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Allein in Marzahn

 

BERLIN, GERMANY - MAY 12:  German Chancellor Angela Merkel meets student from the Roentgen school in on May 12, 2015 in Berlin, Germany.  Merkel visited the school as part of a European Union Project Day to discuss pan-European issues with students, especially as regards to the future of Europe's youth. (Photo by Jochen Zick - Pool /Getty Images
Angela Merkel mit Schülerinnen in Berlin. © Jochen Zick / Getty Images

Die Frage, ob man nicht mal zusammen ins Kino gehen wolle, gehört zum traditionellen Repertoire verliebter Menschen. Sie ist immer mit der Hoffnung verbunden, dass Franz Kafkas drittberühmtester Satz „Im Kino gewesen. Geweint“ sich wandeln möge zu: „Im Kino gewesen. Geknutscht“. Wobei es für Nichtverliebte nicht unbedingt nachvollziehbar ist, warum sich erste, zaghafte Anbahnungen ausgerechnet im Kino ereignen sollten: Wer ins Kino geht, will doch eigentlich in Ruhe den Film gucken. Wer ins Kino geht, will unter Menschen alleine sein. Das ist ja das Wunderbare dieses Orts und seiner Dunkelheit. Die Einsamkeit in Gesellschaft.

Soziale Interaktion jeglicher Form stört dabei doch nur, ist aber leider nicht immer zu vermeiden. Gut, mit Frischverliebten will man nicht so streng sein. Aber was ist mit der Dame nebenan, deren Parfüm seit Stunden die Nase umschwült? Dem Sitznachbar, der mit ohrenbetäubendem Beigeräusch seine Nachos verschlingt? Und dann ist da noch der Mann, der den Film bereits im Internet gesehen hat und deshalb immer schon vorher lacht und bei Gelegenheit den Rest des Saales netterweise warnt: Achtung, jetzt kommt’s! Kurzum: Es ist verwunderlich, dass Angela Merkel nun Schülern in Berlin-Neukölln riet, sie sollten doch mal ins Kino in den Stadtteil Marzahn gehen, falls sie deutsche Freunde kennenlernen wollten. Ins Kino!

Man kann sich dabei vieles fragen. Vor allem aber, ob Angela Merkel aus Erfahrung spricht. Ob sie nicht selbst eine derjenigen ist, die während eines Films ihren Nachbar andauernd anstupst. Die bei Gruselszenen ihren Kopf in einer fremden Schulter vergräbt und ihren Mitsitzern ungefragt den Popcorneimer unter die Nase hält oder während der Vorstellung pausenlos besonders umständlich ihre Jacke aus- und anzieht, weil sie hofft, daraus könnte sich ein interessantes Gespräch ergeben oder eine Bekanntschaft fürs Leben. Immerhin wäre man nach ihrem rätselhaften Satz in einer Hinsicht schlauer: Mit Angela Merkel will man lieber nicht ins Kino.

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