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Das Leben nach 44 Jahren im Gefängnis

 

Otis Johnson erinnert sich: Letzten Sommer stand er zum ersten Mal seit 1970 auf dem New Yorker Times Square und beobachtete das Geschehen um sich herum. Er wunderte sich über die Menschen, die an ihm vorbei liefen. „Crazy stuff! So viele Leute, die mit sich selbst sprachen. Dann sah ich genauer hin und merkte, dass sie was in den Ohren stecken hatten. Ich dachte: Sind etwa alle Menschen zu CIA-Agenten geworden, oder was?“ Der US-Amerikaner ist heute 70 Jahre alt, zwei Drittel seines Lebens hat er im Gefängnis verbracht. Das Internet, Smartphones, Mp3-Player – all das, was für uns zum Alltag gehört, war noch in weiter Ferne, als er in Haft ging. Nun lebt Johnson seit über einem Jahr in Freiheit – und in einer Welt, die ihm fremd ist. Der Sender Al Jazeera hat Otis Johnson durch New York begleitet und eingefangen, wie er nach so langer Zeit die Veränderungen um sich herum wahrnimmt.

Zu Johnsons Erstaunen hängen in der U-Bahn-Station noch immer Telefone. „Einen Dollar soll man da einwerfen. Damals waren es 25 Cent. Ich habe allerdings herausgefunden, dass die niemand mehr benutzt.“ Schließlich haben alle „diese iPhones. Einige Leute schauen nicht mal vor sich hin, wenn sie mit ihren Handys die Straße entlang laufen. Das verblüfft mich. Ich versuche noch immer herauszufinden, wie sie das machen.“

Wie eine Zeitreise: Nach 44 Jahren im Gefängnis
Screenshot: Al Jazeera


Auch beim Einkaufen hat sich nach 44 Jahren vieles verändert. Die Regale im Supermarkt stehen voller wundersamer Fertiggerichte und knallig gefärbter Getränke. Erdnussbutter-Gelee-Aufstrich? Noch nie gesehen. Gab’s im Gefängnis nicht. Mittlerweile probiert sich Johnson durch die Produkte durch. „Weil sie lustig aussehen. Manchmal ist es aber wirklich schwer, sich zu entscheiden.“