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Entführt auf einen funkelnden Planeten

 

Bisher war der Londoner Jazzpianist Andrew McCormack nur stiller Teilhaber der Erfolge anderer. Dank seines bemerkenswerten Debütalbums „Telescope“ wird sich das nun ändern

Cover McCormack

Das klassische Jazzpianotrio mit Kontrabass und Schlagzeug galt lange als ausgereizt. Lieber kauft man sich Platten der vielen Altmeister, als sich durch Neueinspielungen eines Nachwuchses zu hören, der oft nur manieriert an verstaubten Zitaten herumwerkelt.

Doch es gibt Ausnahmen. Zu den in London häufig erwähnten Lieferanten zukunftsweisender Jazzklänge zählt schon eine ganze Weile der Jazzpianist Andrew McCormack. Noch keine 20 Jahre alt, spielte er 1998 mit dem Saxofonisten Denys Baptiste dessen erste Platte Be Where You Are ein. Das Album wurde mit begehrten britischen Musikpreisen wie dem Mercury und dem Mobo überschüttet und machte Baptiste, den Mann mit dem kraftvollen Saxofonton und dem Pharaonenbart auf einen Schlag berühmt. Der jungenhaft wirkende McCormack begleitete uneitel und ideenreich und ließ fortan auch in anderen Formationen immer wieder seine technische wie musikalische Klasse aufblitzen.

Nun hat er mit Telescope sein Debütalbum vorgelegt. Begleitet von den vielbeschäftigten Talenten Tom Herbert am Kontrabass und Tom Skinner am Schlagzeug hat er das Genre nicht neu erfunden. Aber er zeigt, wie frisch und originell Jazz in dieser klassischen Besetzung klingen kann. Die CD besteht bis auf eine Ausnahme aus eigenen Kompositionen, nur das groovende Better Than People stammt aus der Feder von Kontrabassist Herbert. Schon das eingängige Titelstück schickt einen auf den funkelnden Planeten McCormack: elegant, mit Verve und Kraft geht es zur Sache, über einen funkigen Rhythmus breitet der Pianist seine rasanten Läufe aus.

Sein an Klangfarben reiches Spiel speist sich aus vielen Quellen der Jazztradition. Man hört den harten Anschlag und die schrägen Melodien eines Thelonius Monk heraus, die stimmungsvollen Klavierkaskaden eines Keith Jarrett, den Witz eines Vince Guaraldi (der vor allem als Charlie Brown-Soundtrackschreiber bekannt ist). Bei den ruhigen Stücken klingen selbst klassische Einflüsse wie Bach und Strawinsky durch. McCormack, der mit 14 Jahren verhältnismäßig spät zur Musik fand, studierte an der Londoner Guildhall School nicht nur Jazz, sondern auch Klassik.

Er formt daraus seinen Stil – eigen und urban, ohne völlig aus dem Rahmen zu fallen. Seine Spezialität sind gradlinige, eingängige Themen und überraschende, oft eng geführte Improvisationen. Telescope swingt vom ersten bis zum letzten Ton, ob das Trio rhythmisch anspruchsvolle Tempostücke spielt oder sich McCormack mit viel Gefühl und ohne Sentimentalität durch unbegleitete Balladen tastet.

Es seien „aufregende Zeiten für Jazzmusiker in London“, sagte er kürzlich in einem Interview, es gebe einen „Sinn für Abenteuer“. Danach klingt Telescope. Es ist ein erster Schritt, ein vielversprechendes Statement. Man darf gespannt sein, wohin es McCormack noch führt.

„Telescope“ von Andrew McCormack ist als CD erschienen bei Dune.

Hören Sie hier „Telescope“