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Krach wie früher

 

Die Indie-Rocker Dinosaur Jr. sind zurück, in der Original-Besetzung des Jahres 1987. „Beyond“ klingt, als wäre es von damals: scheppernd, sumpfig, dreckig.

Melody and Noise, Melodie und Geräusch, das war die Devise der Stunde im alternativen Rockgeschehen vor zwanzig Jahren. Die drei Platten, die das am besten umsetzten, waren Isn’t Anything von My Bloody Valentine, Candy Apple Grey von Hüsker Dü und You’re Living All Over Me von Dinosaur Jr. Verglichen mit diesen Bands erscheint ein Großteil des heutigen Indie-Rock handzahm und lahm.

You’re Living All Over Me war das zweite Album von Dinosaur Jr., sie schufen darauf ihre eigene Mischung aus Punk und Metal. Ergreifende Melodien bahnten sich ihren Weg durch meterdicken Lärmschlamm, es klang, als hätte Neil Young unter dem Einfluss aufputschender Drogen mitgewirkt.

In der Urbesetzung aus J. Mascis, Lou Barlow und Murph legte Dinosaur Jr. kurze Zeit darauf mit Bug ein weiteres Meisterwerk vor. Danach verließ der Bassist Lou Barlow die Band, um sich seinem eigenen Projekt Sebadoh zu widmen. Der Gitarrist und Sänger J. Mascis nahm in den folgenden zehn Jahren – anfangs unterstützt vom treuen Schlagzeuger Murph – vier weitere Alben auf. Die waren voller schöner Melodien und bezaubernden Arrangements, weniger krachig. Auf der Bühne fehlte der Gegenpol zu Mascis’ ausladenden Gitarrensoli. Nicht selten artete das in hemmungsloses Gegniedel aus – ein typisches Verfallssymptom alternder Rocker. Es wurde noch schlimmer, als Mascis Dinosaur Jr. im Jahr 1998 auflöste und zwei Platten unter seinem eigenen Namen veröffentlichte.

Im vergangenen Jahr tourten Dinosaur Jr. erstmals seit 18 Jahren wieder in der Originalbesetzung und gaben ohrenbetäubende Konzerte, die viele Fans ratlos zurückließen. War das jetzt wirklich großartig oder nur ein nostalgischer Reflex?

Jetzt gibt es mit Beyond eine neue Platte. Sie beginnt mit einem Gitarrensolo von J. Mascis, unterlegt mit einem infernalischen Lärmteppich. Lou Barlow ist wieder da und mit ihm dieser verzerrte Bass-Klang, der weniger Rhythmus denn Textur ist – pures Geräusch. Er ist das Gegengewicht, das Mascis quecksilberartige Soloergüsse brauchen. Murph poltert dazu wie eh und je und treibt so die Musik voran. Die Stücke sind fantastisch, J. Mascis ist immer noch ein hervorragender Schreiber. Zwei Stücke stammen von Lou Barlow, sie verhalten sich zu Mascis‘ Stücken wie Mitte der Siebziger die Stücke von Stephen Stills auf Neil Youngs Alben: Sie sind die Ruhepole mit Harmoniegesang inmitten der rastlosen Eigenwilligkeit.

Das Erstaunlichste an dieser Platte ist, dass sie sich den derzeit üblichen Klangidealen komplett verweigert. Hier gibt es nicht die im Studio zu Tode komprimierten Klangblöcke, die heutzutage als Härte gelten. Beyond klingt scheppernd, sumpfig und dreckig, als sei es im Jahr 1987 entstanden.

Mit Nostalgie hat das nichts zu tun.

Sehen Sie hier das Video zu „Been There All The Time“

„Beyond“ von Dinosaur Jr. ist erschienen bei PIAS

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