit Gehhilfen und dann wieder im Rollstuhl.

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Mit Punk­ten zu mehr Chancengleichheit

„Mit Punk­ten zu mehr Chan­cen­gleich­heit“ überschrieb die Christoffel-Blindenmission (CBM) ihre Pressemitteilung zum Welt-Braille-Tags am 4. Januar, der auf die Bedeutung der Punktschrift Braille für blinde Menschen aufmerksam macht. Und in der Tat hat wohl kaum eine andere Entwicklung die Chancen und vor allem Bildungsmöglichkeiten blinder Menschen so nachhaltig verbessert wie die Erfindung der Blindenschrift Braille.

Louis Braille

Erfunden wurde sie 1825 von einem jungen blinden Franzosen namens Louis Braille. Die Punktschrift ermöglicht es bis heute blinden Menschen auf der ganzen Welt mit tastbaren Punkten zu lesen und zu schreiben, vor allem in Ländern, in denen nicht jeder einen Computer hat, auf dem man eine Sprachausgabe installieren kann, die den Bildschirminhalt vorliest.

Louis Braille war seit seinem dritten Lebensjahr erblindet. Er hatte sich mit einer Ahle, einem Gerät, mit dem man Löcher stechen kann, am Auge verletzt. Beide Augen entzündeten sich, worauf Louis Braille erblindete. Dennoch wollte der Junge später unbedingt lesen lernen.

Er wurde 1809 in der Nähe von Paris geboren. Er ging erst auf eine Regelschule, aber hörte irgendwann von einer Blindenschule in Paris und hoffte, dort lesen lernen zu können. Aber auch diese Schule hatte nur sehr wenige, mit tastbaren Buchstaben ausgestattete Bücher. Die Buchstaben nahmen viel Platz weg und die Bücher waren teuer in der Anschaffung. Außerdem dauerte es sehr lange, die Bücher zu lesen, weil man jeden Buchstaben abtasten musste.

Louis Braille wollte, dass blinde Menschen so schnell lesen konnten wie Sehende. Irgendwann hörte er von einem Punkt-Strich-Codesystem, das in der französischen Armee verwendet wurde, um nachts Botschaften zu übermitteln. Die Soldaten konnten die Botschaften ertasten. Louis Braille besorgte sich diesen Code, aber dieser war immer noch sehr mühsam zu lesen. Auf jede Seite passten nur ein oder zwei Sätze.

Louis Braille entwickelte auf Grundlage des Armee-Systems ein System mit erhabenen Punkten und verzichtete auf die Striche. Für das Erstellen der erhabenen Punkte nutzte er das gleiche Werkzeug, die Ahle, mit der er sich als Kleinkind am Auge verletzt hatte. Er entwickelte ein ganzes Alphabet, bestehend aus maximal sechs Punkten pro Buchstabe.

Pädagogen waren gegen die Punktschrift

Obwohl das Punktschriftalphabet einfach zu lernen und zu verstehen war, setzte es sich lange nicht durch. Selbst als Louis Braille mit einem öffentlichen Vortrag beweisen wollte, wie schnell man Braille lesen kann, glaubten die Zuhörer, er habe den Vortrag auswendig gelernt und lese gar nicht vom Punktschriftdokument ab.

Auch von den Lehrern der Blindenschule in Paris bekam er keine Unterstützung. Der Direktor lehnte die Punktschrift sogar ab und verbot sie an der Schule, denn er war der Auffassung, dass eine Schrift, die Sehende nicht nutzen, die blinden Schüler isolieren würde. Dabei war das Gegenteil der Fall. Die Schrift verhalf und verhilft blinden Menschen bis heute sich selbstständig zu bilden und zu informieren.

Die Anerkennung der Schrift erfolgte erst 1850 als sie an französischen Blindenschulen eingeführt wurde. Deutschland brauchte weitere 30 Jahre, um die Punktschrift einzuführen bis es 1879 endlich soweit war.

Nichts über uns ohne uns

Weltweit gibt es 39 Millionen blinde Menschen, rund 90 Prozent leben laut CBM davon leben in Entwicklungsländern. Dort fehlt es häufig an Hilfsmitteln wie Computer und Vorlesegeräte, die für die meisten blinden Menschen in Deutschland mittlerweile Standard sind. Aber auch in Deutschland nutzen blinde Menschen immer noch Braille, um beispielsweise Vorträge zu halten oder einfach weil sie gerne Punktschrift lesen. Außerdem bleibt Punktschrift wichtig, um blinden Menschen Informationen zu geben, in Fahrstühlen, auf Hinweisschildern etc.

Louis Braille ist bis heute ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, nicht etwas „für“ behinderte Menschen zu tun, sondern „mit“ ihnen. Wäre es nach den Sonderpädagogen der Blindenschule gegangen, könnten blinde Menschen bis heute nicht selbstständig lesen.

 

Die Bildungsmisere gehörloser Menschen

Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Aus diesem Grund hat der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) auf die prekäre Bildungssituation gehörloser Menschen aufmerksam gemacht. Schätzungsweise nur 3 Prozent der etwa 10.000 gehörlosen Österreicher haben Matura, also das österreichische Abitur, sagten die Vertreter des ÖGLB. Nur 1 Prozent hat einen Hochschulabschluss.

Es gibt also ein enormes Bildungsdefizit gehörloser Menschen, denn eigentlich müsste der Anteil gehörloser Menschen, die einen höheren Bildungsabschluss haben, genauso hoch sein, wie der hörender Menschen. Als Folge der schlechten Schulbildung hätten gehörlose Menschen in Österreich eher niedrig bezahlte Berufe wie Näherin oder Reinigungskraft, sagte die Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes und Nationalratsabgeordnete, Helene Jarmer.

Und wer jetzt glaubt, das sei ein rein österreichisches Problem, der irrt. Auch in Deutschland kämpfen Eltern dafür, dass ihre gehörlosen Kinder mit Dolmetscherunterstützung Regelschulen besuchen können, damit sie den Weg zum Abitur oder zumindest den für sie angemessenen Bildungsabschluss schaffen. Sie ziehen vor Gerichte und müssen sich mit Ämtern Auseinandersetzungen liefern, weil diese die Kosten für die Dolmetscher nicht zahlen wollen und den Eltern stattdessen sagen, die Kinder sollten auf eine Gehörlosenschule gehen – eben auf die Schulen, die die Bildungsmisere gehörloser Menschen mit verursacht haben. Stattdessen möchten die Eltern die gleichen Bildungschancen für ihre Kinder haben.

Lippenlesen und raten

Ein Grund für die Bildungsmisere ist die negative Einstellung zur Gebärdensprache. Was viele nicht wissen: Selbst Lehrer an Gehörlosenschulen müssen nicht unbedingt Gebärdensprache können, wenn sie dort unterrichten. Man erwartet von den Kindern, dass sie Lippen lesen. Aber die Vorstellung, dass man alles von den Lippen ablesen kann, ist falsch. Die deutsche Sprache können auch geübte Lippenleser nur zu 30 Prozent ablesen. Der Rest muss kombiniert oder aus dem Zusammenhang geraten werden.

Bei der Bildungsvermittlung auf 70 Prozent Raterei zu setzen, ist ein sehr gewagtes Konzept. Viele Eltern gehörloser Kinder haben das erkannt und möchten deshalb, dass ihre Kinder bilingual aufwachsen – mit Gebärdensprache und Lautsprache. Für die gehörlosen Kinder ist Gebärdensprache so etwas wie ihre Muttersprache, die Basis, auf der sie aufbauen können, um Lautsprache zu lernen. Gebärdensprache ist die Sprache, in der man ihnen am besten Wissen vermitteln kann.

Mailänder Kongress

Das Konzept, ausschließlich auf Lautsprache an Gehörlosenschulen zu setzen, geht auf den Mailänder Kongress von 1880 zurück. Dort wurde beschlossen, dass die Gebärdensprache als Unterrichtssprache an Schulen nicht mehr benutzt werden sollte. Diese Ablehnung der Gebärdensprache hat die Bildung gehörloser Menschen massiv behindert und führte damals zu einem Berufsverbot für gehörlose Lehrer. Nach über einem Jahrhundert hat man nun endlich erkannt, dass der Weg falsch war, auch wenn es immer noch Lehrer und Eltern gibt, die Gebärdensprache als etwas hinderliches ansehen.

Die Statistik aus Österreich ist sicherlich ein Alarmsignal. Sie kann als Maßstab gelten, um zu überprüfen, ob sich wirklich etwas tut im Bereich der schulischen Inklusion und ob gleiche Bildungschancen vorhanden sind. Erst wenn sich die Zahlen normalisieren, also gehörlose Menschen genauso häufig Matura beziehungsweise Abitur machen wie hörende Menschen, kann man von gleichen Bildungschancen für gehörlose Menschen sprechen.

 

Rollstuhl ist nicht gleich Rollstuhl

Derzeit findet in Düsseldorf die Rehacare statt. Das ist die größte Hilfsmittelmesse der Welt. Sie ist so etwas wie der Genfer Automobilsalon für Rollstühle. Okay, nicht so ganz so schick und es gibt auch noch viele andere Hilfsmittel zu sehen, aber auch bei Rollstühlen gibt es Hersteller und Modelle wie bei Autos eben.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich meinen ersten Rollstuhl bekam. Ich war etwa sechs Jahre alt und fand Rollstühle immer toll. Ich bekam einen der ersten bunten Kinderrollstühle, die es überhaupt gab. Vorher hab es furchtbare Geräte, die vor allem für Kinder völlig ungeeignet waren, was dazu führte, dass Kinder, die nicht gehen konnten, ewig in Kinderwagen durch die Welt geschoben wurden statt sie selber zu entdecken.

Aber um 1980 herum kam Sopur. Die Firma, die unterdessen zu einem amerikanischen Weltkonzern gehört und auch den Namen Sopur als Firmennamen abgelegt hat, baute in einer Industriehalle in Malsch bei Heidelberg meinen ersten Rollstuhl zusammen. Sopur war damals eine so kleine Firma, dass ich beim Zusammenbauen des Rollstuhls zuschauen konnte. Meine Eltern hatten den Rollstuhl direkt dort bestellt. Das geht heute bei kaum noch einem Rollstuhlhersteller. Rollstühle werden heute vor allem über Sanitätshäuser vertrieben.

Für mich war damals das Wichtigste, dass ich mir die Farbe aussuchen konnte – Gelb und Blau standen zur Auswahl. Bei meinem zweiten Modell gab es dann auch schon Rot. Ich entschied mich für Gelb mit einer blauen Rückenbespannung.

Deutscher Erfindergeist

Rollstuhl von Stephan Farfler
Bild: Wikipedia

Rollstühle sind übrigens, sowohl was die modernen Rollstühle als auch was die Geschichte des Rollstuhls angeht, nicht zuletzt Ergebnisse deutscher Erfinder- und Ingenieurskunst. Sopur ist da nur ein Beispiel. Schon 1655 baute sich der Nürnberger Uhrenmacher Stephan Farfler ein dreirädriges Fahrzeug, das er mit Handkurbeln über ein Zahnradgetriebe antrieb. Es war wahrscheinlich der erste Rollstuhl, mit dem man sich selbst fortbewegen konnte.

Wenn man bedenkt, dass noch 1980 ein farbiger Rollstuhl, der auf Kindergröße angepasst wurde, so etwas Besonderes war, wird einem bewusst, welche Entwicklung Rollstühle in den vergangenen 30 Jahren gemacht haben. Heute stehen bei der Rehacare Hunderte Modelle, bei denen man nicht nur fast jede Farbe auswählen kann, sondern deren Zubehör- und Ausstattungskatalog von der Auswahl her dem eines hochpreisigen Auto in nichts nachsteht. Es dauert länger, einen neuen Rollstuhl auszusuchen als ein neues Auto. Ich bin immer ein bisschen neidisch, wenn die ich heutigen Kinderrollstühle sehe.

Kinderrollstuhl

Selbst E-Rollstühle für Kinder gibt es heute, die nicht einmal aussehen wie Rollstühle, sondern eher wie ein Bobby Car nach dem Tuning.

Rahmenfarbe? Bremsen? Seitenteile?

Wer heute einen Rollstuhl kauft muss ziemlich viele Entscheidung treffen: Elektrisch oder manuell? Welche Vorderräder? Welche Rückenbespannung? Welche Bereifung? Welche Seitenteile? Welche Bremsen? Klappbar oder nicht? Welche Griffe oder keine Griffe? Neigung der Hinterräder? Wie stark soll der Rollstuhl eine Tendenz haben, nach hinten zu kippen? Und dann kommt es natürlich auf die persönlichen Maße an: Sitzbreite, Beinlänge, Höhe der Rückenlehne?

Je besser ein Rollstuhl auf die Person, die ihn nutzt, abgestimmt ist, desto besser fährt er sich und desto besser kann man darin sitzen. Ein schlecht angepasster Rollstuhl führt unweigerlich zu Rückenschmerzen und anderen Problemen. Mein Rollstuhl fühlt sich an wie ein Teil von mir. Er ist genau auf meinen Körper zugeschnitten und deshalb hasse ich es auch, irgendwo anders zu sitzen. Mein Rollstuhl ist bequem, er gibt mir Stabilität und er passt einfach. Deshalb muss ich immer schmunzeln wenn Leute mir sagen, ich soll mich doch mal woanders hinsetzen, so ein Rollstuhl sei doch sicher sehr unbequem. Im Gegenteil. Ein gut angepasster Rollstuhl ist für mich bequemer als jedes Sofa. Von anderen Stühlen ganz zu schweigen.