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Planetarium, Spätvorstellung

 
Clare & The Reasons laden des Nachts in die Sternwarte: Sphärische Klagen und poppige Seufzer funkeln auf ihrem ersten Album „The Movie“.

Claire and the Reasons The Movie

Ein Mädchen geht von einer Party nach Hause. Dort hat es einen jungen Mann kennengelernt, der schon früher weg musste. Er hat gesagt, er würde sie vielleicht mal anrufen, aber das kennt sie schon. The same old story. Vielleicht mochte er ihre Stimme nicht, vielleicht hätte sie doch lieber ein anderes Parfüm auflegen sollen. Das Wörtchen vielleicht kann einen ziemlich nachdenklich machen, wenn man nachts um halb zwei nach Hause geht.

Clare Muldaur, die Tochter des Folk-Gitarristen Geoff Muldaur, fängt solch melancholische Schwebezustände ein und bleibt dabei stets in träumerischer Gelassenheit verwurzelt. Ihr Album The Movie trägt mediterrane Züge dank der betörenden Arrangements des französischen Violinisten Olivier Manchon. Er hat mit Muldaur am Bostoner Berklee College of Music studiert und leitet ein kleines Kammerorchester.

The Movie ist eine Spätvorstellung. Der Soundtrack setzt sich aus Nocturnen zusammen: Love Can Be A Crime (mit Van Dyke Parks am Piano) und Alphabet City darf man als moderne Torchsongs verstehen, als Klagen über unerwiderte Liebe. Cook For You balanciert zwischen neoklassischem Walzer und poppigen Seufzern. Die sphärische Planetenode Pluton erinnert von fern an die Worte des großen amerikanischen Komponisten Johnny Mercer (Moon River): Beim Schreiben pflege er sich auf sein Sofa zu legen und die Augen zu schließen, „um erst einmal in Einklang mit dem Universum zu kommen“. Clare Muldaurs Musik klingt bisweilen gar wie von einem anderen Stern, auch das ist sehr reizvoll an diesem außergewöhnlichen Album.

Und das Mädchen? Sie ist einen kleinen Umweg durch die stillen Straßen gegangen; das macht man manchmal, wenn man nachdenken muss. Inzwischen ist es nach halb vier, und als sie die Tür aufschließt, steht ihre Mitbewohnerin vor ihr. Wie soll man schon schlafen, wenn andauernd das Telefon klingelt? Das erste Mal um kurz nach zwölf, und danach ungefähr jede halbe Stunde wieder. Im Schwebezustand ist eben alles möglich. Genauso klingt The Movie.

„The Movie“ von Clare & The Reasons ist bei Frog Stand/Cargo erschienen.

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