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Fanatismus – stärker als Vaterliebe

 

Er ist einer der Attentäter vom 13. November. Samy Animour, 28, geboren in Paris, in der Stadt, in der er jetzt tötete. Im Kulturhaus Bataclan sprengte er sich am Freitag in die Luft. Noch im Sommer war sein 67-jähriger Vater ihm nach Syrien nachgereist. Dort kämpfte der Sohn an der Seite des „Islamischen Staates“(IS), in Frankreich wurde er per Haftbefehl gesucht.

Der Vater wollte ihn rausholen. Am liebsten nach Algerien, das Heimatland der Eltern. Dort wäre der Sohn vielleicht sicher gewesen: vor den Fanatikern des IS, vor den Soldaten Assads und vor dem französischen Gefängnis. Der Vater scheiterte. Jetzt hat das Magazin M der Zeitung Le Monde die Geschichte noch einmal veröffentlicht.

Mohammed*, 67, ist Bekleidungsverkäufer im Pariser Vorort Seine-Saint-Denis. Er stammt aus Algerien, lebt mit seiner Frau in Frankreich, dem Land, in dem auch sein Sohn 1987 geboren ist. Im Sommer 2014 lässt Mohammed seine Geschäfte liegen, macht sich auf eine beschwerliche Reise. Er sucht seinen verlorenen Sohn. Der hat bis 2012 als Busfahrer gearbeitet. Doch dann geht er nach Syrien – kämpfen für den IS.

Von Paris ins türkische Gaziantep, über die Grenze nach Syrien, bei Temperaturen um die 50 Grad, im Minibus, zusammengepfercht mit Islamisten, die sich dem IS anschließen wollen – so schlägt der Vater sich bis in den Norden Aleppos durch. Drei Wochen dauert das.

Erst von unterwegs kündigt Mohammed dem Sohn – der im Le-Monde-Magazin M noch Khader genannt wird – seinen Besuch an. Nur noch sporadisch haben beide über Skype Kontakt. Der Vater fürchtet, der Sohn wolle ihn nicht sehen.

Der Sohn reagiert kühl, IS-Leute lassen beide nicht aus den Augen

Es kommt zum Treffen, doch nie sind beide allein. IS-Mitglieder hören alles mit, die Atmosphäre ist unterkühlt; mit nach Hause nimmt der Sohn seinen Vater nicht. In den Kämpfen wurde Samy Animour verletzt, geht an Krücken, er will nicht darüber sprechen. Mitkämpfer zeigen dem Vater grausame Videos vom Kampf gegen die syrische Armee.

Erreichen kann der Vater nichts. Sein Sohn ist inzwischen verheiratet, will in Syrien bleiben. Vor der Abreise gibt Mohammed ihm einen Brief der Mutter – und 100 Euro. Das Geld lehnt Samy ab. Das habe er nicht nötig.

Ein knappes halbes Jahr nach diesem letzten Treffen erfährt der Vater aus den Medien von den Selbstmordattentaten und Schießereien in Paris. Sein Sohn hat sich im Konzertsaal Bataclan in die Luft gesprengt. Wie viele Menschen er vorher umgebracht hat – das weiß Mohammed noch nicht.

Die aktuelle Entwicklung nach den Pariser Attentaten vom 13. November können Sie hier im Live-Blog verfolgen.
Hier eine Zusammenfassung dessen, was über die mutmaßlichen Täter bekannt ist.

 * Name geändert