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„Gott will nicht, dass mein Sohn im Gefängnis sitzt“

 

Die Mexikaner trauen El Chapo erneuten Ausbruch zu
Joaquín Guzmán nach seiner neuesten Festnahme © Xinhua/dpa

Zwei Mal ist Joaquín Guzmán alias El Chapo schon aus mexikanischen Hochsicherheitsgefängnissen ausgebrochen – das erste Mal im Januar 2001 in einem Wäschetransporter, das zweite Mal im vergangenen Sommer per Motorrad durch einen Tunnel. Das sind die offiziellen Versionen. Viele Mexikaner glauben sie nicht. Sie vermuten, dass der Mafiaboss, vom Magazin Forbes lange als eine der mächtigsten Personen der Welt gelistet, beide Male mit den Behörden einen Deal geschlossen hat. Der Journalistin Anabel Hernández zufolge soll der ehemalige Präsident Vicente Fox Millionen von Guzmán dafür erhalten haben, dass er seinen ersten Ausbruch ermöglichte.

Vor seiner Festnahme könnte El Chapo versucht haben, mit der aktuellen mexikanischen Regierung ins Geschäft zu kommen. Das jedenfalls vermutet der Sicherheitsberater Alejandro Hope. Warum sonst hätte der Drogenbaron das Risiko eingehen sollen, sich als meistgesuchte Person des Landes von Sean Penn und Kate del Castillo interviewen zu lassen? Hope glaubt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Joaquín Guzmán auch dieses Mal wieder entkommt. Der Mafiaboss sei in einem Gefängnis, das er und seine Leute sehr gut kennten. Sie hätten die Baupläne. Und – noch wichtiger: Die Wärter seien heute ebenso schlecht ausgebildet und bezahlt wie zur Zeit von El Chapos letzter Flucht. „Er hat die Mittel, das Motiv, und die Erfahrung, einen weiteren Stunt zu versuchen“, schreibt Hope.

In einer aktuellen Umfrage der Zeitung El Universal sagen 77 Prozent der Befragten, dass El Chapo wieder ausbrechen werde. Immerhin: 41 Prozent glauben, dass der echte Joaquín Guzmán festgesetzt wurde und kein Double. Es spricht Bände, dass die Zeitung diese Frage überhaupt stellt. Und mehr als die Hälfte findet, der Drogenboss müsse jetzt an die USA ausgeliefert werden.

Die Infografik der Zeitung El Universal zur Umfrage
Die Infografik der Zeitung El Universal zur Umfrage © Screenshot El Universal

In Mexiko ist die Festnahme von Guzmán derzeit das alles bestimmende Thema. Die Zeitschrift Proceso widmete ihr eine Titelgeschichte: „Die Demütigung“ heißt sie, bebildert mit dem Foto des Verhafteten in Handschellen und schmutzigem Unterhemd, mit leerem Blick ins Nichts starrend. Im Heft steht auch eine Reportage über die Mutter von El Chapo. Sie wird als einfache, religiöse Frau gezeichnet, die auf himmlischen Beistand vertraut: „Gott will nicht, dass mein Sohn im Gefängnis sitzt“, sagt sie. „Deshalb gibt er ihm die Mittel, auszubrechen. Die Regierung versteht das nicht.“

Das Gespräch mit Consuelo Loera Pérez führten die Journalisten vor der erneuten Festnahme ihres Sohnes. Womöglich wird ihr Glaube, ihr Sohn gehöre in die Freiheit, sich aber erfüllen. Ob durch himmlischen oder irdischen Beistand.


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