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Jünger des goldenen Rüssels

 

Im vergangenen Jahr löste der Saxofonist David S. Ware sein Quartett auf, es bekam kaum Angebote. „Renunciation“ ist ein Mitschnitt des letzten Konzerts.

David Ware Renunciation

Der Elefantengott Ganesha steht im Hinduismus für den Schutz des Hauses. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der amerikanische Saxofonist David S. Ware mit der Mythologie der Gottheit. Sie herrscht über Poesie, Musik und Wissenschaft und ist das Symbol für Weisheit und Intelligenz, den Schutz bei Veränderung und Glück für den Weg. Auf der Hülle von David S. Wares im Jahr 2005 erschienener 3-CD-Box Live In The World war der Rüssel des Ganesha abgebildet, er sah wie ein goldenes Saxofon aus. Auch in den Anmerkungen zu seiner neuen CD Renunciation preist er den Elefantengott. Er könnte den Schutz gut gebrauchen, derzeit läuft es für den Musiker nicht rund.

Beim New Yorker Vision Festival im Sommer 2006 kündigte er an, der Auftritt sei der letzte seiner Band. Mit dem David S. Ware Quartet – neben ihm der Pianist Matthew Shipp, der Bassist William Parker und wechselnde Schlagzeuger – spielte er 18 Jahre lang zusammen, mit ihm war er bekannt geworden. Nun sollte Schluss sein. Aufgeregt und enttäuscht reagierten das Publikum und die Kritiker. Die neue CD Renunciation ist ein Mitschnitt dieses letzten Konzerts des Quartetts.

Zwei Menschen verdankt David S. Ware, dass er überhaupt bekannt wurde: seiner französischen Managerin Anne Dumas und dem Saxofonisten Branford Marsalis. Marsalis entdeckte ihn und vermittelte ihm im Jahr 1997 einen Vertrag mit dem großen Label Columbia. Zwei CDs und knapp drei Jahre später war Schluss, nicht nur für David S. Ware, auch Marsalis wurde als Talentsucher bei Columbia gefeuert. Anne Dumas verhalf dem Quartett in dieser Situation zu Auftritten in Europa, in seinem Heimatland gab es keine Angebote mehr.

Schon während seiner Zeit bei Columbia trat David S. Ware selten auf. Wenn er erst mal einen großen Plattenvertrag habe, würde sich alles ändern, hätten ihm die Manager damals gesagt. Es ginge nicht um die Musik, lamentiert er, die Manager reagierten nur, wenn sie Dollars ahnten. Müßig zu entscheiden, ob er frustriert oder realistisch ist. In die gängigen Jazzclubs passt David S. Ware nicht. Es stört ihn, wenn die Leute während seiner Konzerte trinken und essen und wenn sie sich unterhalten. Man spürt diese Haltung in seiner Musik, man liest sie in den Begleittexten seiner Alben.

David S. Ware löste sein Quartett auf, weil es in den Vereinigten Staaten keine Angebote mehr bekam. Er wolle die langjährige Arbeit nicht schmälern, schreibt er zu Renunciation. Das letzte gemeinsame Konzert sei vor allem als Kritik an den Verhältnissen in den Vereinigten Staaten zu verstehen. Ware fordert bessere Arbeitsbedingungen für Kreative, er weiß, dass nur etwas passiert, wenn Menschen, die die Musik lieben, sich für sie einsetzen.

Seine Musik ist wie ein Gebet – beschwörend, kraftvoll, tief, hymnisch. Es geht ihm um Bewusstsein und Wertesysteme, um die Fragen, wie man sich und die Welt wahrnimmt und wofür man lebt. Er brauche nicht viel zum Glück, sagt er. Wundervolle Musik machen, die Tiefe hat und doch schwebt, darum ginge es ihm. Er ist sich sicher, dass Ganesha ihn dabei unterstützen wird.

„Renunciation“ von David S. Ware ist erschienen bei AUM.

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