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Moranbong, eine Girlband mit Propaganda-Auftrag

 

Moranbong, die Girlband aus Nordkorea
Die Girlband Moranbong Band bei einem Auftritt in Pjöngjang © Kyodo/dpa

Unheimlicher noch als die Verbrechen totalitärer Staaten ist uns ihre Vorstellung von Kunst: Schon der antike Philosoph Platon hebt in seiner Politeia die Bedeutung der Musik für die Erziehung der verschiedenen Bürgerklassen hervor und legt fest, wer welche Tonarten zu Ohren bekommt. Auch aus dem nationalsozialistischen Deutschland und der früheren Sowjetunion ist das Schema bekannt: Froh und heiter wird die Stärke der Armee besungen, bedenklich dünne junge Frauen jauchzen dem politischen Führer zu. All das hat auch Nordkoreas Girlband Moranbong zu bieten, die Diktator Kim Jong Un nun auf Tournee ins Nachbarland China schickt.

Ab Samstag soll die Gruppe drei Tage lang in Peking auftreten, teilte die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua mit. Die Massen für das politische System zu begeistern, ist die Kernaufgabe der meisten staatlich geförderten Künstler. Doch diese unheimliche Variante des sogenannten K-Pop macht keinen Hehl aus ihrem Auftrag: „Lasst uns unseren Obersten Befehlshaber mit Waffen unterstützen“ heißt einer ihrer Titel, ein anderer „Unser geliebter Führer“.

Musikalisch sind die Lieder eine Mischung aus Achtziger-Jahre-Pop mit E-Gitarren, Geigen, Keyboards und virtuosem Operngesang. Da wirkt es fast schon harmlos, wenn die Gruppe in Paillettenkleidchen „Lasst uns lernen“, die Variation einer Lenin-Parole, oder die Titelmelodie zum Film „Rocky“ zum Besten gibt. Dazu stemmen sie kraftvoll die schmalen Arme in die Luft oder machen in Showgirl-Manier ein paar Tanzschritte.

https://youtu.be/92XKrTlp8GM

Im Hintergrund rollen häufig Panzer über die Leinwand, die Musikerinnen tragen entweder Kostüme oder Uniformen. Ihr Haar ist kurz geschnitten, die Röcke enden kurz über dem Knie. Fürs nordkoreanische Stilgefühl ist das ganz schön provokant und sexy, wenn man Augenzeugen wie der rumänischen Fotografin Mihaela Noroc glauben darf, die die Mode des kommunistischen Regimes porträtiert hat. Sie versichert: „Man hört überall ihre Lieder und jeder kennt die Songtexte. Ich habe auch eine marschierende Militärtruppe gesehen, wie sie eines ihrer Lieder sang.“

https://youtu.be/fL7-7shibkw

Nach Medienberichten wurde Moranbong 2012 von Kim Jong Un gegründet und ist seitdem immer wieder vor dem Diktator aufgetreten. Sonst ist wenig über die Girlband bekannt: Unklar ist etwa, aus wie vielen Mitgliedern die Gruppe eigentlich besteht: Sind auf den meisten Videoaufnahmen vier oder fünf Sängerinnen zu sehen, besteht die Delegation des Freundschaftsbesuchs in China nur aus drei Musikerinnen.

https://youtu.be/awdI4ts-n3A

Nachdem die Gruppe einmal sechs Monate lang nicht mehr aufgetreten war, argwöhnten Beobachter schon über ihr Schicksal in dem Terrorstaat, der häufig in Ungnade gefallene Prominente hinrichten lässt. Auch über die Familien und den persönlichen Werdegang der Musikerinnen weiß man wenig (lies: nichts). Wer sich die Videos genau ansieht, mag gar Zweifel daran bekommen, ob auch nur eine der Damen tatsächlich ein Instrument beherrscht:

https://youtu.be/daTV9-Wttgg

Falls die Musikerinnen ihre Lieder tatsächlich live und selbst singen, sind ihre stimmlichen Fähigkeiten beeindruckend. Auf der Reise nach China wird Moranbong vom nordkoreanischen Armeechor der Männer begleitet. Sie soll die freundschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik wieder glätten, die Kim Jong Un zuletzt durch Provokationen wie die Abwesenheit von einer Militärparade zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 9. Mai (in kommunistischen Staaten als „Siegestag“ gefeiert) strapaziert hatte. In den nordkoreanischen Staatsmedien heißt es stets, der Herrscher Kim Jong Un sei ein großer Fan der Gruppe. Kürzlich holte er sich gar musikalische Inspiration ins Land: Im Hochsommer hatte die Konzept-Band Laibach, die in ihren Auftritten mit den Symbolen totalitärer Regimes spielt, in Nordkorea ein Konzert gegeben.

Wem das alles absurd und „bei uns“ undenkbar erscheint, der möge sich an dieses Kinderlied für Jungpioniere aus der DDR erinnern. Viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland dürften es heute noch auswendig mitsingen können.